Ausländischen Fachkräften soll Einwanderung erleichtert werden
Bundesregierung will den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt vereinfachen – Wirtschaftsvertreter begrüßen Ampel-Pläne
- Seit Jahren klagen Unternehmen und Betriebe über fehlende Fachkräfte und Nachwuchsmangel. Die Situation dürfte sich spätestens verschärfen, wenn die sogenannte Babyboomer-Generation in Rente geht. Auch wenn in erster Linie die Wirtschaft für die Sicherung ihrer Fachkräfte zuständig ist, will die Politik nun mit einem weiteren Schritt helfen. Die Bundesregierung plant ein neues Einwanderungsgesetz. Zum vereinfachten Zuzug von ausländischen Fach- und Arbeitskräften liegt ein Eckpunktepapier vor, an dem zahlreiche Ministerien beteiligt waren und das an diesem Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll.
Laut dem Papier soll die Einwanderung auf drei Säulen ruhen: beruflich qualifizierte sowie erfahrene Personen und diejenigen mit besonderem Potenzial. Für die Fachkräftesäule ist mehr Flexibilität bei der Arbeitsausübung geplant. Qualifikation kann auch für eine Beschäftigung in anderen Berufsfeldern eingebracht werden. Ebenso will die Ampel die Bildungsmigration stärken, also dass Menschen zur Berufsausbildung oder für ein Studium nach Deutschland kommen und hier bleiben.
Auch für Drittstaatler mit ausreichender Berufserfahrung soll die Einwanderung erleichtert werden. Mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein in ihrem Herkunftsland staatlich anerkannter mindestens zweijähriger Berufsabschluss seien Voraussetzungen; in nicht reglementierten Berufen muss der Abschluss künftig in Deutschland nicht formal anerkannt sein. So werden explizit berufserfahrene IT-Spezialisten im Papier genannt, bei denen auf den
Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet wird. Ebenso soll es die Möglichkeit geben, die Anerkennung des Berufsabschlusses durchzuführen, wenn die Person schon in Deutschland ist und die Arbeitsstelle bereits angetreten hat. Einfachere und kürzere Verfahren – dieses Ziel zieht sich durch das Papier.
Ein zentrales Vorhaben ist zudem die Einführung einer „Chancenkarte“, die auf einem Punktesystem, ähnlich wie es Kanada hat, basiert. Diese sollen Menschen mit besonderem Potenzial, also Faktoren wie Qualifikation, Sprachkenntnissen, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter, nutzen können, die noch keinen deutschen Arbeitsvertrag haben. Die „Chancenkarte“erleichtere die Arbeitsplatzsuche und biete Möglichkeiten für Probearbeiten oder Nebenbeschäftigung, heißt es weiter.
Neben dem „Drei-Säulen-Modell“behält sich die Ampel vor, akutem Arbeitskräftemangel durch eine Marktöffnung für Menschen ohne spezielle Qualifikationsanforderungen zu begegnen. Diese Maßnahme soll aber über Kontingente und Befristung geregelt werden. Der erleichterte Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte ist Teil der Fachkräftestrategie der Bundesregierung, die sie im Oktober vorlegte.
In der Wirtschaft werden die Ampel-Pläne mit Wohlwollen begleitet. „Die Bundesregierung tut gut daran, wichtige Stellschrauben des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes neu zu justieren. Noch dauert vieles zu lange, ist zu kompliziert oder die Einwanderung scheitert gar“, sagt Christian Erbe, Präsident des badenwürttembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) der „Schwäbischen Zeitung“. Erbe verweist auf aktuelle Umfragen in der
Südwest-Wirtschaft, nach denen der Fachkräftemangel mittlerweile das zweitgrößte Geschäftsrisiko der Betriebe darstellt. „Weil Arbeitskräfte fehlen, müssen Unternehmen immer öfter Aufträge ablehnen. Aus Sicht der Wirtschaft muss deshalb die Einwanderung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Drittstaaten deutlich vereinfacht und der Zuzug beschleunigt werden“, so Erbe.
Anfang der Woche hatte auch die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, deutlich mehr Zuwanderung nach Deutschland gefordert. „Es gibt wegen des demografischen Wandels kein Szenario, wo wir ohne größere Einwanderung auskommen“, sagte Nahles der „Süddeutschen Zeitung“. Deutschland sei ein Einwanderungsland und brauche im Saldo 400.000 zusätzliche Arbeitsund Fachkräfte im Jahr.
Sowohl Nahles als auch BWIHKPräsident Erbe drängen vor allem auf eine schnellere Visa-Vergabe. Dazu müssten die Abläufe der beteiligten Behörden zügiger, reibungsloser und digitaler funktionieren. Die Chefin der Arbeitsagentur mahnte zugleich, auch das inländische Potenzial an Arbeitskräften, insbesondere Frauen in Teilzeit und junge Menschen mit Migrationshintergrund, besser auszuschöpfen.