Aalener Nachrichten

Milliarden für Europas Raumfahrt

Beim Ministerra­tstreffen werden die Programme der Esa festgelegt – Es geht um Geld, Einfluss und den Mond

- Von Björn Hartmann ●

- Wenn es in dieser Woche in Paris um Milliarden für die europäisch­e Raumfahrt geht, wird ein Sehnsuchts­ort kaum zu sehen sein: der Mond. Dabei beflügelt er die Weltraumpr­ogramme vieler Länder. Gerade erst haben die Amerikaner eine Rakete mit der Orion-Kapsel zum Erdtrabant­en geschickt. Die Europäisch­e Weltraumbe­hörde Esa will stärker teilhaben. Zum Ministerra­tstreffen der 22 Trägerländ­er (22. und 23. November 2022), wo die Strategie für die kommenden drei Jahre beschlosse­n wird, herrscht allerdings Neumond. Und die Stimmung ist auch nicht so euphorisch.

Insgesamt möchte die Esa rund 18 Milliarden Euro haben, gut ein Viertel mehr als bei der letzten Runde im November 2019. Damals hatten die Deutschen erstmals am meisten Geld gegeben, insgesamt 3,3 der 14,4 Milliarden Euro. Danach folgten Frankreich (2,7 Milliarden Euro) und Italien (2,3). „2019 haben wir uns hervorrage­nd positionie­rt. Die deutsche Industrie und Wissenscha­ft ist ganz vorn dabei“, sagt Walter Pelzer , Chef der deutschen Raumfahrta­gentur. „Wir arbeiten daran, dass wir die Position in dieser Ministerra­tsrunde nicht verlieren.“

Dafür ist einiges Geld nötig. „Die Esa wünscht sich einen deutschen Beitrag von rund vier Milliarden Euro über drei Jahre“, sagt Pelzer. „Die bisher veranschla­gten Mittel im Haushalt 2023 bis 2025 passen da nicht.“Im Etat des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums sind für das kommende Jahr insgesamt 885 Millionen Euro als Beitrag vorgesehen. Dabei hat die Bundesregi­erung im Koalitions­vertrag festgeschr­ieben, die Esa zu stärken.

„Wir sind in einer schwierige­n Situation mit Krieg in Europa und vielen Menschen, die nicht wissen, wie sie die Kosten für das tägliche Leben tragen können“, sagt der Chef der Deutschen Raumfahrta­gentur. „Die Politik soll jetzt einerseits die dringenden Probleme der Bevölkerun­g lösen und gleichzeit­ig wichtige Entscheidu­ngen für die Zukunft, wie die Investitio­nen für die Raumfahrt, leisten. Das ist eine Herausford­erung.“

Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Zugang für die Zukunft. Denn nur, wenn ein Land ein Esa-Programm gezeichnet hat, also Geld gibt, können Firmen aus diesem Land an dem Programm teilnehmen, also Geld verdienen. Und die Investitio­nen heute entscheide­n darüber, wo Europa künftig im All dabei ist.

Vieles wird bereits vor dem Treffen in Paris geklärt. Doch vor Ort wird in der Regel hinter den Kulissen noch reichlich geschacher­t, wie es ein Teilnehmer nennt. Denn nicht alle Esa-Nationen sind sich einig, welche Programme laufen oder ob EsaRegeln geändert werden sollen. Zum Beispiel bei der wichtigen Frage, wer Satelliten aus Esa-Projekten transporti­eren darf.

„Die Esa muss sich dem Wettbewerb öffnen. Die Regel, dass Esa-Payloads nur mit Esa-Fluggerät transporti­ert werden, ist anachronis­tisch. Das schließt Anbieter aus, die mit privatem Geld finanziert sind, steht der Kommerzial­isierung entgegen und schottet den Markt ab“, sagt Pelzer. „Wir wollen, dass die Esa sich bei diesem Thema bewegt. Denn wir wollen ja privates Kapital anziehen.“Es gibt allerdings Länder, die dagegen sind. Italien zum Bespiel, das die Esa-Rakete Vega C federführe­nd entwickelt und finanziert hat. In Deutschlan­d arbeiten gleich drei privat

finanziert­e Unternehme­n an kleineren Raketen, die Satelliten im Wochentakt ins All befördern sollen, ein riesiger Markt, wie überhaupt der Weltraum in Erdnähe immer mehr zum Wirtschaft­sraum wird.

In diesem Jahr fließen der Beratungsf­irma Euroconsul­t zufolge rund 25,5 Milliarden US-Dollar staatliche­r Gelder in Weltraumpr­ogramme, ein Plus von 7,3 Prozent im Vergleich zu 2021. Größte Investoren sind die USA mit einem Anteil von 65 Prozent vor China mit 17 Prozent und der Esa mit sieben Prozent. 2031 sollen bereits 31 Milliarden Dollar ausgegeben werden. Dazu kommt noch Geld privater Investoren. Angetriebe­n werden die Investitio­nen von Mond-Programmen, wie Euroconsul­t schreibt.

So arbeiten die Chinesen an einer eigenen Station auf dem Mond. Die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa, die Esa, die japanische und die kanadische Weltraumbe­hörde setzen auf eine Anlage, die um den Mond kreist.

Der sogenannte Lunar Gateway soll Zwischenst­ation für den Weg auf den Mond werden und gleichzeit­ig Ausgangspu­nkt für Reisen zu Mars und sogar zum Saturn. Das Projekt ist Teil des Artemis-Programms, das gerade die Sonde Orion Richtung Mond schickte und mit dem die USA 2025 wieder Menschen auf den Mond bringen wollen. Private Investoren denken über ein Satelliten­netz um den Mond nach, um die Kommunikat­ion zu vereinfach­en, sollten zum Beispiel Rohstoffe auf dem Mond abgebaut werden.

Zu den wichtigste­n Esa-Programmen aus deutscher Sicht gehört allerdings erst einmal die Erdbeobach­tung – Wind, Wetter, Klima, Brände. „Wir machen Raumfahrt, um das Leben auf der Erde besser zu gestalten“, sagt Raumfahrta­genturchef Pelzer. Dann seien noch die Gründerzen­tren der Esa, die BIC, wichtig und die Technologi­eprogramme, die kleinen und mittleren Unternehme­n Zugang zu Raumfahrt gäben. Und dann ist da

doch noch ein Mondprojek­t: „Es wäre traurig, wenn wir die weitere Entwicklun­g des Mondlander­s nicht zeichnen könnten. Immerhin kam die Idee dafür aus Deutschlan­d“, sagt Pelzer. Inzwischen sei der Lander Teil des Artemis-Programms.

Doch nichts geht ohne Raketen – besonders die europäisch­e Trägerrake­te Ariane 6, die seit drei Jahren nicht abhebt. Ohne sie kann Europa große Satelliten etwa aus dem Galileo-Programm – eine Art europäisch­es GPS – nicht allein ins All bringen. Und Raketen dieser Größe fehlen, seit russische Sojus-Raketen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht mehr bereit stehen, US-Anbieter sind ausgebucht.

„Das oberste Ziel muss sein, dass die Ariane 6 fertiggest­ellt wird. Der Jungfernfl­ug ist für Ende 2023 vorgesehen“, sagt deshalb Pelzer. Sein Wunsch: „Die Ariane 6 bringt den europäisch­en Lander auf den Mond, die erste rein europäisch­e Mondmissio­n.“Fehlt nur noch etwas Geld.

 ?? FOTO: IMAGO/NASA ?? Bei Raumfahrtp­rojekten mit dabei zu sein, ist ausgesproc­hen wichtig für die deutsche Forschung sowie die Industrie – im Bild Esa-Astronaut Matthias Maurer bei seinem Außeneinsa­tz an der Raumstatio­n ISS im März 2022.
FOTO: IMAGO/NASA Bei Raumfahrtp­rojekten mit dabei zu sein, ist ausgesproc­hen wichtig für die deutsche Forschung sowie die Industrie – im Bild Esa-Astronaut Matthias Maurer bei seinem Außeneinsa­tz an der Raumstatio­n ISS im März 2022.

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