Berliner Pannen-Wahl muss wiederholt werden
Verfassungsrichter sehen „schwere systemische Fehler“– Bürgermeisterin Giffey muss um ihr Amt fürchten
(dpa) - Den Berlinern steht bereits im nächsten Jahr der nächste Urnengang bevor: Am Mittwoch urteilte der Berliner Verfassungsgerichtshof, dass die Wahl zum Abgeordnetenhaus und die immer im Gleichklang stattfindenden Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen ungültig sind und komplett wiederholt werden müssen. Fragen und Antworten dazu.
Was war passiert?
Am 26. September 2021 wurden in Zeiten der Corona-Pandemie in Berlin der Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der BerlinMarathon.
Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitung waren Pannen und massive organisatorische Probleme. Dazu zählten nach Feststellung des Gerichts falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, lange Schlangen mit teils stundenlangen Wartezeiten. In etwa der Hälfte der 2256 Wahllokale stimmten Menschen noch nach der offiziellen Schließungszeit um 18.00 Uhr ab.
Was hat nun das Gericht entschieden?
Wegen „schwerer systemischer Mängel“schon bei der Vorbereitung der Wahl sowie einer „Vielzahl schwerer Wahlfehler“sei die Wahl ungültig und müsse wiederholt werden, erklärte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting. „Nur so kann eine Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen gewährleistet werden, die den rechtlichen Anforderungen an demokratische Wahlen entspricht.“
88 von 147 Parlamentssitzen seien von mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffen.
Wann wird die Wahl wiederholt?
Nach dem Urteil muss die Wahlwiederholung innerhalb von 90 Tagen stattfinden. Landeswahlleiter Stephan Bröchler legte den Termin auf den 12. Februar 2023 fest, den letzten Sonntag innerhalb der Frist.
Was ist mit der Bundestagswahl?
Die muss nach einem am 10. November gefassten Beschluss des Bundestages auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses teilweise wiederholt werden. Konkret geht es um 327 von 2256 Wahlbezirken sowie um 104 von 1507 Briefwahlbezirken. Die Parteien im Bundestag gehen davon aus, dass der Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird.
Beginnt mit einer Wiederholungswahl die Legislaturperiode neu?
Nein, sie endet weiterhin fünf Jahre nach der Wahl vom September 2021, also im Herbst 2026. Denn es handelt sich nicht um eine Neuwahl, sondern um eine Wiederholungswahl.
Was ändert sich nach der Wahl?
Zunächst einmal die Zusammensetzung des Parlaments in einer stark veränderten politischen Großwetterlage. Das kann auch zur Folge haben, dass eine andere Koalition gebildet wird, bei der etwa die bisherige Oppositionspartei CDU ein Wörtchen mitredet. Sollten die bisherigen Koalitionäre SPD, Grüne und Linke zusammen weiter eine Mehrheit haben, könnten sie – wenn sie dies wollten – weitermachen.
Was passiert, wenn die Grünen statt der SPD stärkste Partei werden?
Letzten Umfragen zufolge ist das nicht unrealistisch. Dann hätten die Grünen Anspruch auf den Rathaussessel. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) müsste Platz machen für ihre bisherige Stellvertreterin, Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne).