Quälende Generalprobe
Füllkrug erlöst DFB-Team – Flick nutzt einzigen WM-Test für personelle Experimente
- Es war heiß, richtig schwül-heiß. Und man konnte an ihren Gesichtern, an den Trikots erkennen, wie sehr die deutschen Spieler bei knapp 30 Grad am Abend in Maskat kämpften. Gegen die Schwüle, die Hitze, den flotten Gegner Oman und die innere Einstellung zu einem Testspiel kurz vor einer WMEndrunde. Da kann man sich empfehlen, ins Schaufenster stellen – aber auch verletzen. Am Ende stand ein erarbeiteter, erkämpfter 1:0-Erfolg, der allein deshalb ein Erfolg war, weil man gegen den 75. der FifaWeltrangliste eine Blamage, einen Dämpfer vermeiden konnte. Mühsam, dürftig und durstig, so das Fazit. Viel Krampf, viel Schweiß – und dennoch ein Versprechen für das erste Gruppenspiel am Mittwoch kommender Woche gegen Japan.
Dass die Stimmung beim Kurzflug ins WM-Gastgeberland Katar samt Bezug des Quartiers im Norden des Landes doch ganz relaxed sein wird, dafür sorgte ein Debütant: Niclas Füllkrug schrieb im Oman sein eigenes Märchen aus 1001 Nacht. Eingewechselt zur Pause, in der 80. Minute als Mittelstürmer dort, wo ein Mittelstürmer stehen muss. Der WerderTorjäger, geboren in Hannover, versenkte das Zuspiel von Kai Havertz trocken und zielgenau mit links zum 1:0. Eiskalt in der Hitze – linker Fuß, linke Faust. Der Mann mit der Zahnlücke, daher der Spitzname „Lücke“, fand eben diese und darf nun träumen von Einsätzen bei der WM.
„Er hat sich das Tor verdient“, meinte Bundestrainer Hansi Flick bei RTL und freute sich für seinen neunten Debütanten: „Wir sind mit seinem Einstand sehr zufrieden. Man hat gespürt, dass da eine Präsenz vorne drin ist.“Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, als RTL-Experte im schweißtreibenden Einsatz, lobte Füllkrug: „Er ist eine Bereicherung vorne drin. Ein Straßenfußballer, körperlich stark. Einer, der weiß, wo das Tor steht.“In der Bundesliga traf er bereits zehn Mal in der Hinrunde, kein deutscher Profi kam auf mehr Tore. Matthäus Erkenntnis des dünnen 1:0 gegen den Oman: „Füllkrug ist da, wenn man ihn braucht.“Als Joker oder gar als Mittelstürmer von Beginn an? Diese Frage muss Flick lösen, der noch auf Thomas Müller verzichten musste. Der Bayern-Angreifer
soll nach seiner Hüftverletzung am Samstag ins Training einsteigen. Gegen den Oman wurden Serge Gnabry und Jamal Musiala komplett geschont. Die aufgebotene Offensive um Havertz, Leroy Sané und Jonas Hofmann war sehr im zurückhaltenden Testspiel-Modus.
Einzig der zweite Debütant des Abends von Maskat überzeugte: der erst 17-Jährige Youssoufa Moukoko. Flick ließ den Dortmunder von Beginn an ran, damit war „Mucki“, so sein Spitzname, mit 17 Jahren und 361 Tagen der jüngste Debütant in der deutschen Nationalelf seit Uwe Seeler (17 Jahre, 345 Tage) im Jahr 1954. Zur Feier des Tages traf Moukoko kurz vor dem Halbzeitpfiff – und seiner Auswechslung – aus kurzer Distanz mit einem satten Schuss aufs kurze Eck den Pfosten. So stahl „Lücke“ mit seinem Siegtor „Mucki“die Show. Diesen Satz über ein Länderspiel zu schreiben, hätte man vor Saisonbeginn nicht für möglich gehalten.
Erstmals seit 1978 drohte ein letzter Test vor einer WM sieglos zu enden, damals setzte es ein 1:3 gegen Schweden. Allerdings stellte der zweite Vergleich in der DFB-Geschichte mit dem Oman (zuvor gab es ein 2:0 im Februar 1998) keine ernsthafte WM-Generalprobe dar, obwohl Manuel Neuer hinterher die Gastgeber als „ernstzunehmenden Gegner“bezeichnete. Es lag eher am Schongang der deutschen Auswahl. Flick machte in Zweckoptimismus: „Es ist alles okay. Das Spiel hat seinen Sinn erfüllt. Wir haben den Test gegen den Oman bewusst gewählt, um uns an die Temperaturen hier in der Region zu gewöhnen. Wir wollten den ein oder anderen Spieler noch mal sehen, für andere war es als Regeneration gedacht. Dass wir die Zweikämpfe nicht auf dem Niveau wie bei der WM geführt haben, ist auch klar.“Laut Kapitän Neuer „denken wir jetzt an Japan. Das wird eine schwierige Aufgabe, da wollen wir die ersten drei Punkte holen.“
Mit Füllkrug, der den Japanern kräftig einschenkt? Erst einmal genoss er den Abend in Maskat, sagte glücklich: „Am Ende freue ich mich, dass ich helfen konnte, um das Spiel zu gewinnen. Aber man muss das alles realistisch einschätzen. Erst jetzt geht es um alles in den nächsten Spielen – und da wollen wir erfolgreich sein.“Sprach`s und grinste. Mit Mut zu seiner Lücke.