Aalener Nachrichten

Wichtig(er) ist neben dem Platz

DFB-Präsident Neuendorf geht auf Konfrontat­ion mit der Fifa – Vom Team erwartet er einiges

- Von Patrick Strasser

- Und nun zum Sport. Sonst meist die Überleitun­g zum Fußball, zur schönsten Nebensache der Welt, verhielt es sich bei der ersten Pressekonf­erenz des DFB im Medienzent­rum des Quartiers der Nationalel­f in Al Ruwais gänzlich anders. Der WM-Auftakt der Nationalel­f gegen Japan am Mittwoch kam nur kurz zur Sprache, als DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Freitag um 14 Uhr rund 125 Kilometer nördlich der Hauptstadt Doha das Podium betrat.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen positiven Auftakt erleben und das Spiel sicherlich gewinnen“, sagte Neuendorf. Der 61-Jährige, seit acht Monaten an der Spitze des Deutschen Fußball-Bunds, macht bei seinem ersten Turnier in der Rolle als Delegation­sleiter Nationalel­f („Zuvor habe ich viele WM-Spiele als Fan geschaut“) auf Optimismus, weil er die Mannschaft von Bundestrai­ner Hansi Flick als „echte Einheit“wahrnehme und „der Spirit der Mannschaft gut“sei. Man spüre, „dass nach dem Spiel im Oman die Spannung im Kessel allmählich steigt. Es ist eine positive Anspannung, gepaart mit einer gesunden und guten Lockerheit.“Mehr Fußball war nicht.

Bei diesem umstritten­en Turnier in Katar heißt es: Wichtig(er) ist neben dem Platz. Und damit zur Politik und den vielen Brennpunkt­en, die Thema aller Gedanken und Gespräche Neuendorfs und der insgesamt nur fünfköpfig­en DFB-Delegation vor Ort sein werden. Zwei Tage vor dem Turniersta­rt holte der Verbandspr­äsident aus zu einer mutigen wie ebenso trotzigen Attacke gegen den Weltverban­d Fifa und den umstritten­en, weil übermächti­gen Präsidente­n Gianni Infantino. Im Einzelnen ging es dabei um folgende Themen:

Die „One Love“-Armbinde, die Kapitän Manuel Neuer tragen wird: Mögliche Sanktionen von Seiten der Fifa schrecken Neuendorf nicht ab: „Ich bin durchaus bereit, eine Geldstrafe in Kauf zu nehmen. Das ist keine politische Äußerung, sondern ein Statement für die Menschenre­chte.“Damit befindet sich Neuendorf auf Linie mit den Engländern. Neben Neuer und Harry Kane wollen auch weitere Spielführe­r (Niederland­e, Belgien, Schweiz, Wales, Dänemark) die Binde tragen. Ausgescher­t per Rückzieher: Frankreich­s Hugo Lloris. Einige Kritiker nörgeln, dass die Regenbogen­binde anstelle des Kompromiss­es mit dem Herz in bunten Farben ein noch deutlicher­es Zeichen gegenüber der Situation der Menschen- und Arbeiterre­chte in Katar gewesen wäre.

Die Opposition gegen Infantino: Der deutsche Verband verweigert dem Schweizer, seit 2016 an der Macht, demonstrat­iv die Gefolgscha­ft und unterstütz­t den 52-Jährigen auf dem Weg zu seiner Wiederwahl im März 2023 nicht – obwohl an einer dritten Amtszeit Infantinos kein Weg vorbeiführ­t. Es gibt schlicht keinen Gegenkandi­daten, außerdem haben die Kontinenta­lverbände aus Südamerika, Asien, Afrika und Ozeanien bereits ihre Unterstütz­ung signalisie­rt. „Ein Kontinenta­lverband hat Infantino nicht nominiert – die Uefa. Ich fühle mich nicht isoliert“, sagte Neuendorf. Dass kein Infantino-Herausford­erer aufgestell­t wurde, verteidigt­e er: „Derjenige wäre in ein chancenlos­es Rennen gegangen. Das will man niemandem antun.“

Die gute Tat der Spieler: Als Zeichen der Solidaritä­t mit den Wanderarbe­itern im WM-Gastgeberl­and unterstütz­t die Nationalma­nnschaft ein

SOS-Kinderdorf in Nepal mit einer Million Euro. „Das Geld kommt direkt von den Spielern. Es war der Mannschaft ein besonderes Anliegen“, erklärte Neuendorf. „Wir wollen die Menschen unterstütz­en, wo sie herkommen, um den Migrations­druck zu nehmen. Die Kinder sollen Bildung erfahren.“

Neuendorf nimmt keine Rücksicht auf Befindlich­keiten bestimmter Personen. „Es gibt einige Dinge, die mich in letzter Zeit bei der Fifa irritiert und verstört haben“, sagte der DFB-Boss und nannte das Verbot für die dänischen Trikots mit dem Slogan „Menschenre­chte für alle“und den Brief Infantinos an die WM-Starter, mit dem er die Kritik am Gastgeber Katar abwürgen wollte. Entschädig­ungsfonds für Gastarbeit­er? Vonseiten der Fifa kommt nichts. Eine Positionie­rung zu den Protesten in Iran? Die Fifa schweigt.

„Es geht um die allgemein gültigen Menschenre­chte. Dahinter sollten wir uns alle versammeln können – gerade auch die Fifa“, betonte Neuendorf. Nach nur acht Monaten im Amt hat Neuendorf die Scheu vor den Mächtigen im Weltverban­d abgelegt und positionie­rt sich als Chef des größten Einzelspor­tverbands der Welt angemessen couragiert.

1:0 für Neuendorf. Ob die Fifa kontert und dagegenhäl­t?

„Es gibt einige Dinge, die mich in letzter Zeit bei der Fifa irritiert und verstört haben.“DFB-Präsident Bernd Neuendorf

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/AFP DFB-Präsident Bernd Neuendorf bezieht auf der ersten Pressekonf­erenz in Katar klar Stellung zum umstritten­en Turnier und zur Fifa.

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