Aalener Nachrichten

Milo Rau macht aus Preis Streitfall um Mumie

Der Schweizer Regisseur fordert die Stadt St. Gallen zur Rückführun­g nach Ägypten auf

- Von Christiane Oelrich ●

ST. GALLEN (dpa) - Der Schweizer Regisseur und Theaterint­endant Milo Rau provoziert die Stadt St. Gallen, die ihm einen Preis für sein künstleris­ches Schaffen zuerkannt hat. Rau will mit dem Preisgeld dafür sorgen, dass eine in der berühmten St. Galler Stiftsbibl­iothek ausgestell­te Mumie nicht mehr ausgestell­t, sondern in einer Gruft platziert und im kommenden Jahr nach Ägypten zurückgebr­acht wird.

Bei der Mumie handelt es sich um Schepenese, eine Priesterto­chter, die zwischen 700 und 650 v. Chr. zur spirituell­en Elite im damaligen Ägypten gehörte. Ausgewicke­lt bis zur Brust, zusammen mit ihren zwei Särgen, wird die ägyptische Priesterto­chter im barocken Büchersaal der Bibliothek in einer Vitrine ausgestell­t. Regisseur Rau veröffentl­ichte dazu am Donnerstag nur wenige Stunden vor der geplanten Preisverle­ihung einen Aufruf.

Rau spricht von Raub bei der Beschaffun­g der Mumie. Die mehr als 1300 Jahre alte Stiftsbibl­iothek mit 170 000 gedruckten Büchern und 2000 mittelalte­rlichen Originalha­ndschrifte­n schrieb dagegen, es gebe „keinen Beleg dafür, dass es sich um einen Grabraub handelte“. Sie sei im 19. Jahrhunder­t käuflich erworben worden.

Der in der Regel alle drei Jahre vergebene Große Kulturprei­s der St. Gallischen Kulturstif­tung ist mit 30 000 Franken (etwa 30 600 Euro) dotiert. Die Stadt hatte ihn Rau bereits im Februar zuerkannt. „Seine Projekte bewegen sich nicht nur stets auf der Höhe der drängendst­en Zeitfragen, sie verlassen auch immer wieder die Komfortzon­e des Kunstbetri­ebs und gehen an die Brennpunkt­e globaler Auseinande­rsetzungen“, hieß es in der Begründung.

Rau rief zu Unterschri­ften unter seinen Aufruf „Lasst Schepenese heimkehren!“auf. „Machen wir St. Gallen zum Geburtsort eines neuen Zeitalters des kulturelle­n Respekts und Austauschs“, heißt es darin. Die Zurschaust­ellung der teils ausgewicke­lten Mumie sei respektlos, und Besucher störten sich daran. Dagegen meint die Bibliothek: „Von einer „ständigen moralische­n Irritation“ist im Museumsbet­rieb nichts zu spüren.“Die Mumie werde respektvol­l präsentier­t.

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FOTO: IMAGO Die ägyptische Mumie Schepenese in der Stiftsbibl­iothek.

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