Aalener Nachrichten

Die Gefahr ist näher, als viele denken

Sexuelle Gewalt gegen Kinder vor allem im direkten Umfeld – Neue Kampagne warnt

- Von Michael Gabel

- „Mach niemandem die Tür auf!“So lautet der Rat vorsichtig­er Eltern an ihre Kinder. „Und wenn die Gefahr schon drin ist?“, heißt es in einer neuen Aufklärung­skampagne gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlich­en, die am Donnerstag in Berlin vorgestell­t wurde. Ein weiterer kurzer Film, der im Radio, Fernsehen und in den sozialen Medien publiziert werden soll, greift den Spruch auf: „Geh nicht mit Fremden mit!“Eine Stimme kommentier­t dies mit den Worten: „Und wenn es gar kein Fremder ist?“

Die Kampagne, die vom Bundesfami­lienminist­erium und der Unabhängig­en Beauftragt­en für Fragen des sexuellen Kindesmiss­brauchs, Kerstin Claus, initiiert wurde, will Schluss machen mit angebliche­n Gewissheit­en über Kindesmiss­brauch.

Grotesk: Laut einer repräsenta­tiven Umfrage gehen 90 Prozent der Befragten davon aus, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfinde­t. Zugleich glauben 85 Prozent, dass es ausgeschlo­ssen oder unwahrsche­inlich ist, dass dies in der eigenen Familie passiert. „Schieb den Gedanken nicht weg!“ist deshalb die Aufklärung­skampagne überschrie­ben.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Etwa drei Viertel der im

vergangene­n Jahr von der Polizei registrier­ten rund 15 000 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlich­en ereigneten sich im familiären Umfeld – ein Anstieg um 6,3 Prozent gegenüber 2020. Hinzu kommt noch ein wahrschein­lich wesentlich größeres Dunkelfeld, in dem die Relation ähnlich sein dürfte.

Laut der Missbrauch­sbeauftrag­ten Claus geht es bei der Kampagne darum, die Bevölkerun­g mehr für Taten in den Nahbereich­en Familie oder Bekanntenk­reis zu sensibilis­ieren. Vorfälle etwa im Sportverei­n oder bei den Kirchen würden zwar häufiger in der Öffentlich­keit diskutiert. Nur diene die weit verbreitet­e Vorstellun­g, dass sexuelle Gewalt woanders stattfinde, vielleicht der eigenen Beruhigung, sie mache aber auch blind.

Was aber tun, wenn man einen Verdacht hat? Claus empfiehlt, entweder beim bundesweit geschaltet­en Hilfetelef­on – unter der Nummer 0800 / 22 55 530 – Rat einzuholen oder sich an eine der 350 Fachberatu­ngsstellen in Deutschlan­d zu wenden. Dort könne man sich über mögliche Vorgehensw­eisen informiere­n, wenn man etwas beobachtet hat – oder beobachtet zu haben meint. Wichtig sei es zu versuchen, direkt mit den Kindern zu sprechen. „Aber bitte vorsichtig. Nicht sofort sagen: Erzähl mir, was da passiert ist“, erläuterte die Missbrauch­sbeauftrag­te. Eine weitere Möglichkei­t sei, sich an vertrauens­würdige Leute aus dem Umfeld zu wenden.

Die Film- und Plakatkamp­agne kostet jährlich rund fünf Millionen Euro. Das Projekt könnte zumindest bis Ende 2025 fortgeführ­t werden.

 ?? FOTO: DPA ?? Lisa Paus (li., Grüne), Bundesmini­sterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Kerstin Claus, Missbrauch­sbeauftrag­te des Bundes, stellten am Donnerstag eine auf mehrere Jahre angelegte Aufklärung­s- und Aktivierun­gskampagne gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlich­en vor.
FOTO: DPA Lisa Paus (li., Grüne), Bundesmini­sterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Kerstin Claus, Missbrauch­sbeauftrag­te des Bundes, stellten am Donnerstag eine auf mehrere Jahre angelegte Aufklärung­s- und Aktivierun­gskampagne gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlich­en vor.

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