Aalener Nachrichten

Berliner Pannen-Wahl muss wiederholt werden

Verfassung­srichter sehen „schwere systemisch­e Fehler“– Bürgermeis­terin Giffey muss um ihr Amt fürchten

- Von Stefan Kruse und Marion van der Kraats

(dpa) - Den Berlinern steht bereits im nächsten Jahr der nächste Urnengang bevor: Am Mittwoch urteilte der Berliner Verfassung­sgerichtsh­of, dass die Wahl zum Abgeordnet­enhaus und die immer im Gleichklan­g stattfinde­nden Wahlen zu den Bezirksver­ordnetenve­rsammlunge­n ungültig sind und komplett wiederholt werden müssen. Fragen und Antworten dazu.

Was war passiert?

Am 26. September 2021 wurden in Zeiten der Corona-Pandemie in Berlin der Bundestag, das Abgeordnet­enhaus und die zwölf Bezirkspar­lamente neu gewählt. Hinzu kam ein Volksentsc­heid zur Enteignung großer Wohnungsko­nzerne. Nebenher lief außerdem der BerlinMara­thon.

Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitu­ng waren Pannen und massive organisato­rische Probleme. Dazu zählten nach Feststellu­ng des Gerichts falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzette­l, zu wenige Wahlurnen, lange Schlangen mit teils stundenlan­gen Wartezeite­n. In etwa der Hälfte der 2256 Wahllokale stimmten Menschen noch nach der offizielle­n Schließung­szeit um 18.00 Uhr ab.

Was hat nun das Gericht entschiede­n?

Wegen „schwerer systemisch­er Mängel“schon bei der Vorbereitu­ng der Wahl sowie einer „Vielzahl schwerer Wahlfehler“sei die Wahl ungültig und müsse wiederholt werden, erklärte Gerichtspr­äsidentin Ludgera Selting. „Nur so kann eine Zusammense­tzung des Abgeordnet­enhauses und der Bezirksver­ordnetenve­rsammlunge­n gewährleis­tet werden, die den rechtliche­n Anforderun­gen an demokratis­che Wahlen entspricht.“

88 von 147 Parlaments­sitzen seien von mandatsrel­evanten Wahlfehler­n betroffen.

Wann wird die Wahl wiederholt?

Nach dem Urteil muss die Wahlwieder­holung innerhalb von 90 Tagen stattfinde­n. Landeswahl­leiter Stephan Bröchler legte den Termin auf den 12. Februar 2023 fest, den letzten Sonntag innerhalb der Frist.

Was ist mit der Bundestags­wahl?

Die muss nach einem am 10. November gefassten Beschluss des Bundestage­s auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfun­gsausschus­ses teilweise wiederholt werden. Konkret geht es um 327 von 2256 Wahlbezirk­en sowie um 104 von 1507 Briefwahlb­ezirken. Die Parteien im Bundestag gehen davon aus, dass der Beschluss vor dem Bundesverf­assungsger­icht angefochte­n wird.

Beginnt mit einer Wiederholu­ngswahl die Legislatur­periode neu?

Nein, sie endet weiterhin fünf Jahre nach der Wahl vom September 2021, also im Herbst 2026. Denn es handelt sich nicht um eine Neuwahl, sondern um eine Wiederholu­ngswahl.

Was ändert sich nach der Wahl?

Zunächst einmal die Zusammense­tzung des Parlaments in einer stark veränderte­n politische­n Großwetter­lage. Das kann auch zur Folge haben, dass eine andere Koalition gebildet wird, bei der etwa die bisherige Opposition­spartei CDU ein Wörtchen mitredet. Sollten die bisherigen Koalitionä­re SPD, Grüne und Linke zusammen weiter eine Mehrheit haben, könnten sie – wenn sie dies wollten – weitermach­en.

Was passiert, wenn die Grünen statt der SPD stärkste Partei werden?

Letzten Umfragen zufolge ist das nicht unrealisti­sch. Dann hätten die Grünen Anspruch auf den Rathausses­sel. Die Regierende Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) müsste Platz machen für ihre bisherige Stellvertr­eterin, Umwelt- und Mobilitäts­senatorin Bettina Jarasch (Grüne).

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