Nostalgiefernsehen mit politischer Botschaft
Gottschalk und seine Gäste lassen „Wetten, dass..?“in Friedrichshafen wieder aufleben
- Schrilles Outfit, flapsige Sprüche, breites Grinsen: So begrüßt „Wetten, dass..?“-Moderator Thomas Gottschalk eine Viertelstunde vor Beginn der Sendung am Samstagabend die Zuschauer im Saal der Messe Friedrichshafen. Stehende Ovationen, nicht enden wollender Applaus und Tausende gezückte Handys sind die Reaktion. „Handys, Handys – überall Handys. Als ich angefangen habe, gab es noch keine“, ist nur einer der Sätze, mit denen Gottschalk nicht nur darauf aufmerksam macht, dass er zur älteren Generation gehört, sondern auch darauf, was hier gleich über die Bühne gehen soll: Nostalgiefernsehen.
Wie auch schon bei vergangenen Sendungen stellt sich Gottschalks Co-Moderatorin Michelle Hunziker für den Moderator als Glücksgriff heraus. Fröhlich und charmant führt die 45-jährige Schweizerin im pinken Prinzessinenkleid durch die Sendung und begleitet sowohl Wettkandidaten als auch Promi-Gäste konzentriert. Das gelingt Gottschalk wiederum nicht immer. Dass er nun gerade bei der aus Friedrichshafen stammenden Fußballerin Giulia Gwinn den Patzer macht, sie mit „Giuliana“anzusprechen, dürfte ihm so mancher Zuschauer vom See übel nehmen. Auch die Tatsache, dass er nachfragen muss, ob nun sie oder ihre Kollegin Alexandra Popp, die mit ihr zusammen in die Sendung gekommen ist, den Kreuzbandriss erlitten habe, ist eher peinlich für ihn. Doch die 23-jährige Gwinn lächelt diese Fauxpas einfach weg und erklärt ihm geduldig, wie sie mit dem gesundheitlichen Rückschlag umgeht.
Für einen ganz großen Gänsehautmoment sorgt ohne Frage schon ziemlich zu Beginn des Abends Popstar Robbie Williams, als er nach seinem neuesten Song „Lost“auf Wunsch des Publikums eine Zugabe anstimmt. Seinen Welthit „Angels“. Die Zuschauer, denen über den Großbildschirm über der „Wetten, dass..?“-Couch der Text angezeigt wird, singen mit und kurz entsteht in der Messehalle die mitreißende Atmosphäre eines Popkonzerts. Dass der Sänger vor allem bei „Lost“intonatorisch nicht immer perfekt ist, verzeiht man ihm schnell, bleibt er an diesem Abend wohl einer der wenigen Künstler, die wirklich ohne Playback auskommen.
Gute Laune bringen jedenfalls sowohl Williams als auch die anderen Promis an diesem Abend mit. Zu den Wettpaten zählen die Schauspieler John Malkovich sowie Veronica Ferres und ihre Tochter Lilly Krug. Zudem sind Christoph Maria Herbst und Michael „Bully“Herbig dabei. Die Stars auf dem Sofa hat man in vergangenen Sendungen jedenfalls schon gelangweilter gesehen. Lustige Schlagabtausche gibt es mitunter zwischen Komiker und Schauspieler Christoph Maria Herbst und dem britischen Popstar. Als Robbie Williams ihm erklärt, dass allein das Puder, das er benutze, sein Haar so toll aussehen lasse, erwidert Herbst: „Lieber Puder auf dem Kopf, als es durch die Nase zu ziehen.“Auch Michael „Bully“Herbig frotzelt in gewohnter Manier herum. An Thomas Gottschalk in seinem roten Leolook gewandt erklärt der Comedian: „Hätte ich gewusst, was du für einen tollen Anzug anhast, wäre ich als weißer Tiger gekommen.“
Für die Wetten läuft es in Friedrichshafen an diesem Abend ziemlich gut. Einzig die Außenwette der beiden Schwenninger Max Baier und Max Mager, die sich auf einer Achterbahn Handys zuwerfen sollen, von denen bei sechs Versuchen wenigstens drei gefangen werden müssen, wird verloren. Nur ein Handy landet auf der wilden Fahrt beim Auffänger.
Bei der Baggerwette – was wäre die Sendung ohne diese – schafft es hingegen Kandidatin Sandra Hasenauer wie geplant, Hühnereier aufzustechen und dabei den Bagger auf nur einer Seite zu balancieren. Für Wettpaten Michael „Bully“Herbig und Christoph Maria Herbst, die gegen Hasenauer gewettet haben, folgt ein sportlicher Wetteinsatz: Mit dem Ensemble des Musicals „Moulin Rouge“müssen die beiden am Ende der Sendung einen stürmischen CanCan tanzen, was ihnen letztlich viel besser gelingt als noch beim Anblick ihrer verdutzten Gesichter angesichts des Wetteinsatzes gedacht.
Die etwas skurrile Kinderwette beeindruckt: Den Zwillingen Luise und Mira Pfeifer gelingt es, 200 gleiche Stoffbären zu unterscheiden und die Namen, die sie ihnen vorher gegeben haben, richtig zu nennen. Für den ein oder anderen Lacher sorgen die beiden Mädchen dabei, wenn sie sich darüber beraten. „Das könnte Jochen sein“, sagt dann die eine – und die andere antwortet: „Ich dachte Jochen wäre etwas breiter.“
Für Wettkandidaten Holger Siebnich sucht Wettpate Robbie Williams
Brettspiele aus dem Schrank, die Siebnich nur am Geräusch des Ausschüttens erkennen muss. Auch diese Wette wird gewonnen. Sportlich geht es bei Felix Kaiser zu. Der Kandidat schafft es, mit seinem Fahrrad auf nur einem Rad gestapelte Kisten bis in drei Meter Höhe hochzuhüpfen. Wettkönig wird allerdings am Schluss Marten Reiß. Der 3-D-Designer und Klimaaktivist schafft es, mittels des sogenannten Kreuzblickes – einer Art Schieltechnik – aus Tausenden Fingerabdrücken immer genau den einen zu identifizieren, den Gottschalk vorher mit einem neuen ausgetauscht hat. Die 50.000 Euro, so erklärt der Wettkönig bereits direkt nach der Wette, will er gegen den Abriss seines Heimatortes Lützerath, der dem Braunkohleabbau weichen soll, einsetzen. Und so wird „Wetten, dass..?“an diesem Abend tatsächlich auch noch politisch, als aus dem Publikum der Fanclub des Kandidaten laut „Lützi bleibt“konstatiert.
Auch Herbert Grönemeyer, der zum Abschluss das erste Mal sein neues Lied „Deine Hand“präsentiert, kommt mit politischer Botschaft. Im Hintergrund seiner Performance läuft das dazugehörige Video, das auf aktuellen Krisen wie etwa die in Iran, verweist. Auch sein Wetteinsatz überzeugt: Er will für einen Monat die Kosten für eine Berliner Tafel übernehmen. „Wir müssen alle mehr zusammenstehen“, sagt er anschließend. Ein Satz, der am Ende dieses mal flapsigen, mal mehr und mal weniger unterhaltenden Abends dem Nostalgie-TV, in das immerhin zehn Millionen Zuschauer einschalteten, noch einmal eine neue Berechtigung verleiht.