Aalener Nachrichten

Tierheime brauchen viel mehr Geld

Vereine leiden unter den hohen Kosten für Futter, Heizung und Strom

- Von Julia Giertz ●

STUTTGART (dpa) - Ein Minister im Tierheim, das hat Seltenheit­swert. Doch Bundesland­wirtschaft­sminister Özdemir kennt keine Berührungs­angst. Die Forderunge­n der Tierschütz­er kann er nachvollzi­ehen. Diese verlangen angesichts der Energiekri­se rasches Handeln.

„In der Regel beißt sie nicht“, sagt Marion Wünn, Leiterin des Stuttgarte­r Tierheims. Gerade hat sie Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir eine 30 Zentimeter lange Schlange mit rötlichen Schuppen in die Hand gedrückt. Der Grünen-Politiker ist beeindruck­t: „Krass, und diese Muskeln, das ist der Hammer.“Der Minister in Jeans, Parka und festem Schuhwerk will sich vor Ort in seinem Wahlkreis ein Bild von den Problemen in dem mit 900 Tieren auf 10 000 Quadratmet­ern größten baden-württember­gischen Tierheim machen. Zuvor hatte der Tierschutz­bund Alarm geschlagen und wegen einer Kostenlawi­ne die Schließung jedes vierten Heims prognostiz­iert – falls nicht gegengeste­uert werde.

Gerade bei wärmeliebe­nden Reptilien machen sich erhöhte Heizkosten bemerkbar. Das Terrarium der Natter etwa muss konstant auf 30

Grad gehalten werden. Auch die äußerst langlebige Wasserschi­ldkröte mag es warm. Doch Energie ist nur ein Posten in der Rechnung der Tierheime. Auch Futter wird teurer, beim Personal schlägt der erhöhte Mindestloh­n zu Buche. Die neue Gebührenor­dnung für Veterinäre lässt manche Halter verzweifel­n. Einige sehen sich daher gezwungen, ihre langjährig­en Gefährten wegen hoher Behandlung­skosten abzugeben.

Der Tierschutz­bund verlangt mehr Engagement des Bundes und der Kommunen. Präsident Thomas Schröder fordert 380 Millionen Euro, um den Investitio­nsstau in den Heimen abzubauen und ihnen durch den Winter zu helfen. In dem Verband sind 540 Mitgliedsh­eime organisier­t.

Die baden-württember­gische Tierschutz­beauftragt­e Julia Stubenbord schlägt als ersten Schritt eine Energiepau­schale vor, damit die Vereine zumindest die Heizkosten decken könnten. Ansonsten drohe die Schließung kleiner spendenfin­anzierter Heime. Aber jedes werde gebraucht, um die Ordnung aufrechtzu­erhalten und streunende Katzen und Hunderudel zu vermeiden.

Bundesland­wirtschaft­sminister Özdemir versprach, die Probleme anzupacken, die lange ignoriert worden seien. Er übergab den Tierschütz­ern 7500 Euro aus dem Fünf-Millionen-Euro-Hilfsfonds für Tiere, die von ukrainisch­en Flüchtling­en abgegeben wurden. Auch eine Stiftung des Bundes zur Förderung von Tierheimen werde gerade geprüft, sagte Özdemir. Zu Schröders Forderung, den Internetha­ndel mit Tieren zu verbieten, sagt er, das Ministeriu­m habe mit den entspreche­nden Verkaufspl­attformen Kontakt aufgenomme­n.

Mehr Tempo mahnt Tierschutz­präsident Schröder bei einer Positivlis­te für die Tierarten an, die überhaupt in privater Hand gehalten werden dürfen. Das Ministeriu­m will angesichts schwierige­r Definition­sfragen eine Regelung über die EU erreichen. Nach Schröders Überzeugun­g ist in den Heimen rasches Handeln bereits auf nationaler Ebene geboten. „In Deutschlan­d darf ich eine sechs Meter lange Schlange im Vorgarten halten“, kritisiert er.

Die Tierschutz­beauftragt­e Stubenbord nennt einen weiteren Grund für eine Überfüllun­g der Heime, die teilweise Warteliste­n führen: „Die in der Coronakris­e spontan erworbenen Tiere sind teils schon wieder im Tierheim gelandet, und die steigenden Kosten halten mögliche Halter von der Anschaffun­g ab.“Zudem seien die abgestoßen­en Tiere oft unerzogen; Hunde seien Leinen und Gehorsam nicht gewöhnt oder aggressiv zu Mensch und Tier. Verhaltens­gestörte Vierbeiner hätten aber wenig Chancen auf eine Vermittlun­g an neue Halter.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir informiert sich in Stuttgart-Botnang über die Lage der Tierheime. Thomas Schröder (rechts), Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, fordert angesichts steigender Kosten für Futter, Heizung und Personal viel mehr Geld.
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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Özdemir hat keine Berührungs­ängste und hält auch eine Kornnatter.

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