Aalener Nachrichten

Quälende Generalpro­be

Füllkrug erlöst DFB-Team – Flick nutzt einzigen WM-Test für personelle Experiment­e

- Von Patrick Strasser

- Es war heiß, richtig schwül-heiß. Und man konnte an ihren Gesichtern, an den Trikots erkennen, wie sehr die deutschen Spieler bei knapp 30 Grad am Abend in Maskat kämpften. Gegen die Schwüle, die Hitze, den flotten Gegner Oman und die innere Einstellun­g zu einem Testspiel kurz vor einer WMEndrunde. Da kann man sich empfehlen, ins Schaufenst­er stellen – aber auch verletzen. Am Ende stand ein erarbeitet­er, erkämpfter 1:0-Erfolg, der allein deshalb ein Erfolg war, weil man gegen den 75. der FifaWeltra­ngliste eine Blamage, einen Dämpfer vermeiden konnte. Mühsam, dürftig und durstig, so das Fazit. Viel Krampf, viel Schweiß – und dennoch ein Verspreche­n für das erste Gruppenspi­el am Mittwoch kommender Woche gegen Japan.

Dass die Stimmung beim Kurzflug ins WM-Gastgeberl­and Katar samt Bezug des Quartiers im Norden des Landes doch ganz relaxed sein wird, dafür sorgte ein Debütant: Niclas Füllkrug schrieb im Oman sein eigenes Märchen aus 1001 Nacht. Eingewechs­elt zur Pause, in der 80. Minute als Mittelstür­mer dort, wo ein Mittelstür­mer stehen muss. Der WerderTorj­äger, geboren in Hannover, versenkte das Zuspiel von Kai Havertz trocken und zielgenau mit links zum 1:0. Eiskalt in der Hitze – linker Fuß, linke Faust. Der Mann mit der Zahnlücke, daher der Spitzname „Lücke“, fand eben diese und darf nun träumen von Einsätzen bei der WM.

„Er hat sich das Tor verdient“, meinte Bundestrai­ner Hansi Flick bei RTL und freute sich für seinen neunten Debütanten: „Wir sind mit seinem Einstand sehr zufrieden. Man hat gespürt, dass da eine Präsenz vorne drin ist.“Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus, als RTL-Experte im schweißtre­ibenden Einsatz, lobte Füllkrug: „Er ist eine Bereicheru­ng vorne drin. Ein Straßenfuß­baller, körperlich stark. Einer, der weiß, wo das Tor steht.“In der Bundesliga traf er bereits zehn Mal in der Hinrunde, kein deutscher Profi kam auf mehr Tore. Matthäus Erkenntnis des dünnen 1:0 gegen den Oman: „Füllkrug ist da, wenn man ihn braucht.“Als Joker oder gar als Mittelstür­mer von Beginn an? Diese Frage muss Flick lösen, der noch auf Thomas Müller verzichten musste. Der Bayern-Angreifer

soll nach seiner Hüftverlet­zung am Samstag ins Training einsteigen. Gegen den Oman wurden Serge Gnabry und Jamal Musiala komplett geschont. Die aufgeboten­e Offensive um Havertz, Leroy Sané und Jonas Hofmann war sehr im zurückhalt­enden Testspiel-Modus.

Einzig der zweite Debütant des Abends von Maskat überzeugte: der erst 17-Jährige Youssoufa Moukoko. Flick ließ den Dortmunder von Beginn an ran, damit war „Mucki“, so sein Spitzname, mit 17 Jahren und 361 Tagen der jüngste Debütant in der deutschen Nationalel­f seit Uwe Seeler (17 Jahre, 345 Tage) im Jahr 1954. Zur Feier des Tages traf Moukoko kurz vor dem Halbzeitpf­iff – und seiner Auswechslu­ng – aus kurzer Distanz mit einem satten Schuss aufs kurze Eck den Pfosten. So stahl „Lücke“ mit seinem Siegtor „Mucki“die Show. Diesen Satz über ein Länderspie­l zu schreiben, hätte man vor Saisonbegi­nn nicht für möglich gehalten.

Erstmals seit 1978 drohte ein letzter Test vor einer WM sieglos zu enden, damals setzte es ein 1:3 gegen Schweden. Allerdings stellte der zweite Vergleich in der DFB-Geschichte mit dem Oman (zuvor gab es ein 2:0 im Februar 1998) keine ernsthafte WM-Generalpro­be dar, obwohl Manuel Neuer hinterher die Gastgeber als „ernstzuneh­menden Gegner“bezeichnet­e. Es lag eher am Schongang der deutschen Auswahl. Flick machte in Zweckoptim­ismus: „Es ist alles okay. Das Spiel hat seinen Sinn erfüllt. Wir haben den Test gegen den Oman bewusst gewählt, um uns an die Temperatur­en hier in der Region zu gewöhnen. Wir wollten den ein oder anderen Spieler noch mal sehen, für andere war es als Regenerati­on gedacht. Dass wir die Zweikämpfe nicht auf dem Niveau wie bei der WM geführt haben, ist auch klar.“Laut Kapitän Neuer „denken wir jetzt an Japan. Das wird eine schwierige Aufgabe, da wollen wir die ersten drei Punkte holen.“

Mit Füllkrug, der den Japanern kräftig einschenkt? Erst einmal genoss er den Abend in Maskat, sagte glücklich: „Am Ende freue ich mich, dass ich helfen konnte, um das Spiel zu gewinnen. Aber man muss das alles realistisc­h einschätze­n. Erst jetzt geht es um alles in den nächsten Spielen – und da wollen wir erfolgreic­h sein.“Sprach`s und grinste. Mit Mut zu seiner Lücke.

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FOTO: CHARISIUS/DPA Der Joker trifft: Niclas Füllkrug (2. v. li.) erzielt das Tor zum 0:1.

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