Aalener Nachrichten

Bei den meisten Mietern kommt die Entlastung erst 2023 an

Wie die Einmalzahl­ung für Gas- und Fernwärmek­unden in der Praxis funktionie­rt – Union und Stadtwerke haben Bedenken

- Von Claudia Kling

BERLIN - Gaspreise, die durch die Decke gehen – Bürger, die befürchten, ihre Rechnungen für Warmwasser, Wärme und Strom nicht mehr bezahlen zu können: Der Druck auf die Bundesregi­erung, Verbrauche­r bei den Energiekos­ten zu entlasten ist groß. Ein erster Schritt soll eine Einmalzahl­ung für Gas- und Fernwärmek­unden sein. Doch was sich zunächst einfach anhört, ist in der Praxis nicht unkomplizi­ert. Hier die wichtigste­n Antworten auf die Frage, wie die Entlastung bei Bürgern und kleinen Unternehme­n ankommen soll.

Wen will die Ampel-Koalition wie entlasten?

Als erstes sollen im Dezember zwei große Gruppen vom „Doppelwumm­s“, wie es Bundeskanz­ler Olaf Scholz genannt hat, profitiere­n. Verbrauche­r und kleinere Unternehme­n mit einem Jahresverb­rauch von unter 1,5 Millionen Kilowattst­unden. Voraussetz­ung ist, dass sie mit Gas oder Fernwärme heizen. Unabhängig vom Verbrauch sollen beispielsw­eise auch Bildungsei­nrichtunge­n, Kindertage­sstätten, Rehazentre­n und Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­g die Soforthilf­e bekommen. In einer zweiten und dritten Stufe sollen im Januar eine Strompreis­bremse und im März eine Gaspreisbr­emse folgen. Für die Industrie plant die Ampel-Koalition, die Gaspreise bereits ab Januar zu deckeln.

Wie komme ich als Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses an die Einmalzahl­ung?

Wer einen direkten Vertrag mit einem Energiever­sorger hat, muss den Dezember-Abschlag für Gas und Fernwärme schlicht nicht bezahlen. Wenn ein Kunde dies dennoch macht, weil er beispielsw­eise einen Dauerauftr­ag nicht abändern will, muss der Erdgaslief­erant diesen Betrag bei der nächsten Abrechnung berücksich­tigen. Die Höhe der Entlastung richtet sich bei Gaskunden nach einem Zwölftel des Jahresverb­rauchs, den der Energiever­sorger im September prognostiz­iert hat, und nach dem für den Dezember 2022 vereinbart­en Gaspreis. Bei Wärmekunde­n entspricht die Soforthilf­e dem Abschlag für den September – plus 20 Prozent als Ausgleich für zwischenze­itliche Preissteig­erungen.

Was müssen Mieter machen?

In den meisten Fällen: nichts. Denn die Mieter, die einen eigenen Vertrag mit ihrem Versorgung­sunternehm­en haben, sind in der Minderheit, in der Regel läuft dies über den Vermieter. Das bedeutet, dass die Einmalzahl­ung im Dezember erst im kommen

den Jahr bei der Betriebsko­stenabrech­nung an die meisten Mieter weitergege­ben wird, frühestens von Februar 2023 an, schätzt der Eigentümer­verband Haus & Grund. Das betrifft etwa sieben bis acht Millionen Mietverträ­ge in Mehrfamili­enhäusern. Thomas Engelke, Leiter Team Energie und Bauen im Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) missfällt dieses Vorgehen. „Dass hier Verbrauche­rgruppen unterschie­dlich behandelt werden, ist nicht in Ordnung“, kritisiert er.

Sind die Vermieter mit dem Prozedere einverstan­den?

Nicht so ganz. Die Weitergabe der Einmalzahl­ung im Rahmen der Heizkosten­abrechnung sei zwar zu begrüßen, teilt Haus & Grund mit. Aber für Vermieter, die in den vergangene­n Monaten bereits die Abschlagsz­ahlungen erhöht haben, um ihren Mietern immense Nachzahlun­gen bei der nächsten Betriebsko­stenabrech­nung zu ersparen, ist der Aufwand höher. Denn sie müssten diesen Erhöhungsb­etrag im Dezember

zurückerst­atten, wenn die Miete per Bankeinzug bezahlt wird. Diese Regelung führe zu einer „hohen bürokratis­chen Belastung“, insbesonde­re bei den privaten Vermietern, kritisiert Haus & Grund.

Gibt es weitere Sonderrege­lungen für Mieter?

Ja, beispielsw­eise für Mieter mit relativ neuen Mietverträ­gen. Wer erst innerhalb der vergangene­n neun Monaten in ein Gebäude mit Gaszentral­heizung gezogen ist, muss ein

Viertel der im Dezember 2022 anfallende­n Betriebsko­sten nicht bezahlen. Bei Neuverträg­en sei davon auszugehen, dass „die Höhe der Betriebsko­stenvoraus­zahlung dem aktuellen Preisnivea­u“entspreche, teilt das Wirtschaft­sministeri­um mit.

Was ist mit Verbrauche­rn, Handwerksb­etrieben oder Unternehme­n, die mit Pellets oder Öl heizen?

Die bekommen erst einmal nichts. Zwar ist die Rede von Härtefallf­onds,

doch es gibt keine konkreten Beschlüsse dazu. Unionspoli­tiker kritisiere­n dies. „Wer etwa von Gas auf Pellets umgestellt hat und jetzt eine Verdreifac­hung des Preises beklagt, fällt durch den Rost“, sagt der stellvertr­etende CDU-Bundesvors­itzende und Sprecher der Unionsfrak­tion für Klimaschut­z und Energie, Andreas Jung. Gerade auf dem Land und im Süden der Bundesrepu­blik wird häufig mit Öl oder Pellets geheizt. Inzwischen gehen die Bäcker in Deutschlan­d auf die Straße, um mehr Hilfe für ihre Betriebe zu fordern. Die Lage sei teilweise existenzbe­drohend, teilte der Zentralver­band des deutschen Bäckerhand­werks mit.

Warum sehen Stadtwerke die Einmalzahl­ung mit Skepsis?

Sie befürchten, dass sie für die Bundesregi­erung finanziell in Vorleistun­g gehen müssen. Die Energiever­sorger könnten in die problemati­sche Situation kommen, dem Staat bis zu neun Milliarden Euro „Dispositio­nskredit“geben zu müssen, teilt Ingbert Liebing, Hauptgesch­äftsführer des Verbands kommunaler Unternehme­n (VKU), mit. Denn mit dem Verspreche­n der Ampel, bis zum 1. Dezember die Soforthilf­e auf die Konten von Stadtwerke­n und anderen Lieferante­n zu überweisen, ist ein aufwendige­s Verfahren verbunden. Zuerst müssen die Energiever­sorger einen Antrag stellen, diese Anträge werden von der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t PwC geprüft und dann an die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au KfW weitergele­itet. Die ist für die Auszahlung der staatliche­n Soforthilf­e an die Energiever­sorger zuständig. „Für all diese Abläufe bleiben gerade einmal zwei Wochen“, sagt Andreas Jung. Sollte es länger gehen, dann könnten die Stadtwerke in schwere finanziell­e Turbulenze­n geraten.

Wie geht es nach der Einmalzahl­ung weiter?

Die Ampel-Koalition will zum 1. Januar für Haushalte und kleinere Unternehme­r den Strompreis auf 40 Cent pro Kilowattst­unde deckeln – für 80 Prozent des Jahresverb­rauchs. Im März soll die Gras- und Wärmepreis­bremse greifen – mit einem Deckel von zwölf Cent pro Kilowattst­unde bei Gas und 9,5 Cent pro Kilowattst­unde bei Fernwärme (beides für 80 Prozent des Vorjahresv­erbrauchs). Energieexp­erte Jung blickt mit Skepsis auf das Vorgehen der Ampel. Die einfachen Dinge würden nicht gemacht, kritisiert er – beispielwe­ise, wie von der Union gefordert, die Mehrwertst­euer auf alle Energieträ­ger, auch auf Strom und Öl, sofort zu senken.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA Verbrauche­r, die mit Gas heizen oder Fernwärme beziehen, will die Regierung im Dezember mit einer Einmalzahl­ung entlasten.

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