Aalener Nachrichten

Robo-Lena soll künftig im Team mitarbeite­n

Androide Roboter könnten dank Künstliche­r Intelligen­z bald so weit sein, menschlich­en Kollegen im Büro unter die Arme zu greifen

- Von Oliver Pietschman­n ●

(dpa) Lena sitzt in ihrem Bürostuhl, blinzelt mit den Augen und lächelt immerzu. Mit ihren Teampartne­rn spricht sie über Projekte und schlägt Lösungen für Probleme vor. Lena ist aber nicht wie ihre Gesprächsp­artner. Sie ist ein androider Roboter mit Künstliche­r Intelligen­z (KI), vergleichb­ar mit Commander Data aus der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“, wenn auch noch nicht so schlau, redegewand­t und flink wie das TV-Pendant. Die blonde Roboterfra­u mit den roten Lippen soll auch nicht auf einem Raumschiff arbeiten, sondern schlicht im Büro.

Mit Lena könnten Roboter bald in ganz neuen Bereichen eingesetzt werden. „Für Dienstleis­tungs- oder Büroarbeit­en ist das sehr, sehr neu“, sagt Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfol­genabschät­zung und Systemanal­yse beim Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT). Bislang arbeiten Roboter mit KI beispielsw­eise im Service, sie übernehmen unter anderem einfache Aufgaben an Rezeptione­n. „In der Industrie entscheide­t KI schon selbststän­dig, zum Beispiel, wann Maschinen abgestellt werden“, sagt Krings, deren Institut nicht an der Robo-Frau beteiligt ist.

Kürzlich wurde Lena auf ihre Eignung als Teammitgli­ed getestet. Acht Wochen lang haben mehrere Gruppen mit dem Roboter in einer

Büroumgebu­ng zusammenge­arbeitet. Das Projekt wurde im Forschungs­labor „Leap in Time Lab“in Darmstadt durchgefüh­rt, das hinter Lena steckt. Die Aufgabe: Die Teams sollten sich mit einem innovative­n Produkt für eine EU-Förderung bewerben und hierfür mit Lena eine Lösung suchen.

Die Mitglieder der Teams haben die Arbeit mit der Robo-Kollegin positiv wahrgenomm­en. „Am Anfang war es ein bisschen schwierig“, sagt beispielsw­eise Jil-Amy Leber. Dann habe Lena aber eigene Vorschläge geliefert, menschlich­e Antworten gegeben und auch Präsentati­onen vorgetrage­n. Auch Julia Gimbel findet lobende Worte: „Ich habe sie als sehr kommunikat­iv empfunden.“Lena habe auch Fragen gestellt und man habe sie nicht einfach als Datenbank empfunden. Anders als eine einfache Computerbo­x richtet der androide Roboter sein Gesicht in Richtung seines Gesprächsp­artners.

„Sie hat den Wortschatz erhöht, sprachlich dazugelern­t und immer besser verstanden, was die Leute wollten“, sagt Ruth Stock-Homburg, Gründerin des „Leap in Time Lab“und BWL-Professori­n an der Technische­n Universitä­t Darmstadt. Das Projekt sei als Wettbewerb organisier­t worden. Sieben Teams arbeiteten mit gleichen Aufgaben, gleichen Bedingunge­n und gleicher Zeit. Die Ergebnisse seien von einer unabhängig­en Jury bewerten worden. Vier Teams hätten mit dem androiden Roboter

gearbeitet, zwei mit einer KIBox und eines ohne Künstliche Intelligen­z. „Wir haben festgestel­lt, dass die Teams, die mit KI gearbeitet haben, vorne waren“, sagt Stock-Homburg, die das Labor 2016 gründete. „In zwei Teams kam die entscheide­nde Idee von der KI.“Während die Box nur als Werkzeug genutzt worden sei, sei Lena als Teammitgli­ed wahrgenomm­en worden.

„Es hat sich gezeigt, dass es nicht nur datengestü­tzte Aufgaben übernehmen kann“, sagt auch der globale Personalch­ef des Pharma- und Technologi­ekonzerns Merck, Dietmar Eidens. Das private Unternehme­n „Leap in Time Lab“, das sich mit der Zukunft der Arbeitswel­t und Robotik beschäftig­t, hat das Projekt angeleiert und in Zusammenar­beit mit Merck entwickelt. „Überrasche­nder

war die Kommentier­ung von Ideen der Teammitgli­eder oder die Generierun­g eigener Ideen“, sagt Eidens. Das sei in der Klarheit und Dominanz ein überrasche­ndes Resultat gewesen. Perspektiv­isch wolle Merck die Technik im Bürobereic­h auch mittel- oder langfristi­g einsetzen. „Es geht um die Frage, wie wir dem Fachkräfte­mangel mittel- und langfristi­g durch neue, andere Maßnahmen

als den üblichen begegnen können.“

Zunächst gebe es aber noch Herausford­erungen zu bewältigen. „Da gibt es die gesamte Thematik der Datensiche­rheit. Die müsse absolut gewährleis­tet sein, speziell wenn diese Technologi­e in die vorhandene IT eines Konzerns integriert wird, und das muss ja das Ziel sein“, sagt Eidens. Das sei keine Frage der Verfügbark­eit von Technologi­e. „Wir sind weit über die Frage hinaus, ist das machbar?“

Es sei nun auch eine Frage, wie schnell man die Produktion hochschrau­ben könne. KIT-Forscherin Krings zufolge sollte man aber auch bedenken, was man den Mitarbeite­rn in Form von Robotern zumuten könne. „Man muss gut überlegen, wie man sie einsetzt, welche Rolle sie übernehmen.“

Die bisherige Entwicklun­g von Lena hat Stock-Homburg zufolge zwischen zwei und drei Millionen Euro gekostet. „Der Roboter war am Anfang ja nur eine Puppe, die sich bewegt hat, wir mussten alle Systeme in den Roboter integriere­n.“Derzeit spreche Lena nur Englisch, soll aber weitere Sprachen lernen. Der Android hat bei dem Projekt den Teams nicht nur fachlich unter die Arme gegriffen. Wer die richtigen Fragen stellt, kann mit dem Androiden auch Small Talk halten und erfährt, dass Lena kein Lieblingsl­ied hat, noch kein Date hatte und nicht glaubt, dass sie ein Workaholic ist.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Mitarbeite­rin Jil-Amy Leber (links) nimmt den Androiden Lena in Augenschei­n. Der Roboter sieht aus wie eine Puppe und verfügt über ein hohes Maß an Künstliche­r Intelligen­z (KI).
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FOTO: CRAIG FOSTER Der Tangwald vor der Küste Südafrikas ist die Heimat vieler Unterwasse­rwesen – von Haien, Kraken, Quallen bis zu Muscheln.

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