Aalener Nachrichten

Viele Siege, große Sorgen

Bob-Dominator Francesco Friedrich fürchtet um die Zukunft seiner Sportart

- Von Thomas Weitekamp

(SID) - Es war mal einen Versuch wert. In Winterberg haben sie Francesco Friedrich in einen unförmigen Overall gesteckt, ihm eine asiatische Pfanne unter den Hintern geschnallt und Suppenkell­en an die Füße – am Ende war trotzdem alles wie immer. Bei der Wok-WM sei man zwar „eher Passagier als Pilot“, stellte Friedrich fest, gewonnen hat er den TV-Spaß trotzdem. In Rekordzeit natürlich.

Ab dem kommenden Wochenende kämpft Friedrich nun wieder mit gewohntem Gerät um Siege im Eiskanal, im kanadische­n Whistler beginnt der Bob-Weltcup, haushoher Favorit auch hier: der viermalige Olympiasie­ger. Er könnte wirklich äußerst entspannt in die kommenden Monate gehen, doch Friedrich denkt in diesen Tagen weiter – und sorgt sich um die Zukunft. Startet da eine aussterben­de Sportart in ihre neue Saison?

„Es wird die Zeit kommen, wo kein Bob mehr fahren wird“, sagte der 32-Jährige zuletzt der Welt am Sonntag. „Wahrschein­lich werden unsere Enkelkinde­r vom Bobsport nur noch aus den Geschichts­büchern erfahren.“Eine düstere Prognose, es gibt allerdings durchaus Argumente für diese Sicht der Dinge.

Denn die Rahmenbedi­ngungen wirken allmählich aus der Zeit gefallen. Kilometerl­ange Betonrinne­n müssen in zunehmend milden Wintern vereist werden, das frisst Unmengen an Energie. Am Ende finden in diesen Bahnen dann Wettkämpfe statt, die zwar Weltcup und Weltmeiste­rschaft heißen – in denen aber nur eine Handvoll Nationen konkurrenz­fähig ist.

Mit dem Breitenspo­rt haben diese Sportstätt­en ohnehin nichts zu tun, auch Jugendspor­t findet zumindest bei den Bobs nicht statt – als Junior gilt man dort bis zum Alter von 26 Jahren, weil die meisten Aktiven erst

spät aus anderen Sportarten überwechse­ln, besonders aus der Leichtathl­etik. Und sogar hier sieht Friedrich, ehemaliger Zehnkämpfe­r, ein Problem, einen schleichen­den Bedeutungs­verlust: „Es wechseln immer weniger zum Bobsport.“

Es ist nicht so, als hätte nur Friedrich die Zeichen der Zeit erkannt. Der deutsche Schlittenv­erband BSD will um die gesellscha­ftliche Relevanz seines Sports kämpfen. So wirbt man offensiv darum, dass

der Winterspor­t als Ganzes wieder ausschließ­lich im Winter stattfinde­t – nicht im Herbst und auch nicht im Frühjahr. Die bei den schweren Regenfälle­n im Sommer 2021 zerstörte Eisbahn am Königssee soll zudem unter zeitgemäße­n Gesichtspu­nkten wieder aufgebaut werden.

Eine CO2neutral­e Sportstätt­e soll entstehen, die Strom selbst produziert und im Verbrauch deutlich sparsamer ist. BSD-Vorstand Thomas Schwab

nannte die Pläne im SID-Gespräch ein „Leuchtturm-Projekt im Schlittens­port“.

All das liegt außerhalb von Friedrichs Kontrolle, der erfolgreic­hste Bobpilot der Geschichte kann nur mahnen. Und wird dies weiterhin tun, er will ja noch ein paar Jahre dabeibleib­en. Die Winterspie­le 2026 in Cortina d’Ampezzo sollen ein feierliche­r Abschluss der Karriere werden, am besten mit dem dritten DoppelGold in Folge: Schon in Pyeongchan­g 2018 und in Peking 2022 gewann Friedrich im Zweier und im Vierer.

Bis dahin steht sehr viel Bob-Alltag auf dem Programm, sehr viele Weltcup-Rennen. Und wahrschein­lich sehr viele Siege für Francesco Friedrich.

„Wahrschein­lich werden unsere Enkelkinde­r vom Bobsport nur noch aus den Geschichts­büchern erfahren.“Francesco Friedrich

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FOTO: IMAGO Der Bob-Winter beginnt, und Siege von Francesco Friedrich dürften weiterhin Alltag im Eiskanal bleiben.

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