Europa nur bedingt einsatzbereit
Bei der Verteidigung ist die EU nach wie vor schwach – Bei der Bundeswehr fehlt sogar die Munition
BRÜSSEL (AFP) - Europa tut zu wenig und zu spät: So heißt es immer wieder in Brüssel, wenn von der Verteidigungsfähigkeit und „strategischen Souveränität Europas“die Rede ist, welche die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag erhöhen will. Ein „Weckruf“sollten der UkraineKrieg und die veränderte politische Lage in den USA nach den Zwischenwahlen sein, sagen Politiker wie Experten. Und das nicht nur, weil Donald Trump es bei der nächsten Präsidentenwahl noch einmal wissen will.
„Wir müssen für den Krieg von morgen einsatzbereit sein, nicht für den von gestern“, mahnte der EUAußenund Sicherheitsbeauftragte Josep Borrell nach einem Verteidigungsministertreffen in Brüssel diese Woche. Denn so abhängig Europa von russischem Gas war, so abhängig ist es militärisch von den Vereinigten Staaten. „Wir müssen für die USA attraktive Partner sein und nicht hilfsbedürftige“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler.
Beispiel Rüstungskooperation: Mindestens 35 Prozent ihrer Verteidigungsausgaben will die EU in gemeinsame Rüstungsprojekte investieren. Derzeit sind es laut Borrell mit 18 Prozent nur rund die Hälfte. „Das ist zu wenig“, kritisiert der Sicherheitsbeauftragte. „Wir verschwenden Geld“, klagt der Europaparlamentarier
Joachim Schuster (SPD). „Die EU-Staaten geben mehr als dreimal so viel für ihre Verteidigung aus wie Russland“, betont er. „Mehr Geld bringt aber nicht automatisch mehr Sicherheit.“
Es gebe zu viel EU-Kleinstaaterei unter Rücksichtnahme auf die nationalen Rüstungsindustrien und zu viel Bürokratie, heißt es in Brüssel. Ähnliches drohe bei dem Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, fürchtet CDUMann Gahler. Ein zweites Beispiel ist die Schnelle Eingreiftruppe: Ab 2025 will die EU bis zu 5000 Soldaten für Kriseneinsätze bereithalten. Viel zu wenige, sagen Kritiker. Diese Truppe müsse dann aber mindestens „mit dem besten Gerät ausgestattet werden“, fordert Gahler. Entscheidungen stehen noch aus.
Auch strategisch hapert es bei den Europäern: „Es gibt eine riesige Kluft zwischen den geopolitischen Ansprüchen der EU und der Wirklichkeit“, sagt die Außenexpertin der Brüsseler Denkfabrik European Policy
Center (EPC), Marta Mucznik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor drei Jahren in ihrer ersten Grundsatzrede angekündigt, die EU müsse „die Sprache der Macht“lernen.
Davon sei bisher wenig zu spüren, sagt die EPC-Expertin. „Die Europäer müssen sich selbst um die Krisen in ihrer Nachbarschaft kümmern“, sagt Mucznik. Denn die USA blickten auch unter Präsident Joe Biden zunehmend auf den Konkurrenten China und den indopazifischen Raum.
Indes beklagte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), dass der Bundeswehr Munition imWert von 20 Milliarden Euro fehle. Sie mahnt eine rasche Auffüllung der Bundeswehr-Munitionsdepots an. Högl kritisierte, „dass dieser Betrag nicht im Sondervermögen veranschlagt wurde, sondern jetzt mühsam jährlich aus dem Verteidigungsetat finanziert werden muss“. Das Thema sei über Jahre verschleppt worden.