Erstaunlich milde Reaktionen
Der 2015 aufgeflogene Abgasskandal wird möglicherweise größer als bisher angenommen. Unterlagen, die die Deutsche Umwelthilfe am Donnerstag präsentierte, kann man zumindest als Belege für vorsätzlichen Betrug interpretieren. Damit würde noch deutlicher, dass die bisherigen Reaktionen der Bundesregierung, des Verkehrsministeriums, des Kraftfahrtbundesamtes und der Justiz in dieser Angelegenheit erstaunlich milde ausgefallen sind.
Die von der Deutschen Umwelthilfe vorgelegten Bosch-Papiere aus den Jahren 2006 bis 2015 lassen dies vermuten: VW, Audi, Daimler und BMW beauftragten den Zulieferer mit Verfahren zur Abgasreinigung in Dieselmotoren, von denen sie wussten, dass sie teilweise illegal waren. Die Belege deuten auf die bewusste Absicht, den Vorsatz der Unternehmen hin. Darin könnte unter Umständen auch der Vorstand des Bosch-Konzerns verwickelt gewesen sein. Insofern mag die Affäre nun nochmals weitere Kreise ziehen – auch über das bereits gegen Bosch verhängte Bußgeld von 90 Millionen Euro und frühere Bußgelder gegen die Autokonzerne hinaus.
Andererseits freilich muss man die Möglichkeit einkalkulieren, dass die Deutsche Umwelthilfe – die für ihr offensives Vorgehen bekannt ist – den Fall aufbauscht, die Unterlagen irrtümlich interpretiert und juristisch nichts daraus folgt. Unter der Voraussetzung jedoch, dass die Annahmen zutreffen, ließe sich sagen: Die Autokonzerne haben bewusst getäuscht. Gemessen daran kann man die bisherigen politischen und juristischen Reaktionen als zu schonend betrachten. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass hierzulande immer noch Millionen Kraftfahrzeuge herumfahren, die unzulässige Abgaswerte aufweisen.
Spannend ist die Frage, was Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP nun tun wird? Jedoch sollte man die Erwartungen nicht allzu hoch schrauben. Die jetzt aufgetauchten Unterlagen deuten darauf hin, dass sich die Autokonzerne hierzulande deutlich mehr leisten – und auch leisten dürfen – als gedacht.