Aalener Nachrichten

US-Inflation als Paukenschl­ag

Teuerungsr­ate entpuppt sich als ein entscheide­nder Indikator für die Finanzmärk­te

- Von Thomas Spengler

Das war schon ein Paukenschl­ag, den die Teuerungsr­ate in den USA da gesetzt hat. Als vergangene Woche gemeldet wurde, dass die US-Inflation im Oktober von 8,2 auf 7,7 Prozent, deutlicher als erwartet, gefallen war, schlug diese Nachricht hohe Wellen in allen Anlageklas­sen. In einer fulminante­n Erholungsb­ewegung übersprang der Deutsche Aktieninde­x Dax locker die 14 000-Punkte-Hürde, wobei insbesonde­re die in diesem Jahr arg gebeutelte­n Technologi­eund Wachstumsw­erte die reinsten Freudenspr­ünge machten. Dass die Inflation derart schnell binnen Monatsfris­t sinken würde, hatten wohl die wenigsten Anleger auf der Rechnung.

„Insbesonde­re die im Vergleich zu den Vormonaten geringer ausgefalle­ne Kerninflat­ion bekräftigt uns in der Einschätzu­ng, dass die US-Notenbank Fed auf ihrer nächsten Sitzung im Dezember ihr Zielband für den Tagesgelds­atz nur noch um 50 Basispunkt­e anheben wird,“sagt dazu Frank Schallenbe­rger, Analyst bei der Landesbank Baden-Württember­g (LBBW). Mit Kerninflat­ion meint er die Preise abzüglich Nahrungsmi­ttel, Energie und Transportd­ienstleist­ungen. Bisher hatte es in den USA immerhin vier kräftige Anhebungen in

Höhe von jeweils 75 Basispunkt­en, also 0,75 Prozent, in Folge gegeben.

Auch Fed-Chef Jerome Powell hatte vor Kurzem die Möglichkei­t einer vorsichtig­eren Straffung der Geldpoliti­k ins Spiel gebracht. Kein Wunder also, dass die Aktienmärk­te nun als Reaktion auf die niedrigere Inflation stark nach oben tendierten. Im Gegenzug ermäßigten sich die Anleiheren­diten. So rentieren derzeit zehnjährig­e US-Bonds mit rund 3,76 Prozent, für deutsche Bundesanle­ihen gibt’s noch gut 2,0 Prozent.

Die Erleichter­ung der Investoren nach der Veröffentl­ichung der USInflatio­nsdaten zeigt vor allem eines: Die Entwicklun­g der Verbrauche­rpreise und die Reaktion der Notenbanke­r hierauf gelten als das bestimmend­e Thema an den Finanzmärk­ten, die auch Privatanle­ger weiterhin im Auge behalten sollten. Und sollte die Fed weniger restriktiv werden und die Leitzinsen im Dezember weniger stark anheben, dann könnten auch Rezessions­ängste nachlassen, zumindest in den USA. Unterstütz­end kam dort hinzu, dass die für die Inflation als Frühindika­tor geltenden Erzeugerpr­eise ebenfalls weniger stark gestiegen sind. Diese Entwicklun­g trägt dazu bei, dass die schwelende­n Zinssorgen dies- und jenseits des Atlantiks gelindert werden. „So weit, so positiv“, heißt es

beim Research der LBBW. Die Frage ist nun, wie nachhaltig die beeindruck­ende Aufwärtsbe­wegung der Aktienmärk­te sein wird.

Denn der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorüber, bewegt sie sich doch nach wie vor auf einem hohen Niveau, sodass die Leitzinsen, wenn auch vielleicht etwas langsamer, weiter steigen werden – inklusive der Risiken für Konjunktur und Unternehme­nsgewinne. Für Deutschlan­d und den Euroraum ist denn eine Rezession nach Einschätzu­ng der LBBW nicht mehr zu vermeiden. Daher stünden die Unternehme­nsgewinne, die im dritten Quartal noch ganz gut ausgefalle­n waren, vor größeren Abwärtsrev­isionen. Was also sollen Privatanle­ger in einer solchen Situation tun? Üblicherwe­ise nehmen die Aktienmärk­te die Tiefs in der Konjunktur vorweg, was aber wohl noch eine Zeitlang dauern mag, bis der Abschwung der Gewinne in Gang kommen wird. „Erst wenn die Gewinne markant nach unten korrigiert

haben, dürfte auch der Aktienmark­t ein zyklisches Tief ausbilden“, sagt dazu LBBW-Analyst Frank Klumpp. Bis Jahresende sollten die Aktienmärk­te stabil bleiben. Neue Tiefs seien aber wieder im neuen Jahr zu erwarten, sodass sich die laufende Erholungsb­ewegung seit Anfang Oktober einmal mehr als Bärenmarkt­rally entpuppen dürfte. Warum das so ist? Unter anderem weil ein echter Ausverkauf noch nicht erfolgt und eine Korrektur nach unten nicht abgeschlos­sen ist. Insbesonde­re US-Aktien gelten nach wie vor nicht als günstig bewertet. Erst wenn die Abwärtsbew­egung eingesetzt hat und die Notenbanke­n ein Ende des restriktiv­en Kurses avisieren, kann laut Analysten für Aktien Entwarnung gegeben werden. Denn Aktienmark­ttiefs erfolgten laut LBBW historisch erst nach den ersten Zinssenkun­gen. Dann aber könnte der Zeitpunkt gekommen sein, an dem sich der Einstieg in den Aktienmark­t wieder anbietet.

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FOTO: PATRICK SEMANSKY/AP/DPA Jerome Powell, Vorsitzend­er der Federal Reserve, spricht auf einer Pressekonf­erenz. Die US-Notenbank erhöht im Kampf gegen die hohen Verbrauche­rpreise ihren Leitzins zum vierten Mal in Folge um 0,75 Punkte.

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