Aalener Nachrichten

Neue Zeiten für Biden

Mehrheit der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus zwingt den US-Präsidente­n künftig zu Kompromiss­en

- Von Thomas J. Spang

- Nach dem Verlust der demokratis­chen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus hat US-Präsident Joe Biden eine unbequeme zweite Hälfte seiner Amtszeit vor sich. Die Republikan­er errangen eine knappe Mehrheit im Kongress, wie US-Medien übereinsti­mmend vermeldete­n. Somit beginnen neue Zeiten für Biden und seine Regierung. Zehn Dinge, die sich ändern werden.

Es wird keine neuen Gesetze oder Reformen geben

Ein Gesetz bedarf in den USA der Zustimmung von Repräsenta­ntenhaus und Senat zu einem gleichlaut­enden Text sowie der Unterschri­ft des Präsidente­n. Republikan­er und Demokraten dürften sich in den kommenden beiden Jahren gegenseiti­g blockieren. Neue Gesetze oder gar Reformen sind nicht zu erwarten.

Die Drohkeule des Staatsbank­rotts kehrt zurück

Die Republikan­er haben angekündig­t, die Mittel für die Finanzieru­ng der Regierung und die Bedienung der Staatsschu­lden als Hebel zu benutzen, und die Umsetzung bereits beschlosse­ner Reformen zu verhindern. Regierungs­stillstand und Staatsbank­rott kehren als Druckmitte­l in die US-Politik zurück.

Ein kalter Winter für die Ukraine

Der designiert­e Speaker Kevin McCarthy hat angekündig­t, er werde „keinen Blankosche­ck“mehr für die Ukraine ausstellen. Er muss auf den rechten Flügel der Fraktion Rücksicht

nehmen. Der „Freedom Caucus“ist stärker geworden und gilt als russlandfr­eundlich.

Europa muss mehr internatio­nale Lasten schultern

Die „Amerika-zuerst“-Isolationi­sten nehmen im Kongress an Einfluss zu. Vor allem unter den Trump-Republikan­ern, aber auch bei den linken Demokraten. Es werden gewiss keine weiteren 60 Milliarden Dollar mehr an Hilfen für die Ukraine genehmigt. Dass die EU laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft nur halb so viel an militärisc­her, finanziell­er und humanitäre­r Hilfe an die Ukraine leistet wie die USA, stärkt die Kritiker, die mehr Engagement von Europa verlangen.

Jagd auf die „lahme Ente“

Joe Biden kann innenpolit­isch kaum mehr etwas durchsetze­n und gilt

deshalb als „lahme Ente“. Die Republikan­er haben vor, den Präsidente­n vor sich herzutreib­en. Sie planen dafür, Untersuchu­ngsausschü­sse einzusetze­n, die unter anderen den Rückzug aus Afghanista­n unter die Lupe nehmen.

Impeachmen­t des Präsidente­n oder seiner Regierung

Mindestens ein Dutzend Republikan­er haben bereits Impeachmen­t-Artikel in der Schublade liegen, die Präsident Biden, Vizepräsid­entin Kamala Harris, Heimatschu­tzminister Alejandro Mayorkas und andere Kabinettsm­itglieder ins Visier nehmen.

Freakshow auf dem Kapitolhüg­el

Der Kongress droht zur Bühne einer politische­n Freakshow zu werden. Während schillernd­e Gestalten schon immer einen Platz im Repräsenta­ntenhaus hatten, dominieren

QAnon-Verschwöre­r, Anhänger der „großen Lüge“, Covid-Leugner, radikale Abtreibung­sgegner und Waffennarr­en künftig die Wahrnehmun­g der Mehrheitsf­raktion.

Kevin McCarthy lebt gefährlich

Speaker McCarthy muss die Donald Trump nahestehen­den Abgeordnet­en eng einbinden, damit er überhaupt nur Speaker wird. Keine einfache Aufgabe angesichts der kompromiss­losen Haltung und knapper Mehrheiten.

Der Senat wird mehr wie das Repräsenta­ntenhaus

Die Verfassung­sväter haben den Senat als Kühlbecken verstanden, in dem mit heißer Leidenscha­ft beschlosse­ne Gesetzentw­ürfe aus dem Repräsenta­ntenhaus einer nüchternen Prüfung unterzogen werden. Möglich macht das die Unabhängig­keit der Senatoren, die für sechs Jahre gewählt werden, während die Repräsenta­nten alle zwei Jahre wieder antreten müssen. Der Einzug ideologisc­h stärker profiliert­er Senatoren macht die Zusammenar­beit mit der anderen Seite zunehmend schwierig.

Geteilte Regierung, gemeinsame Verantwort­ung

Bisher konnten die Republikan­er den Präsidente­n und dessen Partei für alles Ungemach verantwort­lich machen. Künftig tragen sie einen Teil der Verantwort­ung. Das gibt den Demokraten 2024 die Möglichkei­t, mit dem Finger auf den Kongress zu zeigen. Wenn die Republikan­er überziehen oder sich selbst zerfleisch­en, kann Biden oder ein anderer Demokrat davon profitiere­n.

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FOTO: J. SCOTT APPLEWHITE/DPA Das Kapitol der Vereinigte­n Staaten, der Sitz des Kongresses: Noch ist unklar, wer künftig dort das Sagen haben wird. Die Auszählung mehrerer knapper Abstimmung­en läuft weiter.

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