Viele Siege, große Sorgen
Bob-Dominator Francesco Friedrich fürchtet um die Zukunft seiner Sportart
(SID) - Es war mal einen Versuch wert. In Winterberg haben sie Francesco Friedrich in einen unförmigen Overall gesteckt, ihm eine asiatische Pfanne unter den Hintern geschnallt und Suppenkellen an die Füße – am Ende war trotzdem alles wie immer. Bei der Wok-WM sei man zwar „eher Passagier als Pilot“, stellte Friedrich fest, gewonnen hat er den TV-Spaß trotzdem. In Rekordzeit natürlich.
Ab dem kommenden Wochenende kämpft Friedrich nun wieder mit gewohntem Gerät um Siege im Eiskanal, im kanadischen Whistler beginnt der Bob-Weltcup, haushoher Favorit auch hier: der viermalige Olympiasieger. Er könnte wirklich äußerst entspannt in die kommenden Monate gehen, doch Friedrich denkt in diesen Tagen weiter – und sorgt sich um die Zukunft. Startet da eine aussterbende Sportart in ihre neue Saison?
„Es wird die Zeit kommen, wo kein Bob mehr fahren wird“, sagte der 32-Jährige zuletzt der Welt am Sonntag. „Wahrscheinlich werden unsere Enkelkinder vom Bobsport nur noch aus den Geschichtsbüchern erfahren.“Eine düstere Prognose, es gibt allerdings durchaus Argumente für diese Sicht der Dinge.
Denn die Rahmenbedingungen wirken allmählich aus der Zeit gefallen. Kilometerlange Betonrinnen müssen in zunehmend milden Wintern vereist werden, das frisst Unmengen an Energie. Am Ende finden in diesen Bahnen dann Wettkämpfe statt, die zwar Weltcup und Weltmeisterschaft heißen – in denen aber nur eine Handvoll Nationen konkurrenzfähig ist.
Mit dem Breitensport haben diese Sportstätten ohnehin nichts zu tun, auch Jugendsport findet zumindest bei den Bobs nicht statt – als Junior gilt man dort bis zum Alter von 26 Jahren, weil die meisten Aktiven erst
spät aus anderen Sportarten überwechseln, besonders aus der Leichtathletik. Und sogar hier sieht Friedrich, ehemaliger Zehnkämpfer, ein Problem, einen schleichenden Bedeutungsverlust: „Es wechseln immer weniger zum Bobsport.“
Es ist nicht so, als hätte nur Friedrich die Zeichen der Zeit erkannt. Der deutsche Schlittenverband BSD will um die gesellschaftliche Relevanz seines Sports kämpfen. So wirbt man offensiv darum, dass
der Wintersport als Ganzes wieder ausschließlich im Winter stattfindet – nicht im Herbst und auch nicht im Frühjahr. Die bei den schweren Regenfällen im Sommer 2021 zerstörte Eisbahn am Königssee soll zudem unter zeitgemäßen Gesichtspunkten wieder aufgebaut werden.
Eine CO2neutrale Sportstätte soll entstehen, die Strom selbst produziert und im Verbrauch deutlich sparsamer ist. BSD-Vorstand Thomas Schwab
nannte die Pläne im SID-Gespräch ein „Leuchtturm-Projekt im Schlittensport“.
All das liegt außerhalb von Friedrichs Kontrolle, der erfolgreichste Bobpilot der Geschichte kann nur mahnen. Und wird dies weiterhin tun, er will ja noch ein paar Jahre dabeibleiben. Die Winterspiele 2026 in Cortina d’Ampezzo sollen ein feierlicher Abschluss der Karriere werden, am besten mit dem dritten DoppelGold in Folge: Schon in Pyeongchang 2018 und in Peking 2022 gewann Friedrich im Zweier und im Vierer.
Bis dahin steht sehr viel Bob-Alltag auf dem Programm, sehr viele Weltcup-Rennen. Und wahrscheinlich sehr viele Siege für Francesco Friedrich.
„Wahrscheinlich werden unsere Enkelkinder vom Bobsport nur noch aus den Geschichtsbüchern erfahren.“Francesco Friedrich