Klappe auf nach Mund zu
Europäische Verbände gehen in Opposition zur FIFA – Katar erlaubt Regenbogenfarben
(SID) - Klappe auf nach Mund zu: Auch nach dem Zeichen der Fußball-Nationalmannschaft verstummt die Kritik an der FIFA nicht. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) berät mit den anderen „Rebellen“über das weitere Vorgehen im Konflikt mit dem Weltverband. Dabei geht es längst nicht mehr nur um das WM-Verbot der „One Love“-Binde. Sogar ein Austritt aus der FIFA steht als ultimativer Schritt im Raum. „Wir haben das in der nordischen Region seit August diskutiert“, sagte der dänische Verbandsboss Jesper Möller zu den Plänen der mit dem DFB verbündeten Skandinavier: „Wir müssen bewerten, was passiert ist, und dann müssen wir eine Strategie entwickeln – auch mit unseren nordischen Kollegen.“
Daran dürfte auch eine Lockerung der bisherigen Restriktionen kaum etwas ändern. Ab Freitag werden die bislang verbotenen Regenbogenfarben zur Unterstützung der LGBTQ+Community in den Stadien erlaubt sein. Dies bestätigte die FIFA auf eine Anfrage des WM-Teilnehmers Wales. Mit Beginn der zweiten Runde der Gruppenphase sollen Anhänger, die ihre Unterstützung für die LGBTQ+Community in den Arenen dokumentieren, dafür nicht mehr vom Sicherheitspersonal behelligt werden. Genau dies war in den vergangenen Tagen mehrfach geschehen.
Dennoch bleibt es dabei, dass sich der norwegische Verband mit FIFAKritikerin Lise Klaveness an der Spitze öffentlich dem DFB angeschlossen hat. Wie der deutsche Verband haben auch die Norweger dem umstrittenen Weltverbandspräsidenten Gianni Infantino die Gefolgschaft auf dem Weg zu seiner Wiederwahl verweigert. Der schwedische Verband erklärte unterdessen, ebenfalls zur FIFA-Opposition zu gehören. „Wir beim NFF vertrauen nicht darauf, dass Infantino der richtige Anführer ist, der uns weiterbringt“, sagte Klaveness. Die 41-Jährige bedauert, dass es aus Europa keinen Gegenkandidaten für die Wahl im März 2023 gibt. Der NFF habe „viele Versuche“unternommen, jemanden zur Kandidatur zu bewegen – doch alle hätten abgelehnt. Sie selbst wollte nicht gegen Infantino antreten, dessen Wiederwahl als sicher gilt.
Das EU-Parlament hat dafür wenig Verständnis. In der Resolution vom Donnerstag wird unter anderem die
unter Korruptionsverdacht stehende WM-Vergabe, der Tod von Gastarbeitern, das sogenannte „Sportswashing“und der Umgang mit der LGBTQ+-Gemeinschaft in Katar angeprangert.
Das Parlament forderte vor allem die EU-Länder mit großen Ligen wie Deutschland auf, Druck auf die FIFA auszuüben. Der Vergabe-Prozess müsse transparenter werden, die Einhaltung der Menschenrechte sollte dabei eine wichtige Rolle spielen. Auch der Entschädigungsfonds für die Angehörigen von verletzten oder gestorbenen Gastarbeitern müsse eingerichtet werden. Bei der Abstimmung trugen zahlreiche Abgeordnete
die „One Love“-Armbinde.
Bernd Neuendorf spricht immerhin noch mit Infantino. Den Austausch mit dem Schweizer rund um das erste WM-Spiel der Nationalmannschaft gegen Japan (1:2) wollte der DFB-Präsident zwar nicht überbewerten, seinen Standpunkt verdeutlichte Neuendorf aber noch einmal. „Vor so einem Spiel redet man nicht über die Konflikte, die man austrägt“, sagte der DFB-Boss im ARD-Morgenmagazin: „In der Sache sind wir aber weiter klar. Das weiß Gianni Infantino auch. Wir sind nicht glücklich mit dem Verhalten der FIFA.“
Neuendorf betonte dabei das Gewicht
des größten Einzelsportverbands der Welt: „Wir dürfen von so einem großen Verband erwarten, dass er mit dem allergrößten Verband (Einzelsportverband, d.Red) – nämlich dem DFB – ordentlich umgeht.“
Ob es überhaupt noch einen Umgang mit der FIFA geben sollte, wird allerdings nicht nur von den Skandinaviern infrage gestellt. Die Nachhaltigkeitsinitiative „Sports for Future“hat den DFB zum Austritt aus der FIFA aufgefordert und „die Gründung einer alternativen globalen Vereinigung“ins Spiel gebracht. Zudem sollten die Sponsoren ihre Partnerschaft mit dem Weltverband beenden.
Soweit will Uli Hoeneß zwar nicht gehen. Dennoch möchte auch der Ehrenpräsident des deutschen Rekordmeisters Bayern München, der den DFB für sein Einknicken im „One Love“-Streit kritisierte, Infantino am liebsten loswerden. „Sie haben nicht den Mut gehabt, der FIFA die Stirn zu zeigen“, sagte Hoeneß bei RTL. „Das wäre dringend notwendig gewesen, denn für mich ist Gianni Infantino eine große Katastrophe für den Weltfußball, und da wäre eine wunderbare Chance gewesen, ihm zu zeigen: Bis hierher und nicht weiter.“