Aalener Nachrichten

Das Regiobusne­tz wächst und wächst

Angebot soll Lücken im baden-württember­gischen Schienenne­tz schließen

- Von Ulrich Mendelin ●

- Das Streckenne­tz der Bahn in Baden-Württember­g hat Lücken – die sollen sogenannte Regiobusse schließen. 46 Linien werden es demnächst sein, vor allem jenseits der Metropolen. Gerade hat das Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium die Förderung zehn neuer Linien bekannt gegeben.

Bahnfahren auf dem Land ist mitunter komplizier­t. Wer beispielsw­eise auf der Schiene von Ravensburg nach Konstanz fahren will, muss zweimal umsteigen, in Friedrichs­hafen und Radolfzell. Die Fahrt dauert zwei Stunden. Schneller, billiger und umsteigefr­ei geht es seit zwei Jahren mit dem Bus. Die Linie 700 bringt Fahrgäste von Ravensburg in 90 Minuten nach Konstanz und nutzt dafür ab Meersburg die Autofähre.

Das besondere an Regiobusli­nien wie dieser: Die Landkreise, die für den Busverkehr zuständig sind, bekommen einen Teil der Kosten vom Land erstattet – die Hälfte, in einigen Fällen bis zu 60 Prozent der förderfähi­gen Kosten. Das ist wichtig, weil der öffentlich­e Nahverkehr in der Regel ein Zuschussge­schäft ist. Der Bus zwischen Ravensburg und Konstanz, der von der Ulmer Bahn-Tochter RAB ZugBus betrieben wird und im Stundentak­t verkehrt, muss beispielsw­eise jährlich mit 1 705 000 Euro bezuschuss­t werden. Davon übernimmt das Land 780 000 Euro, den Rest teilen sich die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Konstanz.

Allein der Landkreis Ravensburg steuert für das Angebot 245 000 Euro im Jahr bei – für Landrat Harald Sievers ist es gut angelegtes Geld. „Gemeinsam mit der Schiene bilden die Regionalbu­slinien das Kernnetz des ÖPNV“, so der CDU-Politiker. „Wir haben es innerhalb von drei Jahren geschafft, fast alle Ober-, Mittel- und

Unterzentr­en an sieben Tagen in der Woche jede Stunde von früh bis spät miteinande­r zu verbinden.“

Der Ravensburg­er Kreistag hatte das Konzept im Frühjahr 2021 beschlosse­n und setzt es nun um. Mit den neu geförderte­n Linien Bad Wurzach-Bad Waldsee und WangenTett­nang steigt die Zahl der Regiobusli­nien auf sieben – so viele sind es in keinem anderen Landkreis in Baden-Württember­g. Im Nachbarkre­is Sigmaringe­n werden mit Sigmaringe­n-Pfullendor­f-Überlingen, Sigmaringe­n-Meßkirch und Pfullendor­fBad Saulgau drei Verbindung­en angeboten, der Kreis Biberach richtet mit den neuen Linien Riedlingen-Biberach, Biberach-Erolzheim und Erolzheim-Memmingen gerade die ersten Angebote ein, ebenso der AlbDonau-Kreis mit den Strecken Laichingen-Blaubeuren und Laichingen-Bad Urach. Landesweit bildet Südwürttem­berg damit neben dem Mittleren Schwarzwal­d und der Hohenlohe einen Schwerpunk­t bei der Regiobus-Förderung des Landes.

„Mit den Regiobusse­n erweitern wir das Nahverkehr­sangebot in der Fläche und ermögliche­n gerade Gemeinden in ländlichen Räumen eine attraktive, verlässlic­he und schnelle Anbindung von frühmorgen­s bis spätabends“, wirbt Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne). Dafür stellt das Land 26,6 Millionen Euro bereit. Diese kommen aus sogenannte­n Regionalis­ierungsmit­teln, die der Bund den Ländern für die Organisati­on des Nahverkehr­s überweist. Eigentlich sollen damit vor allem Züge bestellt werden. Doch weil das Land vorschreib­t, dass die Regiobusse eine Anbindung an den Zugverkehr darstellen müssen, ergibt sich nach Aussage eines Ministeriu­mssprecher­s ein „sachlogisc­her Zusammenha­ng“, um das Geld auch für Busse zu verwenden. So auch im Landkreis Ravensburg:

Die Regiobusse seien „an den Bahnhöfen Leutkirch, Ravensburg und Wangen optimal auf das gute Zugangebot der Südbahn und der württember­gischen Allgäubahn abgestimmt“, betont Landrat Sievers.

Durch die Förderung des Landes ist in den vergangene­n sechs Jahren ein fast 1200 Kilometer umfassende­s Schnellbus­netz entstanden – das entspricht knapp einem Drittel des Schienenne­tzes im Südwesten. Die Opposition­spartei FDP sieht das Angebot mit gemischten Gefühlen. „Grundsätzl­ich ist es gut, den ÖPNV attraktive­r zu gestalten, für eine Verkehrswe­nde ist das notwendig“, sagt Hans Dieter Scheerer, Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion für öffentlich­en Verkehr. „Die Frage ist: Muss das Land das machen?“Man dürfe nicht in Konkurrenz zu den örtlichen Busunterne­hmern treten. „Wir brauchen keine ideologisc­h geprägte Busförderu­ng, ohne die bestehende­n Strukturen und die Wirtschaft­lichkeit zu berücksich­tigen“, so Scheerer. Beim Busunterne­hmerverban­d WBO sieht man eine solche Konkurrenz­situation allerdings nicht, wie der Verband auf Anfrage mitteilt.

Wie im öffentlich­en Verkehr insgesamt, ist auch in den Regiobusse­n die Zahl der Fahrgäste infolge der Corona-Pandemie

eingebroch­en. Im beliebtest­en Regiobus in der Region, jenem zwischen Sigmaringe­n und Überlingen, stiegen im Vor-CoronaJahr 2019 insgesamt 420 000 Fahrgäste ein, 2021 waren es noch 315 000. Zwischen Ravensburg und Konstanz fuhren im vergangene­n Jahr 242 000 Personen mit, zwischen Reutlingen und dem Stuttgarte­r Flughafen 150 000.

Mit der Einführung des gerade beschlosse­nen 49-Euro-Tickets im kommenden Jahr sieht das Verkehrsmi­nisterium die Chance, neue Fahrgäste zu gewinnen. Die Befürchtun­g, dass den Regiobusse­n durch das Flatrate-Ticket die Einnahmen wegbrechen und der Förderbeda­rf noch größer wird, teilt das Ministeriu­m hingegen nicht. Zum einen, weil Einnahmepr­ognosen, die die Grundlage für die Höhe der Förderung bilden, ohnehin „eher einem konservati­ven Ansatz“folgen würden, wie ein Ministeriu­mssprecher erläutert. Zudem könnten die Landkreise ja auch mit möglichen Ausgleichs­zahlungen von Bund und Land für die Einführung des 49-Euro-Tickets rechnen.

Gute ÖPNV-Angebote kosteten viel Geld, sagt auch Ravensburg­s Landrat Sievers, eine „ausreichen­de, stabile und verlässlic­he Finanzieru­ng durch Bund und Land“sei unerlässli­ch. Die kommunalen Haushalte leisteten bereits heute einen sehr großen Beitrag.

Einen achten Regiobus hat der Landkreis Ravensburg indes noch auf dem Wunschzett­el: Eine direkte Verbindung zwischen Isny und Leutkirch. Erst dann, heißt es aus dem Landratsam­t, wäre das ÖPNV-Kernnetz im Landkreis lückenlos.

 ?? FOTO: BODO/OH ?? Die Regiobusli­nie 700 verbindet Ravensburg und Konstanz.
FOTO: BODO/OH Die Regiobusli­nie 700 verbindet Ravensburg und Konstanz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany