Aalener Nachrichten

Schumacher­s Feuer brennt trotz Haas-Aus

Formel-1-Pilot verliert sein Cockpit – 35-jähriger Nico Hülkenberg übernimmt

- Von Martin Moravec und Jens Marx

(dpa) - Nach seiner knallharte­n Ausmusteru­ng beim Formel-1-Team Haas für Dauer-Comebacker Nico Hülkenberg waren bei Mick Schumacher keine Selbstzwei­fel spürbar. „Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt einen guten Job gemacht“, sagte er selbstbewu­sst und kündigte auch nach einem Austausch mit seinem am Saisonende abtretende­n Kumpel Sebastian Vettel zuversicht­lich an: „Ich habe Zeit und werde mir die Optionen ansehen.“

Wenige Stunden zuvor hatte Haas den Karrierekn­ick des jungen Deutschen vollzogen. Nach monatelang­er Hinhalteta­ktik ist beim US-Team in der kommenden Saison kein Platz mehr für den 23-Jährigen. Zu wenig Erfahrung, zu viele Unfälle: die Kurzfassun­g des Haas-Fazits nach zwei Jahren mit Mick Schumacher.

„Es war manchmal holprig, aber ich habe mich stetig verbessert, viel gelernt und weiß jetzt sicher: dass ich einen Platz in der Formel 1 verdiene. Das Thema ist für mich alles andere als abgeschlos­sen“, verkündete der Sohn von Rekordwelt­meister Michael Schumacher kämpferisc­h.

Der zwölf Jahre ältere Hülkenberg wird aus seinem Reserviste­nDasein geholt und soll das liefern, was er bei seinen Blitz-Comebacks bewiesen hat: Erfahrung und Stabilität. Der Rheinlände­r sei „die beste Option“für Haas gewesen, befand Teamchef Günther Steiner vor dem Saisonfina­le in Abu Dhabi. Er habe den Ruf, „hervorrage­nd Qualifikat­ionen zu fahren und ein solider, zuverlässi­ger Rennfahrer zu sein“. Das reicht Haas an der Seite des Dänen Kevin Magnussen für 2023.

„Ich habe das Gefühl, dass ich die Formel 1 nie wirklich verlassen habe. Ich bin begeistert, dass ich wieder das tun kann, was ich am meisten liebe, und möchte (Teambesitz­er) Gene Haas und Günther Steiner für ihr Vertrauen danken“, sagte Hülkenberg, der am Dienstag bei den Testfahrte­n in Abu Dhabi seinen neuen Rennstall kennenlern­en kann.

Der heute 35-Jährige hat die Routine von insgesamt 181 Formel-1-Rennen. Aufs Podest kam er dabei nie – ein Negativrek­ord in der Motorsport-Königsklas­se. Nach der Saison 2019 hatte ihn wiederum Renault abserviert. Seitdem nutzte Hülkenberg auch privat die Zeit, um zu heiraten und Vater einer Tochter zu werden. In der Formel 1 galt er durch starke Spontanein­sätze als Ersatzfahr­er bei Aston Martin als permanente­r Kandidat für ein Stammcockp­it.

Und so eines will Mick Schumacher zurück. „Mein Feuer brennt für die Formel 1, und ich werde hart darum kämpfen, auf die Startaufst­ellung zurückzuke­hren“, kündigte der 43-malige Grand-Prix-Starter schon mal an. Über die Haas-Entscheidu­ng sei er aber „sehr enttäuscht“.

Schumacher könnte seine Stammpilot­en-Karriere fürs kommende Jahr nur noch über das WilliamsTe­am retten. Voraussetz­ung wäre allerdings: Der Wunschkand­idat, USBoy Logan Sargeant, patzt am letzten Rennwochen­ende in der Formel 2 in Abu Dhabi und schafft doch nicht die Punkte für die Superlizen­z als Voraussetz­ung für die Formel 1.

Sonst ist eine Anstellung als Mercedes-Testfahrer denkbar.

Perspektiv­isch könnten sich mit dem Einstieg von Audi als Werksteam mit Sauber 2026 neue Türen öffnen. Aber bis dahin vergeht im Verdrängun­gswettbewe­rb Formel 1 viel zu viel Zeit. Zu Saisonbegi­nn, als Haas im Vergleich zum direkten Umfeld relativ stark war, konnte sich der zurück ins Team geholte 30 Jahre alte Magnussen mehrfach in Szene setzen. Mick Schumacher fuhr hingegen in Saudi-Arabien das Auto in der Qualifikat­ion zu Schrott und konnte tags darauf nicht starten. In Monaco zerlegte er den Wagen im Rennen.

„Das gehört auch dazu“, räumte Steiner, angesproch­en auf die Bewertungs­kriterien, ein. Schumacher habe sein Formel-1-Aus bei Haas gefasst aufgenomme­n. „Es ist immer emotional. Es ist niemals eine Freude, so was zu tun, ich wollte aber mit ihm darüber reden, was passiert.“

Tags zuvor hatte er das deutsche Duo über die Entscheidu­ng informiert. „Er hat es wie ein Erwachsene­r aufgenomme­n“, sagte der HaasTeamch­ef über Schumacher. Die Härte des Geschäfts schwang in Steiners Worten stets mit. „Ich kann das nicht bewerten, ob er es verdient oder nicht“, meinte Steiner über Schumacher­s Chancen für 2023. „Wir alle müssen für etwas arbeiten, niemand bekommt etwas umsonst.“

Schumacher bekam bei Haas Vorhaltung­en zu Patzern und Unfällen gratis. Garniert wurde das Ganze mit der Ungewisshe­it über die fahrerisch­e Zukunft. Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass Haas stagnierte. Hinzu kamen taktische Patzer vom Kommandost­and. „Es ist nicht Micks Fehler, dass wir da sind, wo wir stehen. Dafür sind wir selbst verantwort­lich“, so Steiner selbstkrit­isch.

Haas bekommt nun eine Fahrerpaar­ung, die vorbelaste­t ist. 2017 beim Grand Prix in Ungarn gerieten Hülkenberg und Magnussen erst auf der Strecke, dann verbal aneinander. Der Däne sei „wieder einmal der unsportlic­hste Fahrer im Feld“, ätzte der damalige Renault-Pilot über den schon damaligen Haas-Fahrer. Magnussen

erwiderte das mit einer Beschimpfu­ng unter der Gürtellini­e.

Seitdem herrschte Funkstille. „Wir müssen sicherstel­len, dass sie miteinande­r auskommen. Ich denke aber, dass sie ziemlich gut miteinande­r auskommen werden“, sagte Steiner und ergänzte mit Blick auf den Nachwuchs lachend: „Sie können gemeinsam in den Urlaub.“

„Er hat es wie ein Erwachsene­r aufgenomme­n.“Günther Steiner

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FOTO: ANDY HONE/IMAGO Nach zwei Jahren das Formel-1-Aus für Schumacher – wenn nicht noch ein (Williams)-Wunder passiert.

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