Starre Fronten – und dazwischen die Lea
OB Dambacher hält an Konversionsplänen fest – Umverteilung als mögliche Lösung
ELLWANGEN - In der Frage, wie es nach dem 31. Dezember mit der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen weitergeht, bleiben die Fronten weiterhin starr: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat in einer Pressekonferenz am Dienstag deutlich gemacht, dass eine Unterbringung der Geflüchteten im Land ohne die ehemalige Kaserne in Ellwangen nicht möglich sei.
Selbst, wenn der Gemeinderat einer Verlängerung des Lea-Vertrags mit dem Land nicht zustimme, gelte, so Kretschmann: „Wir können da nicht raus.“Die Regierung gehe somit weiterhin davon aus, dass sich das Land mit der Stadt in den kommenden sechs Wochen vor Ablauf des Vertrags noch auf einen Weiterbetrieb verständigen werde.
Von einer Einigung sieht Ellwangens Oberbürgermeister Michael Dambacher die Verhandlungen zwischen Stadt und Land derzeit noch weit entfernt, wie er in einem Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten“am Mittwoch erklärt. Der Stadt liege zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Angebot vor. „Wir haben lediglich eine Willenserklärung – ein sogenanntes Memorandum of Understanding – erhalten, nach dem ein Weiterbetrieb der Lea vor Ort stattfinden soll“, erklärt der Oberbürgermeister und führt weiter aus: „Dieses Memorandum des Landes bringt zum Ausdruck, dass man dieses große, bedeutende Thema in irgendeiner Weise gemeinsam fortsetzen möchte, aber wie und unter welchen Bedingungen, liegt uns nicht vor. Wir haben nichts, worüber wir momentan diskutieren könnten.“
Anders als bei der Sigmaringer Lea, bei der sich ohne eine explizite Kündigung der Vertrag automatisch verlängert, hat Ellwangen bei der Neuverhandlung 2019 auf die Bedingung bestanden, dass eine erneute Verlängerung nur im Einvernehmen möglich sei. „Darauf berufen wir uns jetzt“, so Dambacher. Und damals sei vom Land auch ganz klar gesagt worden: „Wenn Ellwangen nicht mehr will, dann ist das in Ordnung. Dann wird das akzeptiert.“
An dem Entschluss, die Lea nicht weiterführen zu wollen, habe sich auch knapp drei Jahre später nichts verändert. Die Stadt Ellwangen möchte das Gelände nach Auszug der Lea zur Stadtentwicklung nutzen. Für 1675 neue Einwohner soll auf dem Gebiet Ellwangen Süd Wohnraum geschaffen werden. Erste Unternehmen aus dem Aalener Raum haben ihr Interesse nach Angaben der Stadt bereits angemeldet. Dambacher betont in diesem Kontext, dass die Gestaltung eines neuen Stadtteils nahe der Europäischen Ausbildungs- und Transferakademie (Eata) gerade auch für Menschen mit Migrationshintergrund eine gute Möglichkeit sei, sich in Ellwangen anzusiedeln und zu integrieren. Das Gelände sei für die Stadt Ellwangen hinsichtlich ihrer weiteren städtebaulichen Planungen unverzichtbar. „Unter diesem Aspekt ist es einfach unlauter, dass eine Stadt, die bereits seit acht Jahren diese Konversion wegen der Einrichtung nicht richtig voranbringen konnte, nun nochmals bis Ende der 2020er-Jahre diesen Stadtteil nicht besiedeln kann. Meiner Ansicht nach ist das absolut unverhältnismäßig.“
Auch Winfried Kretschmanns Rechtfertigung bei der Pressekonferenz am Dienstag in Stuttgart, das Land habe durchaus nach Alternativen gesucht und sei um eine Lösung bemüht, aber es gebe kaum welche, lässt Dambacher daher nicht gelten: „Mich würden dann schon mal die ernsthaften Bemühungen der vergangenen fünf Jahre interessieren, was denn konkret verfolgt worden ist und welche Konzeption das Land wirklich verfolgt hat. Ich sehe nicht, dass da viel passiert ist.“
Aus Sicht des Oberbürgermeisters sei das Land nun am Zug, eine Lösung für die Lea zu finden. Der Vorschlag, die Einrichtung in fünf bis acht Jahren möglicherweise auf ein ehemaliges Krankenhausgelände in Böblingen zu verlegen, bietet damit für die Stadt keine Perspektive. Dambacher
betont hierzu: „Ich werde selbst auch kein Angebot machen, ich habe meine Position oft genug zum Ausdruck gebracht. Wir erfüllen unseren Vertrag und wir erwarten von unserem Vertragspartner, dass er das gleiche tut.“
Dambacher kann das Argument des Landes nachvollziehen, dass die Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen erschöpft seien und dass die Regierung damit vor einer Mammutaufgabe stehe. „Aber Ellwangen allein löst dieses Problem nicht“, so der OB. Wir reden von 700 Plätzen, die man auf verschiedene Lea-Standorte auch verteilen könnte, an denen das Land eigene Immobilien unterhält.“Beispielsweise werde die ehemalige Lea in Meßstetten nun als Ukrainezentrum genutzt. Damit seien dort ausschließlich Menschen untergebracht, die aufgrund ihres gesicherten Aufenthaltsstatus eigentlich nicht in einer ehemaligen Erstaufnahmestelle, sondern direkt auf Regionen verteilt werden müssten. Ihre Verteilung sei somit nicht Länder-, sondern Kreisangelegenheit. „Wenn man diese Kapazitäten umverteilt, könnte man sehr wohl auch eine andere Lösung für die Lea in Ellwangen finden – wenn man will.“Fest stehe für Dambacher: Die Stadt habe sich in der Vergangenheit nicht der Flüchtlingsaufnahme verwehrt und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Erst im Sommer seien die Kapazitäten der Lea von 700 auf 1500 Geflüchtete erhöht worden, um 800 ukrainische Familien aufnehmen zu können. „Fakt ist: wir tun definitiv mehr als wir müssten“, sagt Dambacher. „Wir tun das gern und wir haben ein tolles soziales Netzwerk, aber auch wir sind irgendwann mal an unseren Grenzen und auch wir haben das Recht, uns in Zukunft weiterentwickeln zu dürfen.“
Ellwangen sei in den vergangenen acht Jahren wirtschaftlich und kommunalpolitisch von anderen Regionen wie Aalen oder Gmünd abgehängt worden, während die Kommunen von dem Lea-Privileg und den Leistungen Ellwangens in der Flüchtlingsunterbringung profitieren konnten. „Da habe ich mich schon gefragt, wo da die Solidarität zwischen den Kommunen ist.“Die Stadtverwaltung hat sich mit Vertretern des Landes und des Regierungspräsidiums Stuttgart nun auf eine öffentliche Sondersitzung am Mittwoch, 30. November, in Ellwangen geeinigt, in der die Zukunft der Lea besprochen werden soll.
Im Anschluss daran werden nach Angaben Dambachers noch einige Beratungen in den städtischen Gremien folgen, bevor eine finale Entscheidung getroffen wird. Ob Bürger in der Sitzung ebenfalls die Möglichkeit haben werden, Fragen an die Landesregierung und die Stadtverwaltung zu richten, ist noch offen.