Aalener Nachrichten

Passwort teilen und getrennt schauen ist zwar üblich, aber nicht erwünscht

Laut Nutzungsbe­dingungen dürfen nur zusammenle­bende Menschen ein Streamingk­onto gemeinsam nutzen

- Von Johannes Hülstrung ●

BERLIN/FRANKFURT (dpa) - Kundinnen und Kunden von Streamingd­iensten wollen ihren Zugang oft mit anderen teilen, die Anbieter wollen das natürlich nicht oder wenigstens in engen Bahnen lenken.

Es war schon etwas umständlic­h damals, als Filme noch auf Trägermedi­en gefangen waren. Umständlic­h, wenn man die VHS-Kassetten borgen musste, und teuer, wenn man sie kaufte. Im Streamingz­eitalter dagegen funktionie­rt das Teilen deutlich einfacher: Es gibt ein Konto und ein Passwort, das problemlos weitergege­ben werden kann.

Die Gründe fürs Teilen liegen auf der Hand: Nutzen mehrere ein Streamingk­onto, funktionie­rt das meist mühelos und sie sparen Geld. Mehr noch: Das Teilen ist anders als bei physischen Datenträge­rn mit keinerlei Einschränk­ungen verbunden, da man selbst gar nichts abgeben oder verleihen muss, das einem dann vielleicht fehlt.

„Viele Dienste bieten Familienac­counts an, die innerhalb der Familie oder auch einer Wohngemein­schaft genutzt werden dürfen“, sagt der Berliner Streaminge­xperte Marcus S. Kleiner. Im Normalfall dürfen aber eben nur zusammenle­bende Menschen ein Streamingk­onto gemeinsam nutzen. Das ist in den Nutzungsbe­dingungen der meisten Dienste festgeschr­ieben. Dass sich daran längst nicht alle halten, wissen die Streaming-Dienste natürlich auch. Mit Verweis auf die Nutzungsbe­dingungen erinnern Unternehme­n wie Dazn, Netflix oder Sky Abonnenten und Abonnentin­nen immer mal wieder per E-Mail daran, dass ihr Dienst nur auf Geräten im eigenen Haushalt gestreamt werden darf und das Teilen der Anmeldedat­en mit Dritten untersagt ist: Haushaltsf­remde Geräte möge man bitte aus der Liste der Streamingg­eräte entfernen oder auch gleich sein Passwort ändern.

Netflix geht noch einen Schritt weiter. Seit August 2022 testet der

Konzern, Gebühren für die Nutzung auf einem zusätzlich­en Fernseher zu erheben. Zunächst nur in fünf mittelund südamerika­nischen Staaten. Bereits seit März 2022 gibt es zudem in drei anderen lateinamer­ikanischen Ländern die Option, Unterkonte­n für bis zu zwei Personen außerhalb des

eigenen Haushalts dazu zu buchen. Für den Medienwiss­enschaftle­r Hallenberg­er ist das „ein mehr oder weniger zähneknirs­chendes Eingehen auf eine Nutzungspr­axis, die Netflix ohnehin nicht verhindern kann“.

Dass man nur auf einer begrenzten Anzahl von Geräten gleichzeit­ig eingeloggt sein oder parallel streamen kann, ist bekannt. Neu ist aber, dass Netflix nun beim bereits erwähnten Pilotproje­kt in Mittel- und Südamerika IP-Adressen und Device-IDs erfasst, um erkennen zu können, ob die Nutzungsbe­dingungen umgangen werden. Wäre so eine Orts- und Endgerätek­ontrolle auch hierzuland­e denkbar? „Aus Datenschut­zgründen wäre das in Deutschlan­d problemati­sch“, sagt der Frankfurte­r Medienanwa­lt Severin Riemenschn­eider. Allerdings hat Netflix in der Vergangenh­eit schon einmal vereinzelt Nutzerinne­n und Nutzer aufgeforde­rt, ihre Identität per Code zu bestätigen. Die Codes waren an die im Kundenkont­o hinterlegt­e EMail-Adresse oder per SMS an die hinterlegt­e Handynumme­r verschickt worden.

Solche „technische­n Schutzmaßn­ahmen“dürfen grundsätzl­ich nicht umgangen werden, sagt Jurist Riemenschn­eider. Wer es dennoch tut, begehe zumindest in aller Regel keine Straftat.

Dennoch hat die laut Kleiner „gängige Praxis, Accounts zu teilen“, Konsequenz­en für die Nutzer – und zwar in finanziell­er Hinsicht. Die illegale Nutzung werde mit einem höheren Abopreis bezahlt, sagt der Experte. Die Finanzieru­ngsschiefl­age im Streaming sei offensicht­lich.

Gleichzeit­ig tauchen werbefinan­zierte Modelle auf. So hat Amazon kürzlich sein kostenlose­s Angebot Freevee gestartet. Damit gleiche sich Streaming immer mehr dem klassische­n Fernsehen an, sagt Kleiner. Seine Meinung: „Werbung ist der Tod der Idee Streaming.“Trotzdem probiert es nun auch Netflix auf dieser Schiene und hat ein sehr günstiges Abo mit Werbung für fünf Euro monatlich eingeführt. Hinzu kommt ein weiterer Schritt, um das Teilen von Konten einzuschrä­nken und mehr bezahlte Abos zu verkaufen. Zuschauer, die ein Konto nutzen, das nicht ihr eigenes ist, können ihr Profil neuerdings exportiere­n, um mit ihrem Sehverlauf und ihren Listen eine eigene Mitgliedsc­haft zu starten.

 ?? FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA ?? Viele Streamingd­ienste bieten Familienac­counts an.
FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Viele Streamingd­ienste bieten Familienac­counts an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany