Bei den meisten Mietern kommt die Entlastung erst 2023 an
Wie die Einmalzahlung für Gas- und Fernwärmekunden in der Praxis funktioniert – Union und Stadtwerke haben Bedenken
BERLIN - Gaspreise, die durch die Decke gehen – Bürger, die befürchten, ihre Rechnungen für Warmwasser, Wärme und Strom nicht mehr bezahlen zu können: Der Druck auf die Bundesregierung, Verbraucher bei den Energiekosten zu entlasten ist groß. Ein erster Schritt soll eine Einmalzahlung für Gas- und Fernwärmekunden sein. Doch was sich zunächst einfach anhört, ist in der Praxis nicht unkompliziert. Hier die wichtigsten Antworten auf die Frage, wie die Entlastung bei Bürgern und kleinen Unternehmen ankommen soll.
Wen will die Ampel-Koalition wie entlasten?
Als erstes sollen im Dezember zwei große Gruppen vom „Doppelwumms“, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz genannt hat, profitieren. Verbraucher und kleinere Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von unter 1,5 Millionen Kilowattstunden. Voraussetzung ist, dass sie mit Gas oder Fernwärme heizen. Unabhängig vom Verbrauch sollen beispielsweise auch Bildungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Rehazentren und Werkstätten für Menschen mit Behinderung die Soforthilfe bekommen. In einer zweiten und dritten Stufe sollen im Januar eine Strompreisbremse und im März eine Gaspreisbremse folgen. Für die Industrie plant die Ampel-Koalition, die Gaspreise bereits ab Januar zu deckeln.
Wie komme ich als Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses an die Einmalzahlung?
Wer einen direkten Vertrag mit einem Energieversorger hat, muss den Dezember-Abschlag für Gas und Fernwärme schlicht nicht bezahlen. Wenn ein Kunde dies dennoch macht, weil er beispielsweise einen Dauerauftrag nicht abändern will, muss der Erdgaslieferant diesen Betrag bei der nächsten Abrechnung berücksichtigen. Die Höhe der Entlastung richtet sich bei Gaskunden nach einem Zwölftel des Jahresverbrauchs, den der Energieversorger im September prognostiziert hat, und nach dem für den Dezember 2022 vereinbarten Gaspreis. Bei Wärmekunden entspricht die Soforthilfe dem Abschlag für den September – plus 20 Prozent als Ausgleich für zwischenzeitliche Preissteigerungen.
Was müssen Mieter machen?
In den meisten Fällen: nichts. Denn die Mieter, die einen eigenen Vertrag mit ihrem Versorgungsunternehmen haben, sind in der Minderheit, in der Regel läuft dies über den Vermieter. Das bedeutet, dass die Einmalzahlung im Dezember erst im kommen
den Jahr bei der Betriebskostenabrechnung an die meisten Mieter weitergegeben wird, frühestens von Februar 2023 an, schätzt der Eigentümerverband Haus & Grund. Das betrifft etwa sieben bis acht Millionen Mietverträge in Mehrfamilienhäusern. Thomas Engelke, Leiter Team Energie und Bauen im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) missfällt dieses Vorgehen. „Dass hier Verbrauchergruppen unterschiedlich behandelt werden, ist nicht in Ordnung“, kritisiert er.
Sind die Vermieter mit dem Prozedere einverstanden?
Nicht so ganz. Die Weitergabe der Einmalzahlung im Rahmen der Heizkostenabrechnung sei zwar zu begrüßen, teilt Haus & Grund mit. Aber für Vermieter, die in den vergangenen Monaten bereits die Abschlagszahlungen erhöht haben, um ihren Mietern immense Nachzahlungen bei der nächsten Betriebskostenabrechnung zu ersparen, ist der Aufwand höher. Denn sie müssten diesen Erhöhungsbetrag im Dezember
zurückerstatten, wenn die Miete per Bankeinzug bezahlt wird. Diese Regelung führe zu einer „hohen bürokratischen Belastung“, insbesondere bei den privaten Vermietern, kritisiert Haus & Grund.
Gibt es weitere Sonderregelungen für Mieter?
Ja, beispielsweise für Mieter mit relativ neuen Mietverträgen. Wer erst innerhalb der vergangenen neun Monaten in ein Gebäude mit Gaszentralheizung gezogen ist, muss ein
Viertel der im Dezember 2022 anfallenden Betriebskosten nicht bezahlen. Bei Neuverträgen sei davon auszugehen, dass „die Höhe der Betriebskostenvorauszahlung dem aktuellen Preisniveau“entspreche, teilt das Wirtschaftsministerium mit.
Was ist mit Verbrauchern, Handwerksbetrieben oder Unternehmen, die mit Pellets oder Öl heizen?
Die bekommen erst einmal nichts. Zwar ist die Rede von Härtefallfonds,
doch es gibt keine konkreten Beschlüsse dazu. Unionspolitiker kritisieren dies. „Wer etwa von Gas auf Pellets umgestellt hat und jetzt eine Verdreifachung des Preises beklagt, fällt durch den Rost“, sagt der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie, Andreas Jung. Gerade auf dem Land und im Süden der Bundesrepublik wird häufig mit Öl oder Pellets geheizt. Inzwischen gehen die Bäcker in Deutschland auf die Straße, um mehr Hilfe für ihre Betriebe zu fordern. Die Lage sei teilweise existenzbedrohend, teilte der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks mit.
Warum sehen Stadtwerke die Einmalzahlung mit Skepsis?
Sie befürchten, dass sie für die Bundesregierung finanziell in Vorleistung gehen müssen. Die Energieversorger könnten in die problematische Situation kommen, dem Staat bis zu neun Milliarden Euro „Dispositionskredit“geben zu müssen, teilt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), mit. Denn mit dem Versprechen der Ampel, bis zum 1. Dezember die Soforthilfe auf die Konten von Stadtwerken und anderen Lieferanten zu überweisen, ist ein aufwendiges Verfahren verbunden. Zuerst müssen die Energieversorger einen Antrag stellen, diese Anträge werden von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC geprüft und dann an die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW weitergeleitet. Die ist für die Auszahlung der staatlichen Soforthilfe an die Energieversorger zuständig. „Für all diese Abläufe bleiben gerade einmal zwei Wochen“, sagt Andreas Jung. Sollte es länger gehen, dann könnten die Stadtwerke in schwere finanzielle Turbulenzen geraten.
Wie geht es nach der Einmalzahlung weiter?
Die Ampel-Koalition will zum 1. Januar für Haushalte und kleinere Unternehmer den Strompreis auf 40 Cent pro Kilowattstunde deckeln – für 80 Prozent des Jahresverbrauchs. Im März soll die Gras- und Wärmepreisbremse greifen – mit einem Deckel von zwölf Cent pro Kilowattstunde bei Gas und 9,5 Cent pro Kilowattstunde bei Fernwärme (beides für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs). Energieexperte Jung blickt mit Skepsis auf das Vorgehen der Ampel. Die einfachen Dinge würden nicht gemacht, kritisiert er – beispielweise, wie von der Union gefordert, die Mehrwertsteuer auf alle Energieträger, auch auf Strom und Öl, sofort zu senken.