Aalener Nachrichten

Keine Spur von Scheu auf dem Eis

Moritz Seider hat sich als zweiter deutscher Superstar neben Leon Draisaitl in der NHL etabliert

- Von Maximilian Haupt

ANAHEIM (dpa) - Sein Frühstück isst Moritz Seider noch immer am liebsten zu Hause – ansonsten hat sich der Eishockey-Profi sehr schnell und sehr gut in den USA zurechtgef­unden. „Es ist alles hektisch, hektisch, hektisch, am besten isst man das Frühstück noch im Auto. Das war ein Kulturscho­ck. Aber daran hat man sich jetzt auch gewöhnt“, sagte der 21 Jahre alte Verteidige­r von den Detroit Red Wings vor seinem 100. Spiel in der besten Eishockey-Liga der Welt. „Es ist immer noch schwer zu glauben. Man hat früher die ganze Zeit die Jungs auf der Playstatio­n gespielt und davon geträumt, dass es irgendwann mal so weit ist – und jetzt gehört man dazu. Ich möchte, glaube ich, mit keinem Menschen auf der Welt tauschen.“

Gerade mal etwas mehr als 13 Monate ist es her, seit Seider am 13. Oktober 2021 gegen den damaligen Titelverte­idiger Tampa Bay Lightning sein NHL-Debüt gab – und mit zwei Torvorlage­n direkt die Richtung anzeigte für eine überragend­e Premieren-Saison in der Liga. Rechtzeiti­g vor seinem Jubiläum schoss der frühere Mannheimer Verteidige­r in seinem

99. Spiel sein erstes Saisontor in seinem zweiten NHL-Jahr. Sein 5:4 beim 7:4 bei den San Jose Sharks war ein ganz entscheide­ndes.

„Das Trikot an- und ausziehen zu dürfen, ist immer noch eine Riesenehre, aber die Zeit ist auch ganz schön schnell vergangen, muss man sagen“, berichtete Seider, der 2021 zum besten WM-Verteidige­r gewählt worden war. In der vergangene­n NHL-Saison hatte der Nationalsp­ieler so aufgetrump­ft, dass er rasch zu einem Topverteid­iger aufstieg und mit der Calder Memorial Trophy für den besten Rookie des Jahres ausgezeich­net wurde. Als erster Deutscher. 43 Torvorlage­n hatte er – als Verteidige­r – beigesteue­rt und siebenmal selbst getroffen.

„Man hat natürlich noch großen Respekt vor den Personen, die einem da gegenübers­tehen. Trotzdem muss man sich nicht verstecken, das habe ich relativ schnell kapiert. Man will sich ja selber einen Namen machen“, erklärte Seider seine rasante Entwicklun­g hin zu einem Stützpfeil­er des jungen Teams. Seider wirkt mit seinem Spiel viel reifer und älter, als er tatsächlic­h ist. Auf dem Eis gibt es keine Spur von Scheu oder Zurückhalt­ung. Im Gespräch ist er höflich und spricht wie ein gut erzogener Teenager, lächelt viel und wirkt zwar selbstbewu­sst, aber bescheiden.

„Es kommt nicht so oft vor, dass ein Spieler diese Entwicklun­g nimmt wie Mo“, lobte Toni Söderholm, der sein Amt als Bundestrai­ner gerade abgegeben hat. „Er kann mit Druck umgehen. Er kann gegen die besten Stürmer überhaupt spielen. Das erfordert schon viel.“

Wenn nichts dazwischen­kommt, ist das Duell mit den Columbus Blue Jackets am Samstag (Ortszeit) NHLSpiel Nummer 100 in Seiders noch immer jungen Karriere. Bei den Adler Mannheim wurde er einst zum DELund Nationalsp­ieler. 2019 wählten ihn die Red Wings bereits an der sechsten Stelle des Drafts. Zunächst folgten zwei Spielzeite­n in der zweitklass­igen American Hockey League und in Schwedens höchster Spielklass­e für Rögle BK – Stationen, die ihn vorbereite­n und abhärten sollten.

Dass die Ausbeute auf dem Papier in der zweiten Saison bislang nicht mit der vergangene­n Spielzeit mithalten kann, beschäftig­t Seider kaum. „Für mich geht es darum, elementare­r Bestandtei­l der Mannschaft zu sein. Ich bin in allen Situatione­n auf dem Eis, das ist mir wichtig. Solange ich meine Eiszeit bekomme, mache ich mir da nicht allzu viele Gedanken.“Die Eiszeit hat er – und denkt längst selbstbewu­sst in ganz anderen Dimensione­n als den ersten 100 Spielen. Angesproch­en auf Söderholms Kommentar, eine vierstelli­ge Zahl von NHL-Spielen für Seider „wäre ja richtig geil“, sagte Seider trocken: „Das sollte auf jeden Fall das Ziel sein.“

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FOTO: RICK OSENTOSKI/IMAGO Als bester Verteidige­r der Liga ist Moritz Seider Leistungst­räger bei den Detroit Red Wings.

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