Nicht alle freuen sich über den Tarifabschluss
Der hart erkämpfte Kompromiss für die Metall- und Elektroindustrie löst wenig Jubel aus – Pragmatismus überwiegt
RAVENSBURG (eva) - Der Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie löst ein unterschiedliches Echo aus. Während bei der Gewerkschaft IG Metall die positiven Reaktionen überwiegen, ist die Wirtschaft eher skeptisch.
Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Verbands wvib, der rund 1000 Unternehmen aus dem industriellen Mittelstand vereint, sieht in dem Ergebnis den Einstieg in eine Lohn-Preis-Spirale: „Ein schwieriger Kompromiss in einer seltsamen Krise mit möglichen Dominoeffekten. Energie- und Lieferkettenprobleme sorgen für Inflationsschübe. Inflation sorgt für klamme Budgets bei Privaten und Ertragserosion bei den mittelständischen Unternehmen. Steigende Personalkosten heizen die Teuerung weiter an. Steigende Zinsen und handfeste Rezessionsängste sind die Folge“, so Münzer. Er sieht die Wirtschaft gar an einem „Kipppunkt“. Gut an dem Kompromiss sei „das späte Einsetzen der Tabellenerhöhung und die lange Laufzeit“.
Doch: „Gefährlich bleibt der Kostenschub, der besonders in der wichtigen Automobil-Zulieferindustrie zu Härtefällen und möglichen Insolvenzen führt und weitere Automatisierung und Verlagerungen ins Ausland auslöst. Ein Kompromiss, der an manchen Stellen den Standort gefährdet.“
Gerhard Grimminger, Inhaber des mittelständischen MaschinenbauUnternehmens Kessler in Abtsgmünd bei Aalen, sieht wiederum in dem Abschluss nicht das große Problem für die Wirtschaft: „Der Tarifabschluss ist – wie immer – ein Kompromiss. Die gefundene Regelung mit der Flexibilisierung passt aus meiner Sicht zu den Erwartungen der Arbeitnehmer.“
Viel größere Sorgen mache ihm „die rapide Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft“. Diese habe vielfältige Ursachen wie die „nachhaltige Steigerung der Energiekosten und die weiter zunehmende Bürokratie; gleichzeitig die für ein Industrieland beschämende Infrastruktur und die stetige Verschlechterung der Bildungsergebnisse in Schulen und Hochschulen sowie die deutlich nachlassende Leistungsbereitschaft“, zählt Grimminger auf.
Der Metall-Verband in Bayern will zeitnah die Übernahme des Pilotabschlusses verhandeln. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Metallund Elektroindustrie kommentiert: „Die Metall- und Elektroindustrie ist eine Leitindustrie in Deutschland und die Tarifparteien haben heute ihre besondere Verantwortung in schwierigen Zeiten gezeigt. Der Abschluss ist teuer und die Entgelterhöhung geht an die Schmerzgrenze und zum Teil auch darüber hinaus. Mit der langen Laufzeit von 24 Monaten haben wir aber unser Ziel einer hohen Planungssicherheit für die Unternehmen erreicht. Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation ist der Abschluss ein gerade noch tragfähiger Kompromiss.“
Nach zwei Warnstreiks ist damit das Thema Tarifstreit auch beim Ehinger Liebherr-Werk beendet. Die Streikpläne können in die Schublade verstaut werden. „In unserer Whatsapp-Gruppe mit den Vertrauensleuten und Betriebsräten gab es viele Daumen nach oben“, erklärt Rolf Ebe, Betriebsratsvorsitzender im Ehinger Werk. Das Ergebnis sei ein Kompromiss, den man aber tragen können, so Ebe. Die 5,2 Prozent Erhöhung hätte er sich „zwei Monate früher gewünscht“, die 3,3 Prozent hätten „ein Prozent höher ausfallen können“. „Zu einem Kompromiss gehört aber, dass beide Seiten Federn lassen", sagt Ebe, der betont: „Jetzt heißt es wieder Ärmel hochkrempeln, Kranen machen und auf die Werkserweiterung konzentrieren.“