Aalener Nachrichten

Barbarei oder Tradition?

Frankreich streitet über den Stierkampf – Ein Verbotsant­rag sorgt nun erneut für Wirbel

- Von Michael Evers ●

(dpa) - Für die einen sind die Stierkämpf­e in den Arenen Südfrankre­ichs lebendige Kultur und Tradition, für die anderen schlicht Barbarei. Ein Vorstoß zum Verbot der sogenannte­n Corrida, der in der nächsten Woche im Parlament in Paris beraten werden soll, führt in Frankreich zu heftigen Diskussion­en. Das Thema polarisier­t, auch wenn seit Jahren immer wieder um die Stierkämpf­e gestritten wird, die in Städten wie Arles, Nîmes oder Perpignan auch ein gewaltiger Wirtschaft­sfaktor sind. In die Diskussion um Tierschutz und Tradition mischt sich Empörung, in der fernen Hauptstadt wolle man den Menschen im Süden diktieren, was richtig und falsch ist.

Zu Beginn einer Debatte im Parlaments­ausschuss am Mittwoch geißelte der Linken-Abgeordnet­e Aymeric Caron, der den Verbotsant­rag vorantreib­t, den Stierkampf als eine „heuchleris­che Zeremonie, bei der das angeblich geehrte Tier mit einer Präzision und Raffinesse geschlacht­et wird, die an Sadismus grenzt“. Der Druck von Lobbys verhindere, dass die Kämpfe nicht längst verboten seien. In Nîmes indes, wo die

Stierkampf­feste Millionene­innahmen generieren, brachte das Stadtparla­ment eine Petition zum Erhalt der Kämpfe auf den Weg, die „universell­e Werte“vermittelt­en, berichtete der Sender France 3.

„Der Abgeordnet­e Caron will uns auf sehr moralisier­endem Terrain von Pariser Warte aus – erklären, was für die Menschen im Süden gut oder schlecht ist“, empörte sich der Bürgermeis­ter von Mont-de-Marsan, Charles Dayot, der Vizepräsid­ent der Union der Stierkampf­städte Frankreich­s ist. „Nun werden die Abgeordnet­en aber nicht gewählt, um die Vielfalt in den Regionen zu vernichten, sondern um sie zu verteidige­n“, sagte Dayot dem Sender. Der emeritiert­e Philosophi­e-Professor Francis Wolff, der in einem Buch die Stierkämpf­e verteidigt, sprach von einer „Kultur, die für Außenstehe­nde schwer zu verstehen ist“.

Der französisc­he Tierschutz­bund (SPA) startete unterdesse­n eine Petition zum Verbot der Tierkämpfe. „Und wenn es ein Hund wäre, würden Sie akzeptiere­n, dass er im Namen der Tradition getötet wird?“, heißt es auf einem Bild, das die Kampagne begleitet und einen Stierkämpf­er mit gezücktem Schwert vor einem Hund zeigt. „Es ist an der Zeit, diesen Leidenssho­ws, bei denen ein empfindung­sfähiges Wesen zu Unterhaltu­ngszwecken gequält wird, ein Ende zu setzen“, forderte der Bund.

Obwohl nach einer Umfrage vom Donnerstag 74 Prozent der Menschen in Frankreich ein Corrida-Verbot wollen, sprachen sich in einer Befragung im Sommer in den Stierkampf-Städten 71 Prozent der Bewohner für den Erhalt der Tradition aus. Nach der Ausschussb­eratung sieht es nicht danach aus, dass der nach 2013 und 2021 dritte Anlauf für ein Stierkampf­verbot Erfolg haben wird. Auf jeden Fall wird im Parlament eine hitzige Debatte von Gegnern und Befürworte­rn erwartet. Selbst einige der Parteien sind in ihrer Haltung gespalten. Das Regierungs­lager ist gegen ein Verbot, auch um nicht den Eindruck zu erwecken, der Provinz würden Pariser Sichtweise­n aufgezwung­en.

Im französisc­hen Baskenland und in Spanien wird seit Jahren über die Stierkampf­tradition gestritten. Für viele ist sie Nationalsy­mbol und Kunst. Gegner des Brauchtums halten das umstritten­e Spektakel für brutale Tierquäler­ei, die die Stiere oft nicht überlebten. Dabei setzt der Ausnahmepa­ragraf im Tierschutz­gesetz, der die Stierkämpf­e weiter erlaubt, bislang schon klare Grenzen. Möglich ist die Corrida nur in bestimmten Landstrich­en, in denen sie als Teil des Kulturerbe­s angesehen wird.

Dies ist zwischen der Region um Arles und dem Baskenland, zwischen Garrigues und dem Mittelmeer sowie zwischen den Pyrenäen und der Gascogne der Fall. Gerichte steckten die Grenzen der Stierkampf­region schon vor Jahren ab, Versuche der Gegner sie zu reduzieren, scheiterte­n.

Nicht bei allen Stierkämpf­en in Frankreich werden die Tiere am Ende übrigens getötet. Nicht der Fall ist dies bei den sogenannte­n Carmague-Rennen, bei denen es darum geht, Trophäen von der Stirn und den Hörnern eines Stieres herunterzu­holen. Im Anschluss kommen diese Stiere wieder auf die Weide. Höchst gefährlich ist allerdings auch diese Stierkampf­art: Im Frühjahr erst starb ein 20-jähriger Kämpfer bei so einem Wettkampf in der Nähe von Montpellie­r.

Vor der Parlaments­debatte nun planen beide Lager am Wochenende zahlreiche Demonstrat­ionen – in Paris formieren sich die Gegner, in rund einem Dutzend Stierkampf-Städten mobilisier­en die Befürworte­r.

 ?? FOTO: GUILLAUME HORCAJUELO/EPA/DPA ?? Der französisc­he Stierkämpf­er Sebastien Castella macht einen Pass während seines Stierkampf­es. Im Süden Frankreich­s haben Stierkämpf­e eine lange Tradition und weiterhin viele Anhänger. Im Parlament in Paris wird nun ein Vorstoß unternomme­n, das blutige Brauchtum zu verbieten.
FOTO: GUILLAUME HORCAJUELO/EPA/DPA Der französisc­he Stierkämpf­er Sebastien Castella macht einen Pass während seines Stierkampf­es. Im Süden Frankreich­s haben Stierkämpf­e eine lange Tradition und weiterhin viele Anhänger. Im Parlament in Paris wird nun ein Vorstoß unternomme­n, das blutige Brauchtum zu verbieten.

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