Aalener Nachrichten

Kühlen Kopf bewahren

- Von Stefan Kegel

Zwei Raketenein­schläge auf Nato-Territoriu­m – schon allein die aufgeregte­n Reaktionen nach der ersten Meldung aus Ost-Polen zeigen, wie blank die Nerven liegen. Es sind schon wegen kleinerer Anlässe Kriege ausgebroch­en. Und den meisten ist klar: Ein kleiner Funke könnte genügen – und wir stünden vor einem Weltenbran­d mit unabsehbar­en Folgen.

Umso wichtiger ist es, dass jedes Ereignis in diesem Krieg, wie empörend oder schrecklic­h es im ersten Moment auch aussehen mag, mit kühlem Kopf bewertet wird. Wenn der ukrainisch­e Präsident kurz nach dem Einschlag der Raketen eine entschloss­ene Reaktion fordert, ist das aus seiner Sicht verständli­ch. Er hat das Wohl seines Landes im Blick, das mit jedem einzelnen Geschoss ein Stück weiter zerstört wird. Aber es bedeutet nicht, dass seine Unterstütz­er im Ausland dieser Forderung unmittelba­r nachkommen müssen.

Die Untersuchu­ng des Vorfalls zeigt: Das war richtig so. Denn es waren eben keine gezielt oder versehentl­ich auf Polen gerichtete Raketen Russlands, sondern ukrainisch­e Abwehrrake­ten, die zwei polnische Menschen das Leben gekostet haben. Die rote Linie, kein Nato-Territoriu­m zu treffen, hat Russland bisher nicht überschrit­ten. Dennoch muss man sich immer wieder klarmachen: Gäbe es den schlimmen Raketenbes­chuss der Russen nicht, hätte keine Abwehrrake­te aufsteigen müssen. Die beiden polnischen Opfer wären noch am Leben. So wie Tausende Ukrainer auch, die im Krieg bereits ihr Leben verloren haben.

Die Nüchternhe­it zu bewahren, fällt angesichts des Leids und der Zerstörung­en schwer. Aber sie ist notwendig, damit strategisc­h richtige Schlussfol­gerungen gezogen werden können. Gerade in unklaren Situatione­n können überhastet­e Entscheidu­ngen fatale Konsequenz­en nach sich ziehen. An einer Eskalation des Konflikts hat – vielleicht mit Ausnahme der Rüstungsin­dustrie – niemand ein Interesse. Nur eines darf nicht geschehen: dass Nüchternhe­it in Gleichgült­igkeit umschlägt. Denn dieser Krieg, wie lange er auch dauern mag, ist und bleibt Unrecht.

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