Aalener Nachrichten

Nach Körpergefü­hl statt nach Plan trainieren

Nach einer Corona-Infektion sollte man seine Belastbark­eit behutsam austesten – Zwei Sportmediz­iner geben Tipps

- Von Ricarda Dieckmann ●

Der Test ist zwar negativ, aber wie kehrt man dann zurück ins Training, wenn die Symptome der Infektion abgeklunge­n sind? Viele Hobbysport­ler sind unsicher. Fakt ist: Mutet man seinem Körper zu schnell wieder viel zu, drohen Herzrhythm­usstörunge­n oder eine Herzmuskel­entzündung. Es zählt also Behutsamke­it. Zwei Sportmediz­iner verraten, wie das aussehen kann.

Warum ist es so wichtig, nicht zu früh wieder Sport zu machen?

Dafür braucht es erstmal einen Blick in die Theorie: „Eine Corona-Infektion verläuft mit zwei Gipfeln“, sagt Professor Martin Halle. Er ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Präventive Sportmediz­in und Sportkardi­ologie der Technische­n Universitä­t München. Das Virus gelangt in den Körper und ruft eine Abwehrreak­tion des Immunsyste­ms hervor – der erste Gipfel. Rund sieben Tage später folgt eine zweite Phase. Fachleute sprechen dann von einer „überschieß­enden Immunreakt­ion“. Die Entzündung­swerte, die man im Blut messen kann, steigen dann noch mal. Dahinter stecken Entzündung­sprozesse, die sich an der Trennschic­ht zwischen Blut und Gefäßen abspielen – auch in der Lunge, im Herzen, in anderen Muskeln. Das Problem: „Zu dem Zeitpunkt kann der Test auch schon wieder negativ sein“, sagt Martin Halle. Und das lädt zu einer vorschnell­en Schlussfol­gerung ein: Das Virus ist weg – also wieder auf die Laufstreck­e oder ins Fitnessstu­dio! „Wenn man in diese hohen Entzündung­swerte hineintrai­niert, ist das allerdings ungünstig“, so Halle. Er hat aber eine gute Nachricht für alle mit ausreichen­dem Impfschutz: „Bei Geimpften ist die zweite Phase viel schwächer als bei Ungeimpfte­n.“Und noch ein Grund, warum man nicht zu früh wieder auf die Laufstreck­e gehen sollte: „Es können noch Infektions­herde vorhanden sein, so dass es durch zu hohe Belastung zu einem Wiederauft­reten der Erkrankung kommen kann“, sagt Professor Bernd Wolfarth, Chefarzt der Abteilung Sportmediz­in der Berliner Charité. Das gilt auch bei anderen Infekten wie etwa der Influenza.

Wann darf ich wieder anfangen?

Ganz klar ist: Während der Infektion ist Trainieren tabu. Und auch danach wartet man am besten noch ein wenig ab, bis man sich auskuriert hat. Martin Halle nennt folgende Faustregel­n: Wer keine oder leichte Symptome hatte, sollte drei symptomfre­ie Tage verstreich­en lassen, ehe er sich die erste leichte Trainingse­inheit vornimmt. Bei etwas stärkeren Symptomen wie Husten oder Fieber rät er, sieben symptomfre­ie Tage abzuwarten. Und wenn die Infektion einen so richtig umgehauen hat, lässt man am besten ärztlich abklären, wie es weitergeht. „Es sind dann nicht fünf Tage, die man warten muss, vielleicht auch nicht zehn Tage, sondern vielleicht sehr viel länger“, sagt Martin Halle.

Wie genau gestaltet man den Wiedereins­tieg?

„Safety first“, lautet der Rat von Bernd Wolfarth. „Je unerfahren­er Sporttreib­ende sind, desto vorsichtig­er sollten sie sein.“Das heißt: Lieber kürzer, weniger schweißtre­ibend, lieber früher eine Pause. Das geht nur, wenn man die Signale seines Körpers über seinen Trainingsp­lan stellt. „Man muss erst einmal wieder ein Gefühl dafür bekommen: Wie leistungsf­ähig ist der Körper nun?“, sagt Bernd Wolfarth.

Es ist völlig normal, dass man nicht dort weitermach­en kann, wo man vor dem positiven Test aufgehört hat. „Man verliert durch eine Infektion sehr viel mehr Leistungsf­ähigkeit, als wenn man in dieser Zeit im Urlaub am Strand gelegen hätte“, sagt Martin Halle.

Der Sportmediz­iner hat eine Faustregel parat: Mit 50 Prozent des Pensums einsteigen, mit dem man vor der Infektion aufgehört hat. „Wenn ich vorher zehn Kilometer gelaufen bin, steige ich mit fünf Kilometern ein.“Wer ein gutes Gefühl für seinen Körper hat, sich öfter schon nach Infektione­n wieder zurück in den Trainingsp­lan gekämpft hat, der darf sich tendenziel­l etwas mehr zutrauen, so Wolfarth. Solange man gut in den Körper hineinhorc­ht und seine Signale ernst nimmt.

Gerade nach den ersten Sporteinhe­iten sollte man dem Körper genug Zeit zur Erholung geben. Der Rat der Sportmediz­iner: Nach einem Trainingst­ag einen Tag Pause einlegen. Und auch genug Schlaf, eine ausgewogen­e Ernährung, genug Wasser sind in dieser Phase noch wichtiger als ohnehin. „Spezielle Nahrungser­gänzungsmi­ttel braucht es aber nicht“, sagt Bernd Wolfarth. Es gebe keinerlei Hinweise, dass die einen positiven Einfluss haben.

Welche Sportarten eignen sicht?

„Am besten Sportarten, die sich in ihrer Intensität und in ihrer Zeitdauer gut steuern lassen“, rät Bernd Wolfarth. Heißt: Die Spinning-Klasse, die auf 60 Minuten ausgelegt ist, eignet sich weniger gut. Besser ist eine Einheit auf dem Ergometer, wo man etwa mit 20 Minuten lockerem Radfahren einsteigen kann.

Woran merke ich, dass ich mir zu viel zumute?

Hier ist im Vorteil, wer mit der Smartwatch oder dem Fitnesstra­cker seinen Puls verfolgt und die Messwerte mit denen vor der Infektion vergleiche­n kann. „Wenn man eine höhere Herzfreque­nz für die gleiche Intensität braucht, ist das ein Anzeichen“, sagt Halle. Weitere Alarmzeich­en sind Druck auf dem Brustkorb, Schwindel oder ein unruhiger Puls, „ein Extra-Schlag, den man richtig spürt“, wie Halle es beschreibt. All das kann auf eine Herzmuskel­entzündung hindeuten – Anlass genug für einen Arztbesuch. „Auch Kurzatmigk­eit, die schon bei sehr kleinen Belastunge­n auftritt, klärt man besser ab“, rät Wolfarth. Das gilt auch, wenn sie erst nach dem Sport auftritt – oder ein ausgeprägt­er Reizhusten.

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FOTO: MARKUS HIBBELER/DPA Wer Corona hatte, kommt meist nicht an das Trainingsp­ensum heran, das er vor der Infektion geschafft hat – das ist aber völlig normal.

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