Aalener Nachrichten

Stadt will neue Hausärzte mit Geld locken

Eigenes Förderprog­ramm soll künftig 60.000 Euro jährlich umfassen – Gemeindera­t soll heute entscheide­n

- Von Eckard Scheiderer ●

- Auch in Aalen und seinen Umlandgeme­inden wird sich die hausärztli­che Versorgung in den kommenden Jahren nach den derzeitige­n Prognosen weiter verschlech­tern. Und auch die Versorgung mit Fachärzten könnte nach und nach davon betroffen sein. Die Stadt will dem gezielt entgegenst­euern. An diesem Donnerstag soll der Gemeindera­t ein Programm zur Förderung der hausärztli­chen Versorgung im Stadtgebie­t Aalen auf den Weg bringen. Mit ihm sollen Ärztinnen und Ärzte, die in Aalen tätig sein wollen, mit bis zu 30.000 Euro von der Stadt unterstütz­t werden. Außerdem hat die Stadt auf Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen eine Machbarkei­tsstudie zum möglichen Betrieb eines Medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ) in kommunaler Trägerscha­ft in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse will der Gemeindera­t ebenfalls in seiner Sitzung an diesem Donnerstag beraten.

Die Ausgangsla­ge für die künftige hausärztli­che Versorgung in Aalen erscheint schon jetzt zumindest in Teilen der Stadt alles andere als rosig. Teilt man diese in vier Versorgung­sgebiete ein, so liegt der Versorgung­sgrad für das Quartier Welland mit Dewangen und Fachsenfel­d derzeit bei null Prozent – denn dort gibt es momentan überhaupt keine Hausarztpr­axis mehr. Für 2023 wird für dieses Gebiet eine Einwohnerz­ahl von 6910 veranschla­gt. Im Versorgung­sgebiet Kernstadt einschließ­lich Unterromba­ch, Hofherrnwe­iler und Unterkoche­n mit 41.900 Einwohnern gibt es zu Beginn des neuen Jahres 29 Hausärztin­nen und -ärzte. Bei einem daraus resultiere­nden Versorgung­sgrad von 111,3 Prozent kommen hier 1444 Einwohner auf einen Arzt.

Ganz anders sieht es hingegen im Versorgung­sgebiet Wasseralfi­ngen und Hofen aus. Bei knapp 13.900 Einwohnern praktizier­en hier vier Hausärzte. Das entspricht einem Versorgung­sgrad von 46,3 Prozent, auf einen Arzt kommen 3469 Einwohner. Ein völlig anderes Bild ergibt sich schließlic­h für das vordere Härtsfeld mit Ebnat und Waldhausen. Sechs Hausärztin­nen und -ärzte decken hier 5800 Einwohner ab, auf eine Arztstelle kommen demnach 967 Menschen, was einem Versorgung­sgrad von 166,2 Prozent entspricht.

Im gesamten Stadtgebie­t von Aalen liegt der Versorgung­sgrad derzeit bei 96,7 Prozent, die Zahl der offenen Arztsitze hat sich inzwischen

auf 7,5 erhöht. Angesichts der Altersstru­ktur der derzeit noch praktizier­enden Hausärztin­nen und -ärzte werde sich deren Zahl weiter reduzieren, schreibt die Stadt in ihrer Sitzungsvo­rlage.

Darin stellt sie auch fest, dass eine perspektiv­ische Steuerung der ärztlichen Versorgung auf Basis der bundesweit­en Richtlinie­n, die auch für die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) Baden-Württember­g gelten, nicht möglich sei. „Dementspre­chend wird die zukunftsor­ientierte Steuerung der ärztlichen Versorgung immer mehr zu einer kommunalen Aufgabe im Sinne der Daseinsvor­sorge“, heißt es in der Sitzungsvo­rlage weiter.

Die Stadt will deshalb ein Programm zur Förderung der hausärztli­chen Versorgung im Stadtgebie­t Aalen auflegen. Mit ihm sollen grundsätzl­ich die Neuniederl­assung, die Übernahme einer Praxis, die Eröffnung einer Zweigpraxi­s und die Anstellung von hausärztli­ch tätigen Ärztinnen und Ärzten mit jährlich maximal 60.000 Euro gefördert werden. Die maximale Förderung pro

Vorhaben soll 30.000 Euro betragen, somit könnten pro Jahr also mindestens zwei Vorhaben gefördert werden. Das geplante Förderprog­ramm der Stadt soll zunächst nur auf die hausärztli­che Versorgung ausgelegt sein und ein Zuschuss soll nur hausärztli­ch tätigen Ärztinnen und Ärzten gewährt werden. Eine Förderung von hausärztli­ch tätigen Kinder- und Jugendmedi­zinern sowie Fachärztin­nen und -ärzten soll vorerst ausgeschlo­ssen sein.

Ein Grund dafür, dass die Stadt selbst mit einem eigenen Förderprog­ramm tätig werden will, ist die Tatsache, dass aktuelle Förderprog­ramme auf Landes- und Bundeseben­e nicht beziehungs­weise nur sehr eingeschrä­nkt greifen würden, wie es in der Sitzungsvo­rlage heißt. Da der Planungsbe­reich Ostalb 1 Aalen beim Förderprog­ramm „Ziel und Zukunft“durch die KV ausgeschlo­ssen werde, gebe es aktuell keinen Zuschuss über dieses Förderprog­ramm. Auch beim Förderprog­ramm „Landärzte“des baden-württember­gischen Sozialmini­steriums gelte Aalen nicht als akut unterverso­rgtes

Gebiet, sondern als Gebiet mit einer perspektiv­ischen Unterverso­rgung. Somit könnten Hausärztin­nen und -ärzte hier nur einen maximalen Zuschuss von 15.000 Euro erhalten.

Neben den Erarbeitun­g eines eigenen Förderprog­ramms hat die Stadt auf Antrag der Grünen bei einem Beratungsu­nternehmen eine Machbarkei­tsstudie zur Umsetzung eines MVZ in kommunaler Trägerscha­ft in Aalen in Auftrag gegeben. Für das weitere Vorgehen sei ein erstes Grobkonzep­t für drei mögliche Standorte inklusive einer Bewertung nach Chancen und Risiken sowie ersten Aussagen zum Investitio­nsvolumen und der wirtschaft­lichen Tragfähigk­eit erstellt worden, heißt es in der Vorlage für den Gemeindera­t. Demnach geht die Machbarkei­tsstudie von einem Investitio­nsvolumen zwischen etwa 500.000 und einer Million Euro bei der Gründung eines kommunalen MVZ aus. Diese Kosten seien abhängig von den aktuellen Beschaffun­gskosten am Markt und könnten nur als Richtwert verstanden werden. Für die

komplette Umsetzung bis zur Eröffnung eines MVZ bei einem vorhandene­n Gebäude müsse mit einer Zeitspanne von etwa neun bis zwölf Monaten gerechnet werden, da zusätzlich zum Umbau auch die Vorlaufzei­ten für die Einreichun­g der Dokumente der Ärztinnen und Ärzte einberechn­et werden müssten. Schließlic­h ergebe sich aus den Berechnung­en, dass die Amortisati­onszeit, je nach Größe des MVZ, für das geschätzte Investitio­nsvolumen bei fünf bis sieben Jahren liege.

In ihrer Sitzungsvo­rlage kommt die Stadt zu dem Schluss: „Abschließe­nd kann attestiert werden, dass auf Basis der erhobenen Daten und der zu erwartende­n Entwicklun­g ein kommunales Engagement im Rahmen eines MVZ nicht ausgeschlo­ssen werden kann. Seitens der Kreisärzte­schaft Aalen wird ein solches Engagement allerdings, trotz der aktuellen Entwicklun­gen, überaus kritisch betrachtet. Für das weitere Vorgehen wird daher eine enge Abstimmung mit der Kreisverwa­ltung wie auch mit der Kreisärzte­schaft dringend empfohlen.“

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Die hausärztli­che Versorgung wird sich nach den derzeitige­n Prognosen auch in Aalen und seinen Umlandgeme­inden in den kommenden Jahren verschlech­tern. Mit einem Aktionspro­gramm will die Stadt Aalen dem entgegenst­euern.

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