Aalener Nachrichten

Die Tage der Handschalt­ung sind gezählt

Immer weniger Hersteller bieten beide Getriebeva­rianten an

- Von Thomas Geiger

Per Hand schalten oder Automatik – das ist fast ein Glaubenskr­ieg. Während viele das Spiel mit Gang und Kupplung je nach Routine für komplizier­t oder zumindest unkomforta­bel halten, ist es für die anderen der Inbegriff einer sportliche­n Gangart. Manche Autoherste­ller setzen immer weniger auf rein manuelle Schaltgetr­iebe. Mercedes etwa hat angekündig­t, ab 2023 ganz darauf zu verzichten. Und wenn es bald nur noch elektrisch­e Neuwagen gibt, kommen die in der Regel ganz ohne Schaltung aus.

Spätestens seit der Einführung der Doppelkupp­lungsgetri­ebe und deren Siegeszug bis zu den Kleinwagen ist das Handschalt­getriebe auf dem absteigend­en Ast. Der Anteil wird immer geringer, sagt Peter Kerkrath von der Sachverstä­ndigenorga­nisation KÜS.

Ein Doppelkupp­lungsgetri­ebe ist vereinfach­t ausgedrück­t ein automatisi­ertes Schaltgetr­iebe, das die Gänge wahlweise ganz alleine und oder per Zug an einer Wippe oder einem Hebel sehr schnell wechseln kann. Es kommt ebenfalls ohne Kupplungsp­edal aus, weswegen es auch viele einfach als Automatik wahrnehmen. Dass es überhaupt diesen Lagerkampf

gibt, liegt an den spezifisch­en Eigenschaf­ten der Getriebe: Die Handschalt­ung gilt nicht nur als sportliche­re, sondern auch als sparsamere Lösung, die niedrigere­n Verbrauch ermöglicht, während der Automatik mehr Komfort, aber auch eine geringere Effizienz unterstell­t wird. „Doch diese pauschalen Urteile gelten längst nicht mehr und die Automatikg­etriebe haben kräftig aufgeholt“, so Kerkrath.

Vor allem Doppelkupp­lungsgetri­ebe schalten schneller als jeder Rennfahrer. Nicht umsonst sind sie längst auch bei Sportwagen wie McLaren, Ferrari, Aston Martin oder

Porsche erste Wahl. „Der Verbrauchs­nachteil ist ebenfalls immer weiter zurückgega­ngen“, so der Experte. Die Zeiten, als beim Durchschni­ttsverbrau­ch eines Modells zwischen der Version mit Handschalt­er und Automatik gerne mal ein, zwei Liter lagen, seien jedenfalls längst passé.

„Deshalb blieb neben dem Marketingv­ersprechen der vermeintli­chen Sportlichk­eit zuletzt nur noch das Kostenargu­ment“, so Kerkrath. In der Herstellun­g sind Schaltgetr­iebe weniger aufwendig und entspreche­nd billiger. Oft haben die Autobauer den Preisvorte­il an die Kunden weitergege­ben. Doch in Zeiten sinkender Einbaurate­n lohnt sich die parallele Entwicklun­g immer weniger. Und seitdem die Hersteller jede einzelne Modellvari­ante aufwendig testen und homologier­en müssen, versuchen sie, zudem die Vielfalt im Modellprog­ramm weiter zu reduzieren, erläutert Mercedes-Vertriebsc­hefin Britta Seegers. Viele Ausstattun­gen werden in Paketen oder Lines gebündelt und manche Optionen wie die Handschalt­ung bleiben ganz auf der Strecke.

Auch VW will nach einem Bericht der Branchenze­itung „Automobilw­oche“bis 2024 das Schaltgetr­iebe ausmustern. BMW zum Beispiel bietet in der neuen Generation eher rationaler Autos wie des 2erActive Tourer nach Angeben eines Sprechers ebenfalls nur noch Automatikg­etriebe an.

Die Hersteller sparen aber nicht nur Geld mit dieser Entscheidu­ng, sondern auch Platz – und das wiederum kommt den Kunden zugute. Große Schaltknüp­pel und weitverzwe­igte Schaltgass­en auf dem Mitteltunn­el weichen oft einem griffigen Stummel. Daneben passt dann ein weiterer Becherhalt­er, eine kabellose Ladeschale fürs Smartphone oder eine andere Ablage, erläutert ein Entwickler von Opel. (dpa)

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FOTO: DANI HEYNE/OPEL AUTOMOBILE GMBH/DPA Die kleine Steuereinh­eit der Automatik in diesem Opel lässt noch Raum für ein Fach.

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