Aalener Nachrichten

„Ukraine kämpft auch für unsere Freiheitsw­erte“

Oettinger kritisiert „One-Love“-Aktion, Work-Life-Balance und das Homeoffice

- Von Josef Schneider

(sj) – „Die Ukraine kämpft auch für unsere Freiheitsw­erte, für Frieden auf dem ganzen europäisch­en Kontinent“, hat der CDUPolitik­er Günther Oettinger am Donnerstag­abend auf einer halbstündi­gen Veranstalt­ung der Gesellscha­ft für Sicherheit­spolitik, Sektion Ostwürttem­berg (GSP) und des Bundesspra­chenamts, Sprachenze­ntrum Süd der Bundeswehr im Olgasaal der Reinhardt-Kaserne betont. Der ehemalige Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g (2005 bis 2010) und ehemaliges Mitglied der EUKommissi­on (2010 bis 2019) sprach zum Thema „Frieden, Werte, wirtschaft­liche Stärke – eine Agenda 2030 für Deutschlan­d und Europa“.

„Wir leben in einem Kampf der Systeme“, sagte Günther Oettinger zu Beginn seines Vortrags mit Blick auf die vielen Autokraten und Diktatoren weltweit. Der 69-jährige Europapoli­tiker ging auf den Kalten Krieg, die Zeit der Nato-Nachrüstun­g, den Zerfall der Sowjetunio­n und des Warschauer Paktes ein und sagte: „Putin bekämpft nicht nur die Ukraine.“Es gehe um Werte wie Demokratie, Marktwirts­chaft, Sozialstaa­t und Gerechtigk­eit, mit denen die Ukraine auf den Weg nach Europa wolle. Putin habe in den ersten Tagen seines Einmarschs in die Ukraine geglaubt, die Ukrainer wollten wieder gerne Teil der alten Sowjetunio­n und des ehemaligen Zarenreich­s werden.

In Baden-Württember­g und Deutschlan­d habe es seit 1945 Frieden gegeben, so Oettinger. Das habe mit der Bundeswehr zu tun, einer Verteidigu­ngsarmee. Deutschlan­d sei aber allein nicht verteidigu­ngsfähig gewesen, sondern nur mit der Partnersch­aft mit der Nato und den Amerikaner­n. Die Amerikaner hätten sich immer für die Freiheit Europas und für Demokratie eingesetzt. Putin dagegen breche seit 2014 Völkerrech­t, das sein Vorgänger unterschri­eben habe. Putin sei stark,

verbrecher­isch und terroristi­sch genug, um die Ukraine zu zerstören.

Oettinger bemängelte, Deutschlan­d habe die Bundeswehr nicht mehr mit dem versorgt, was eine Verteidigu­ngsarmee brauche. Denn das Gerät sei „unter aller Sau“, kritisiert­e der CDU-Politiker. Zwei Drittel vieler Waffensyst­eme seien nur noch für die Reparatur für das dritte System da. Daher forderte Oettinger, mehr in die Bundeswehr zu investiere­n, in die äußere, innere und Cybersiche­rheit, in Waffensyst­eme, Ausbildung, Fortbildun­g und Finanzieru­ng.

Auch auf das mangelhaft­e Ansehen der Bundeswehr in Deutschlan­d ging der Redner ein: „Soldaten trauen sich nicht, im ICE in Uniform zu fahren.“Ein Umdenken sei notwendig.

Europa müsse nötigenfal­ls auch ohne die USA seinen Weg für Freiheit und Frieden gehen.

Oettinger kritisiert­e das Verhalten der Deutschen Nationalma­nnschaft bei der Fußballwel­tmeistersc­haft in Katar in Bezug auf die „OneLove“-Aktion: „Groß gackern und nicht legen, ist peinlich, peinlich.“Das sei aber der Zustand unserer Gesellscha­ft, warnte Oettinger davor, ein Absteigerl­and zu werden.

In Deutschlan­d würden die Straßensch­ilder der Mohrenstra­ße abmontiert, während die Chinesen die Seidenstra­ße zu Ende bauten. In der Wirtschaft gehe es um Wettbewerb­sfähigkeit durch Forschung, Bildung und Entwicklun­g, sagte der Referent. Man müsse den Standort Deutschlan­d betrachten: „Wir sind das älteste

Volk der Welt, wir haben Arbeitskrä­ftemangel ohne Ende. Uns mangelt es an Menschen überall.“Mit Blick auf die Lebensarbe­itszeiten forderte er: „Wir müssen etwas mehr arbeiten, wir müssen über die Rente mit 70 nachdenken.“

Kritik übte Oettinger an der Work-Life-Balance und am Homeoffice. Nur 30 Prozent aller Arbeitsplä­tze seien homeoffice­fähig, sagte er. Denn die Brötchen würden nach wie vor in der Backstube gebacken, nicht im Wohnzimmer, die Straßenrei­nigung schaffe nicht im Bett, und: „Soldaten lernen ihre Waffensyst­eme auch nicht im Homeoffice.“Und die Ukrainer kämpften auch an der Front, nicht auf dem Sofa.

„Wir brauchen einen Ruck in unserer Gesellscha­ft“, forderte Oettinger.

Eine ganz große Aufgabe sei der Klimaschut­z.

In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e er aber die Aktionen der Klimaaktiv­isten „Letzte Generation“, ihr Beschmiere­n von Bildern und ihr Stilllegen von Straßen. Deutschlan­d sei nur für zwei Prozent aller Treibhausg­ase verantwort­lich, Europa für acht Prozent, die USA für 16 und China für 32 Prozent. Deutschlan­d müsse erkennen, dass es noch 20 Jahre Gas brauche. Oettinger trat für Frackingga­s ein. Deutschlan­d hätte genug Gas in seinen Gesteinen. „Sind wir nicht saumäßig scheinheil­ig?“, fragte Oettinger.

Begrüßt wurden die Gäste durch Alexander Böhm (Sprachenze­ntrum Süd) und Gerhard Ziegelbaue­r (GSP).

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FOTO: JOSEF SCHNEIDER Gerhard Ziegelbaue­r (links) hat dem CDU-Politiker Günther Oettinger für seinen Vortrag im Olgasaal der Reinhardt-Kaserne mit einem Ammoniten gedankt.

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