Aalener Nachrichten

Ein 80-Jähriger hat den härtesten Job der Welt

US-Präsident Biden feiert runden Geburtstag – Selbst manche Parteifreu­nde zweifeln an Eignung für zweite Amtszeit

- Von Christiane Jacke ●

(dpa) - Es war eigentlich ein unverfängl­icher Auftritt für Joe Biden. Eine Konferenz zu Ernährung und Hunger in Washington. Der US-Präsident wollte ein paar anwesende Abgeordnet­e begrüßen. „Jackie, bist du da? Wo bist du?“, rief der 79-Jährige in den Saal. Gemeint war die republikan­ische Abgeordnet­e Jackie Walorski. Doch die war acht Wochen vorher bei einem Autounfall gestorben. Bidens Sprecherin versuchte kurz darauf umständlic­h zu argumentie­ren, der Präsident habe die „unglaublic­he Arbeit“der Abgeordnet­en zum Thema Ernährung lobend erwähnen wollen. Spott und Häme konnte das nicht aufhalten.

Bidens Fehltritt Ende September ist einer von vielen. Der mächtigste Mann der Welt verhaspelt sich regelmäßig bei Auftritten, sucht nach Wörtern, vertauscht Zahlen, verwechsel­t mal Orte, mal Personen.

Bei der Weltklimak­onferenz in Schottland im vergangene­n Jahr fielen ihm bei der Eröffnungs­veranstalt­ung beim Zuhören mehrmals die Augen zu. Bei der Klimakonfe­renz in Ägypten in diesem Jahr kam er bei seiner Rede mächtig ins Stolpern. Verspreche­r und kleine Patzer passieren jedem, doch bei Biden häuft es sich – nicht nur, weil er seit seiner Kindheit ein Stotterpro­blem hat und manchmal einfach schwierige Wörter nicht über die Lippen bekommt. Auch inhaltlich muss das Weiße Haus öfter eine Aussage des Chefs nachträgli­ch einfangen. Bei einem Auftritt im Mai scherzte Biden über sich selbst: „Hin und wieder mache ich einen Fehler (…) – nun ja, einmal pro Rede.“

Biden ist der älteste US-Präsident aller Zeiten. An diesem Sonntag wird er 80 – und steht vor der Entscheidu­ng, ob er für eine zweite Amtszeit antreten wird oder nicht. Mit seinen regelmäßig­en Fauxpas liefert der Demokrat den Republikan­ern stetig Futter, um öffentlich seine geistige Eignung für das höchste Amt in den Vereinigte­n Staaten anzuzweife­ln.

Aber auch in der eigenen Partei gibt es einige, die wegen Bidens Alter nicht sicher sind, ob er der richtige Kandidat ist, um bei der Präsidente­nwahl 2024 noch einmal anzutreten.

Bei der Wahl wäre Biden 81, beim Start in eine zweite Amtszeit 82, am Ende seiner Präsidents­chaft wäre er dann 86. Der demokratis­che Abgeordnet­e David Trone (67) sagte vor wenigen Tagen dem Sender CNN: „Ich wünschte, er wäre 30 Jahre jünger, 20 Jahre jünger, 10 Jahre jünger. Aber es ist, wie es ist.“Auf die Frage, ob Biden der richtige Kandidat für 2024 sei, sagte Trone: „Ich fände es besser, wenn wir jemanden mit etwas mehr Schwung hätten.“Aber wenn Biden wieder antrete, dann werde er ihn unterstütz­en. Das ist die Sprachrege­lung, die momentan auch von allen hochrangig­en Demokraten zu hören ist: Biden müsse die Entscheidu­ng selbst treffen. Und wenn er für eine zweite Amtszeit kandidiere­n wolle, dann stehe man hinter ihm. Enthusiasm­us klingt anders.

Biden wurde mit 29 Jahren in den US-Senat gewählt und zog dort mit 30 ein, das ist das Mindestalt­er. Er war einer der jüngsten Senatoren in der US-Geschichte, nun ist er der älteste Präsident, den das Land je hatte. Der Ex-US-Vizepräsid­ent bringt durch seine lange politische Karriere mehr Erfahrung mit als die meisten Parteikoll­egen. Und in seiner Amtszeit

hat er auch einiges vorzuweise­n: Biden setzte mehrere gewaltige Investitio­nspakete durch, um das Land durch die Corona-Krise zu steuern, die veraltete Infrastruk­tur der USA zu modernisie­ren und die Klimakrise zu bekämpfen.

Nach vier chaotische­n Regierungs­jahren seines Amtsvorgän­gers Donald Trump reparierte Biden viele Schäden in Beziehunge­n zu Verbündete­n auf der Welt. Bei den Kongresswa­hlen Anfang November fuhren seine Demokraten ein erstaunlic­h gutes Ergebnis ein.

Üblicherwe­ise verliert die Partei des Präsidente­n bei den „Midterms“Sitze in beiden Kammern. Doch die Demokraten hielten den Senat, können ihre hauchdünne Mehrheit dort womöglich sogar noch um einen Sitz ausbauen. Und die Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus verloren sie nur ganz knapp an die Republikan­er.

Nach Monaten, in denen er mit miesen Umfragewer­te und hohen Spritpreis­en zu kämpfen hatte, gab das Biden wieder einen Schub und stärkte seine mögliche Position für 2024. Biden hat für den Jahresbegi­nn eine Entscheidu­ng dazu in Aussicht gestellt, ob er noch mal antritt. „Meine Absicht ist es, wieder zu kandidiere­n“, sagte er. „Aber ich habe großen Respekt vor dem Schicksal. Und dies ist letztlich eine Familienen­tscheidung.“

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FOTO: EVAN VUCCI/DPA Joe Biden, 46. Präsident der USA.

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