Die Tage der Handschaltung sind gezählt
Immer weniger Hersteller bieten beide Getriebevarianten an
Per Hand schalten oder Automatik – das ist fast ein Glaubenskrieg. Während viele das Spiel mit Gang und Kupplung je nach Routine für kompliziert oder zumindest unkomfortabel halten, ist es für die anderen der Inbegriff einer sportlichen Gangart. Manche Autohersteller setzen immer weniger auf rein manuelle Schaltgetriebe. Mercedes etwa hat angekündigt, ab 2023 ganz darauf zu verzichten. Und wenn es bald nur noch elektrische Neuwagen gibt, kommen die in der Regel ganz ohne Schaltung aus.
Spätestens seit der Einführung der Doppelkupplungsgetriebe und deren Siegeszug bis zu den Kleinwagen ist das Handschaltgetriebe auf dem absteigenden Ast. Der Anteil wird immer geringer, sagt Peter Kerkrath von der Sachverständigenorganisation KÜS.
Ein Doppelkupplungsgetriebe ist vereinfacht ausgedrückt ein automatisiertes Schaltgetriebe, das die Gänge wahlweise ganz alleine und oder per Zug an einer Wippe oder einem Hebel sehr schnell wechseln kann. Es kommt ebenfalls ohne Kupplungspedal aus, weswegen es auch viele einfach als Automatik wahrnehmen. Dass es überhaupt diesen Lagerkampf
gibt, liegt an den spezifischen Eigenschaften der Getriebe: Die Handschaltung gilt nicht nur als sportlichere, sondern auch als sparsamere Lösung, die niedrigeren Verbrauch ermöglicht, während der Automatik mehr Komfort, aber auch eine geringere Effizienz unterstellt wird. „Doch diese pauschalen Urteile gelten längst nicht mehr und die Automatikgetriebe haben kräftig aufgeholt“, so Kerkrath.
Vor allem Doppelkupplungsgetriebe schalten schneller als jeder Rennfahrer. Nicht umsonst sind sie längst auch bei Sportwagen wie McLaren, Ferrari, Aston Martin oder
Porsche erste Wahl. „Der Verbrauchsnachteil ist ebenfalls immer weiter zurückgegangen“, so der Experte. Die Zeiten, als beim Durchschnittsverbrauch eines Modells zwischen der Version mit Handschalter und Automatik gerne mal ein, zwei Liter lagen, seien jedenfalls längst passé.
„Deshalb blieb neben dem Marketingversprechen der vermeintlichen Sportlichkeit zuletzt nur noch das Kostenargument“, so Kerkrath. In der Herstellung sind Schaltgetriebe weniger aufwendig und entsprechend billiger. Oft haben die Autobauer den Preisvorteil an die Kunden weitergegeben. Doch in Zeiten sinkender Einbauraten lohnt sich die parallele Entwicklung immer weniger. Und seitdem die Hersteller jede einzelne Modellvariante aufwendig testen und homologieren müssen, versuchen sie, zudem die Vielfalt im Modellprogramm weiter zu reduzieren, erläutert Mercedes-Vertriebschefin Britta Seegers. Viele Ausstattungen werden in Paketen oder Lines gebündelt und manche Optionen wie die Handschaltung bleiben ganz auf der Strecke.
Auch VW will nach einem Bericht der Branchenzeitung „Automobilwoche“bis 2024 das Schaltgetriebe ausmustern. BMW zum Beispiel bietet in der neuen Generation eher rationaler Autos wie des 2erActive Tourer nach Angeben eines Sprechers ebenfalls nur noch Automatikgetriebe an.
Die Hersteller sparen aber nicht nur Geld mit dieser Entscheidung, sondern auch Platz – und das wiederum kommt den Kunden zugute. Große Schaltknüppel und weitverzweigte Schaltgassen auf dem Mitteltunnel weichen oft einem griffigen Stummel. Daneben passt dann ein weiterer Becherhalter, eine kabellose Ladeschale fürs Smartphone oder eine andere Ablage, erläutert ein Entwickler von Opel. (dpa)