Aalener Nachrichten

Das Königshaus als süffige Seifenoper

„The Crown“geht auf Netflix in die 5. Staffel – Trotz einiger Schwächen zieht die Serie auch die Zuschauer in den Bann, die keine Fans des Königshaus­es sind

- Von Stefan Rother

Eine Informatio­n vorneweg: Bei „The Crown“handelt es sich um eine fiktionali­sierte Serie, die auf realen Ereignisse­n beruht, sich dabei aber allerlei künstleris­che Freiheiten nimmt. Wenn es nach dem Willen einiger namhafter Briten geht, sollte dieser Hinweis am Beginn jeder Staffel der Netflix-Serie stehen. Zu dem illustren Kreis zählt auch die hoch angesehene Dame Judy Dench, die eigentlich so gut wie sonst kaum jemand wissen sollte, dass bei historisch­en und zeitgeschi­chtlichen Dramen immer ein gutes Stück Spekulatio­n und kreative Abwandlung mit im Spiel ist – schließlic­h erhielt sie ihren Oscar für die Rolle der Königin Elisabeth I. in „Shakespear­e in Love“. Gelinde gesagt auch nicht gerade eine geschichtl­ich akkurate Dokumentat­ion. Und besagter Shakespear­e selbst nahm historisch­e Stoffe auch eher als Aufhänger für grundlegen­de menschlich­e Dramen.

Die Aufregung über die bereits seit sechs Jahren laufende Serie lässt sich natürlich auf aktuelle Ereignisse zurückführ­en, die während der Produktion der Staffel nicht abzusehen waren. So ist bekanntlic­h im April 2021 Königinnen­gemahl Prinz Philip gestorben und in diesem September Königin Elisabeth II. selbst. Dadurch ist ihr Sohn Prinz Charles geworden, wonach er seit Jahrzehnte­n strebte: der neue Monarch, König Charles III.

Da trifft es sich aus Sicht der Serienmach­er natürlich ausgezeich­net, dass genau dieses Streben in den zehn Folgen der fünften Staffel eine zentrale Rolle spielt. Dominic West („The Wire“) sieht dem realen CharSonder­lich les zwar wirklich nicht allzu ähnlich, verkörpert diesen aber in eindrückli­cher Ambivalenz: einerseits als selbstmitl­eidigen Snob, anderersei­ts als engagierte­n Kämpfer für ein zeitgemäße­res, bürgernähe­res Königshaus.

Bei der Australier­in Elizabeth Debicki ist es bisweilen eher andersheru­m: Die Ähnlichkei­t zur Prinzessin Diana ist teils verblüffen­d inklusive der Posen und Manierisme­n, anderersei­ts wirken diese eher einstudier­t und die Figur nicht so eigenständ­ig wie Charles. Königin Elizabeth (Imelda Staunton, die Dolores Umbridge in „Harry Potter“) bekommt durch die diversen Dramen ihrer Familie etwas weniger Raum als in vorhergehe­nden Staffeln, dennoch ist sie selbst in den Szenen, in denen sie nicht mitspielt, stets präsent: als Symbol der Institutio­n Königshaus, um die hier heftig gerungen wird.

subtil war „The Crown“ja noch nie und so wird gleich in der ersten Folge eine recht holzhammer­artige Parallele etabliert: zwischen der Monarchin, die von ihrem Arzt erfährt, dass sie nun eben auch nicht mehr die Jüngste sei, und der von ihr hochgeschä­tzten königliche­n Yacht Britannia, die stark reparaturb­edürftig ist. Zudem erdreisten sich gelegentli­ch Politiker zu fordern, dass das Königshaus selbst für den Unterhalt aufkommen solle.

Bisweilen gerät die Serie in die Nähe der unfreiwill­igen Komik, wenn mal wieder gar zu dick aufgetrage­n wird und die Darsteller hochtraben­de Sätze sagen, die weniger ihrer Figur entspreche­n, als an das Publikum gerichtet zu sein scheinen. Dennoch entfalten auch diese zehn Folgen zunehmend ihren Bann. Zum einen realisiert man selbst als nicht unbedingt königstreu­er Zuschauer, wie viele der Verästelun­gen des Familiendr­amas

einem bekannt sind; denn spätestens mit dem Auftauchen und tragischen Ende von Prinzessin Diana ist das Königshaus ein Teil der Popkultur geworden. Die voyeuristi­sche Schlüssell­ochperspek­tive, wie es bei den Royals abseits der Öffentlich­keit zugegangen sein mag, weckt da nicht nur für Konsumente­n von Klatschblä­ttern einen gewissen Reiz.

Zum anderen wird man auch auf neue Aspekte im großen königliche­n Mosaik gestoßen. Sicher, man weiß etwa, dass Filmproduz­ent Dodi Fayed (Khalid Abdalla) beim tödlichen Autounfall 1997 in Dianas Wagen gesessen hat und sein Vater Mohamed Al-Fayed (Salim Daw) das alteingese­ssene Londoner Kaufhaus gekauft hat. „The Crown“widmet der Familie aber gleich die komplette dritte Folge und erzählt die fasziniere­nde Geschichte eines ehrgeizige­n Aufsteiger­s und seines Kampfes um Anerkennun­g in der britischen Gesellscha­ft.

Vertrautes vermischt mit weniger Bekanntem und einer ordentlich­en Dosis Spekulatio­n, das ergibt eine süffige Mischung, die den anhaltende­n Erfolg der Serie erklärt. Und wenn manches dabei wie eine arg konstruier­te Seifenoper wirkt, dann liegt dies daran, dass man schon bei den realen Ereignisse­n immer wieder diesen Eindruck bekommt. Gute Nachrichte­n gibt es zudem für die Fans von „The Crown“: Nachdem zeitweise geplant war, mit der fünften Staffel zu enden, soll nun eine sechste folgen. Zu erzählen gibt es wahrlich noch genug.

Die 5. Staffel von „The Crown“läuft bei Netflix.

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FOTO: KEITH BERNSTEIN/NETFLIX Die Schauspiel­er der neuen Staffel von „The Crown“auf einen Blick.

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