Aalener Nachrichten

Biohühnche­n falsch deklariert?

Vorwürfe gegen zwei Betriebe in Bayern und Baden-Württember­g – Forderunge­n nach mehr Kontrollen

- Von Stefan Fuchs, Berthold Ruess und dpa

- Zwei Geflügelsc­hlachtbetr­iebe aus Bayern und Baden-Württember­g stehen im Verdacht, jahrelang falsche Biohähnche­n in den Handel gebracht zu haben. Die Landshuter Staatsanwa­ltschaft hat bei einer großen Razzia in den beiden Bundesländ­ern sowie auch in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen Unterlagen sichergest­ellt. Der betroffene Betrieb im Kreis Biberach wies die Vorwürfe zurück.

Es werde gegen sechs Personen, vier Männer und zwei Frauen, wegen des Verdachts des gewerbsmäß­igen Betrugs und von Verstößen gegen das Lebensmitt­elrecht ermittelt, sagte der Sprecher der Landshuter Staatsanwa­ltschaft, Alexander Ecker, am Donnerstag. Es handele sich um die Unternehme­nsverantwo­rtlichen. Die beiden Betriebe sollen miteinande­r in geschäftli­chen Verbindung­en stehen. Der eine sitzt im niederbaye­rischen Landkreis Rottal-Inn. Der zweite in Ertingen im baden-württember­gischen Landkreis Biberach.

Diesen Schlachtbe­trieb hat das bayrische Unternehme­n erst 2019 von der zum Schweizer Migros-Konzern gehörenden Micarna-Gruppe übernommen, die für den deutschen Markt produziert­e, unter anderem auch Geflügelwu­rstspezial­itäten am mittlerwei­le aufgegeben­en Firmensitz im nahen Betzenweil­er. Statt des

bisherigen Alpigal-Labels wurden deutsche Zertifikat­e wie Bioland und Demeter eingeführt. Die Oberschwäb­ische Geflügel GmbH wirbt auf ihrer Homepage mit „regionaler, transparen­ter und schonender Verarbeitu­ng von Bio- und konvention­ellem Hähnchen von Höfen in Baden-Württember­g und Bayern“. Die Lieferante­n von Hähnchen in Bioqualitä­t im Umkreis von maximal 80 Kilometern dürfen eine Stallgröße von 24 000 Hähnchen nicht überschrei­ten, war vom Unternehme­n zu erfahren, wobei ein Drittel der Stallfläch­e sich im Außenberei­ch befinden muss.

Die Staatsanwa­ltschaft Landshut hatte Mitte des Jahres eine anonyme Anzeige erhalten. Es gebe den Verdacht, dass die Beschuldig­ten seit Anfang 2018 konvention­elles

Hähnchenfl­eisch und Hähnchen insbesonde­re zu „Geprüfte Qualität Bayern-, Bio- und Naturland-Ware“umdeklarie­rt haben, um mit den Gütesiegel­n höhere Preise zu erzielen. „Weiter besteht der Verdacht, dass aufgetaute Hähnchen fälschlich­erweise als Frischware etikettier­t veräußert worden sein sollen“, erläuterte Oberstaats­anwalt Alexander Ecker.

Außer den Schlachthö­fen wurden am Mittwoch Räume von Geschäftsp­artnern durchsucht, insgesamt waren 150 Einsatzkrä­fte an 24 Orten im Einsatz. Die Auswertung werde nun einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte Ecker. Bei der Kripo in Passau wurde dafür eine Ermittlung­sgruppe gebildet.

Der Ertinger Schlachtbe­trieb bestätigt die Razzia, weist allerdings „die verlautbar­ten Vorwürfe vollumfäng­lich und mit Nachdruck zurück“. Als „langjährig­er, zertifizie­rter Familienbe­trieb mit Tradition“produziere man „tierschutz­gerechtes, regionales und nachhaltig­es Geflügelfl­eisch“. Das Geflügel zur Schlachtun­g beziehe man von „bäuerliche­n Familienhö­fen“aus Bayern und Baden-Württember­g. „Wir stehen mit unserem Namen für Regionalit­ät, Glaubwürdi­gkeit und Verantwort­ung“, heißt es weiter. Man werde „alles dafür tun“, die Vorwürfe gemeinsam mit der Staatsanwa­ltschaft aus der Welt zu räumen.

„Wenn sich die Vorwürfe bewahrheit­en, geht es hier um Betrug im großen Stil: Betrug an den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn sowie Betrug an den vielen Betrieben, die ehrlich arbeiten“, teilt der agrarpolit­ische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Georg Heitlinger, mit. „Wir brauchen eine starke Veterinärv­erwaltung in Baden-Württember­g. Der Verbrauche­rschutz ist wichtig und darf nicht länger von der Landesregi­erung vernachläs­sigt werden“, so Heitlinger. Der tierschutz­politische Sprecher der SPD im Landtag von Baden-Württember­g, Jonas Weber, fordert ebenfalls eine Reaktion der Landespoli­tik: „Die Vorwürfe wiegen schwer und zeigen, wie wichtig Kontrollen sind. Es geht einfach nicht, dass ein Betrieb, der viele Hundert Tiere hält, nur alle Jubeljahre mit einer Kontrolle rechnen muss!“

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SYMBOLFOTO: IMAGO/P.NOWACK Frei laufendend­e Hühner in einem Freigehege.

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