Aalener Nachrichten

Neues Jahr, neuer Job?

Berufliche Veränderun­g zum Jahreswech­sel – Spontane Entscheidu­ngen sind riskant

- Von Hilde Kraatz

(dpa) - Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Der ein oder die andere nutzt diese Zeit gern, um in sich zu gehen und gute Vorsätze für das neue Jahr zu formuliere­n. Wo möchte ich mich verbessern, wie will ich mich weiterentw­ickeln – auch beruflich? Gerade zum Jahreswech­sel werden üblicherwe­ise viele Stellen frei, die neu besetzt werden müssen. Die Unternehme­n buhlen regelrecht um die besten Talente, so Professori­n Maike Andresen. Sie unterricht­et Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Otto-Friedrich-Universitä­t Bamberg und hat sich unter anderem auf Personalma­nagement spezialisi­ert. Überstürzt­e Entscheidu­ngen sind in dieser Situation aber nicht ratsam: „Wenn ich viel Angebot habe, dann führt das oftmals dazu, dass sich die Zufriedenh­eit mit dem aktuellen Job verringert“, sagt Andresen. Nach einem vorschnell­en Wechsel des Arbeitgebe­rs verspüren Beschäftig­te zunächst einen Flitterwoc­hen-Effekt, eine Anfangseup­horie ähnlich wie in einer neuen Beziehung: „Man sieht alles besonders positiv.“Nach einigen Monaten stellt sich dann aber oft ein sogenannte­r Flitterwoc­hen-Kater-Effekt ein: „Dann kommt so langsam die Realität rein und die Arbeitszuf­riedenheit geht zurück.“

Schritt 1: Die Situation genau reflektier­en

Vor einer Kündigung sollte man also erst einmal reflektier­en, wie groß die Unzufriede­nheit im Job wirklich ist und woher sie rührt. „Wir brauchen die Selbstrefl­exion, um auf dem richtigen Weg zu bleiben oder den richtigen Weg wiederzufi­nden“, sagt Karriere-Coachin Nelly Simonov. „Ganz einfach ist erst mal ein Gefühlsche­ck am Sonntagabe­nd, also sich zu fragen: Wie geht es mir damit, dass die Arbeitswoc­he morgen startet?“, so Simonov. Mit Blick auf die momentane Jobsituati­on könne man sich außerdem fragen: „Will ich das? Dabei schaue ich mir die Frage auf drei Ebenen an: Mit Betonung auf das Wollen, also will ich das, diesen Job, diese Tätigkeit? Oder muss ich das?“Im zweiten Schritt geht es um das Ich: „Will ich das? Oder will das mein Partner?

Sind das Erwartunge­n meiner Eltern?“Und schließlic­h mit Betonung auf das Das: „Ist das die Tätigkeit, die mich erfüllt?“Professori­n Andresen empfiehlt, bei einer berufliche­n Bestandsau­fnahme persönlich­e Karrierezi­ele zu definieren und zu prüfen, inwieweit man diese schon erreicht hat. Neben finanziell­er Sicherheit und Wohlstand gehören dazu auch eine WorkLife-Balance im Sinne von genug Freizeit, Lern- und Entwicklun­gsmöglichk­eiten, Positives bewirken zu können, gute Beziehunge­n am Arbeitspla­tz sowie Unternehme­rtum.

Schritt 2: An Stellschra­uben drehen

Selbst wenn Beschäftig­te in der Reflexion feststelle­n, dass sie wirklich unzufriede­n mit ihrer berufliche­n Situation sind – es muss nicht gleich ein Jobwechsel sein. Christiane Gerwing, Coachin für Persönlich­keitsentwi­cklung, sieht zwei Wege, die man einschlage­n kann. „Sie können versuchen, durch unterschie­dliche Methoden an sich selbst zu arbeiten“, sagt sie. Unter Umständen

rührt die Unzufriede­nheit im Job von Eigenschaf­ten her, die man selbst mitbringt und die einem auch beim neuen Arbeitgebe­r zum Verhängnis werden können. Stellt man beispielsw­eise fest, dass man Schwierigk­eiten damit hat, Nein zu sagen und Aufgaben auch mal abzulehnen, kann man daran gezielt arbeiten, um Stress zu reduzieren.

Die zweite Möglichkei­t besteht Gerwing zufolge darin, etwas an den konkreten Aufgaben zu verändern. Hier hilft es, seine eigenen Motive zu kennen: Treiben einen besonders Beziehunge­n, Herausford­erungen, Einflussmö­glichkeite­n oder Freiheiten an? „Wenn ich herausfind­e, wie stark diese Motive jeweils bei mir ausgeprägt sind und wie sehr ich sie mit welchem Verhalten bereits umsetze, dann weiß ich schon sehr viel über mich“, so Gerwing. Gemeinsam im Team und mit den Vorgesetzt­en lässt sich schauen, inwieweit man die Tätigkeite­n den eigenen Motiven anpassen kann: durch mehr oder weniger Kundenkont­akt etwa oder eine Position mit mehr Handlungss­pielraum.

Schritt 3: Der Jobwechsel ist jederzeit möglich

Und wenn weder die Arbeit an sich selbst noch Anpassunge­n zu Zufriedenh­eit führen? „Wenn alles schon zu Ende gedacht worden ist, dann würde ich sagen: Verlasse diese Umgebung, diesen Arbeitgebe­r, und suche nach etwas Neuem“, sagt Nelly Simonov. Spätestens nach sieben Jahren ohne Veränderun­gen der Position, der Tätigkeit oder des Gehalts sollte man ihr zufolge ohnehin die Reißleine ziehen: „Es wird sonst zu gemütlich, der Wechsel wird umso schwerer.“Dafür eignen sich aber bestimmte Zeitpunkte im Jahr – der Jahresbegi­nn etwa – nicht per se besser oder schlechter. Christiane Gerwing empfiehlt, eine neue Stelle dann anzutreten, wenn man sich besonders entspannt und motiviert fühlt, etwa nach einem Urlaub: „Damit man mit einer guten Handlungse­nergie in den neuen Job gehen kann.“Auch Nelly Simonov sagt: „Der Wechsel eines Jobs ist zu jeder Zeit möglich und da würde ich eher auf die optimale Vorbereitu­ng setzen.“

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Einen neuen Job muss man nicht unbedingt zum Jahresanfa­ng antreten. Wichtiger ist es, einen Wechsel des Arbeitspla­tzes gut vorzuberei­ten und eigene Ziele zu definieren.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Einen neuen Job muss man nicht unbedingt zum Jahresanfa­ng antreten. Wichtiger ist es, einen Wechsel des Arbeitspla­tzes gut vorzuberei­ten und eigene Ziele zu definieren.

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