Ukrainischer Querschläger statt Nato-Bündnisfall
Keine Hinweise auf russischen Angriff nach Einschlag in Polen – Selenskyj zweifelt
WARSCHAU/BRÜSSEL/NUSA DUA Der tödliche Raketeneinschlag im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine war nach Angaben Polens und der Nato kein vorsätzlicher Angriff. Der Vorfall sei wahrscheinlich durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden, die gegen russische Angriffe mit Marschflugkörpern eingesetzt worden sei, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es gebe keine Hinweise, dass Russland offensive militärische Aktionen gegen die Nato vorbereite, fügte er am Mittwoch in Brüssel hinzu. Somit liegt auch kein Nato-Bündnisfall vor.
Polens Präsident Andrzej Duda sagte in Warschau: „Nichts, absolut nichts deutet darauf hin, dass es sich um einen absichtlichen Angriff auf Polen handelte.“Es gebe auch keine Beweise dafür, dass die Rakete von Russland abgefeuert worden sei, sondern es handele sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine ukrainische Flugabwehrrakete, einen Querschläger. Davon hatte zuvor bereits US-Präsident Joe Biden berichtet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj meldete jedoch Zweifel an. „Kann man Fakten oder irgendwelche Beweise von den Partnern erhalten?“, fragte der 44-Jährige am Mittwoch in einem TV-Interview. Er forderte den Einsatz einer gemeinsamen Untersuchungskommission
und Zugang zu den vorhandenen Daten. „Ich denke, dass es eine russische Rakete war – gemäß dem Vertrauen, das ich zu den Berichten der Militärs habe“, sagte Selenskyj.
Nato-Chef Stoltenberg hatte zuvor allerdings auch gesagt: „Das ist nicht die Schuld der Ukraine.“Russland trage letztendlich die Verantwortung, da es seinen illegalen Krieg gegen die Ukraine fortsetze. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte nach dem G20-Gipfel auf Bali, der Einschlag wäre nicht passiert „ohne den russischen Krieg gegen die Ukraine“. Ähnlich argumentierte CDU-Verteidgungsexperte Roderich Kiesewetter. „Der Verursacher des Vorfalls ist aber Russland“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“. „Ohne den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gäbe es auch nicht die Gefahr von Querschlägern oder Irrläufern.“Er betonte zudem, es sei wichtig gewesen, dass „alle besonnen blieben“.
Moskau bestritt am Mittwoch, Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen zu haben und warf zudem Polen eine irreführende Informationspolitik vor. Die Rakete war nach Angaben Warschaus im Dorf Przewodow eingeschlagen, das sechs Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt liegt. Dabei wurden am Dienstagnachmittag zwei Menschen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb getötet.