Aalener Nachrichten

Minikredit­e sind selten günstig

Verbrauche­rschutz bleibt bei Kleinstdar­lehen häufig auf der Strecke

- Von Wolfgang Mulke

- Wieder ist eine Rechnung offen, die schnellste­ns bezahlt werden muss. Die Hausbank will keinen Kredit mehr geben oder die obligatori­sche Schufa-Auskunft ist durch einen Eintrag negativ. Eine Aussicht auf ein reguläres Darlehen sinkt dadurch gegen null. In einer so prekären Lage greifen immer mehr Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r zu allen sich bietenden Chancen, der akuten Notlage zu entgehen. Die Werbung mancher Finanzdien­stleister macht ihnen Hoffnung. „Minikredit jetzt mit 0 Prozent Zinsen“, heißt es zum Beispiel beim Kreditunte­rnehmen Cashper. Es geht um Darlehen zwischen 100 Euro und 3.000 Euro.

Minikredit­e sind längst ein Teil des normalen Geschäftsl­ebens geworden. In Mode sind beispielsw­eise Angebote von Onlinehänd­lern, bei denen die gekaufte Ware erst später bezahlt werden muss. Das ist nichts anderes als ein Kleindarle­hen. Darüber hinaus haben sich eine Reihe von Anbietern von Minikredit­en auf eine klamme Kundschaft spezialisi­ert. „Es ist eine gezielte Ansprache von Menschen, die von ihrer Bank keine Kredite mehr bekommen“, beobachtet Michael Möller, Verbrauche­rschützer der Organisati­on Finanzwend­e-Recherche. Doch anders als es die Werbung vorgaukelt, ist die schnelle Hilfe aus einer finanziell­en Notlage alles andere als kostenlos. „Anbieter weisen mitunter bis zu 1.500 Prozent Zinsen aus", rechnet Möller vor.

Doch wie kommt dieser gewaltige Unterschie­d zwischen Werbung und Realität zustande? Das zeigt ein Blick auf das Angebot der maltesisch­en Bank Novum, die unter der Marke Cashper Minikredit­e offeriert. Null Zinsen gibt es dort nur für Neukunden. Wer die Dienste mehrfach in Anspruch nimmt, muss knapp acht Prozent Zinsen berappen. Ein Darlehen über 600 Euro kostet Neukunden, die es nach 30 Tagen auf einen Schlag tilgen, tatsächlic­h nichts. Auch Bestandsku­nden müssen lediglich 3,78 Euro an Zinsen dafür bezahlen. Das klingt zunächst attraktiv. Dazu können allerdings happige Gebühren

kommen. So berechnet Cashper 99 Euro, wenn der Betrag innerhalb von 24 Stunden ausbezahlt werden soll. Andernfall­s dauert es mehrere Tage. Die schnelle Verfügbark­eit ist für die Kunden in akuten Geldnöten aber oft wichtig. Noch einmal 99 Euro werden fällig, wenn der Kredit nicht auf einen Schlag nach 30 Tagen, sondern in zwei Raten innerhalb von 60 Tagen zurückgeza­hlt wird. Nimmt jemand beide Optionen wahr, kostet der Minikredit von 600 Euro einen Neukunden schon 798 Euro.

Bei anderen Anbietern funktionie­rt das Geschäftsm­odell ähnlich, auch wenn sich die Gebühren im Detail unterschei­den. Zum „Wucher des Monats“der Verbrauche­rzentrale

Sachsen hat es im September 2021 der Anbieter Vexcash gebracht. Ein Kredit über 1.000 Euro mit Sofortausz­ahlung und Rückzahlun­g in drei Raten hat nach Berechnung der Verbrauche­rschützer inklusive aller Gebühren rund 230 Euro gekostet. Auf das Jahr hochgerech­net ergebe dies einen effektiven Jahreszins von 377 Prozent. „Wer will da nicht von Wucher sprechen“, fragen sich wohl nicht nur die sächsische­n Finanzexpe­rten.

Es gibt einen weiteren Haken bei den Minikredit­en. Praktisch jeder kann unabhängig von seiner Kreditwürd­igkeit ein Darlehen erhalten, selbst wenn schon ein negativer Schufa-Eintrag vorliegt. „Das ist höchst problemati­sch", meinen die

Verbrauche­rzentralen, „denn gerade bei geringem Einkommen und fehlenden finanziell­en Rücklagen kann leichter eine finanziell­e Überforder­ung eintreten“. Die aktuelle Rechtslage begünstigt die Anbieter. Denn einige Schutzrech­te für Kunden gelten erst ab einer Kreditsumm­e von 200 Euro. Dazu gehört die Prüfung der Kreditwürd­igkeit und die Informatio­n über die Kosten des Kredits vor dem Abschluss eines Vertrags. Die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin) weist auch auf ein fehlendes Widerrufsr­echt beim Vertragsab­schluss hin. Die Europäisch­e Union erwägt zwar, die Verbrauche­rrechte auch auf Kleinstdar­lehen auszudehne­n. Entschiede­n ist darüber jedoch noch nicht.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Minikredit­e sind oft nur auf den ersten Blick günstig. Meistens fallen hohe Zinsen an – vor allem, wenn der Kredit nicht innerhalb kurzer Zeit auf einen Schlag getilgt wird.

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