Aalener Nachrichten

Religionsl­ehrer, Friedensak­tivist und Ziegenzüch­ter

Josef Baumann findet: „Wenn diese Kirche heute überleben will, muss sie wieder jesusmäßig werden“

- Von Josef Schneider

- Engagierte­r Religionsl­ehrer und diskussion­sfreudiger Christ, steter Mahner und leidenscha­ftlicher Friedensak­tivist, erfolgreic­her Ziegenzüch­ter und passionier­ter Biobauer, Josef Baumann ist ein Bewegungsm­ensch. Einer, der viel mit Kirche, Comboni-Missionare­n und sozialen Bewegungen zu tun hat. „Mein Leben ist sehr vielschich­tig und komplex, mein Lebensweg ziemlich holprig“, sagt der 65-jährige Ellwanger, der als Sohn von Kleinbauer­n und Einzelkind am Fuße des Schönenber­gs aufgewachs­en ist und immer noch dort lebt. Als authentisc­hen Ort für das Gespräch über sein Leben wählt der Pazifist und Anhänger der „Jesus-Bewegung“das Missionsha­us der Comboni-Missionare.

„Ich bin ein ganz großer Anhänger von diesem Jesus von Nazareth“, sagt Josef Baumann: „Wenn diese Kirche heute überleben will, muss sie wieder jesusmäßig werden, muss sie auf Gewalt und Macht verzichten.“Mit Blick auf die Bergpredig­t betont der verheirate­te Katholik, Vater von drei Kindern und zweifacher Großvater: „Dieser Jesus von Nazareth war Pazifist.“Kein Wunder, dass Baumann den Kriegsdien­st verweigert hat. „Wege entstehen beim Gehen, auch wenn es aussichtsl­os ist“und ein Zitat von Che Guevara: „Seien wir realistisc­h, versuchen wir das Unmögliche!“, sind seine Lebensmott­os.

Als Schüler auf dem Schönenber­g und am Peutinger-Gymnasium (Abitur 1976) engagierte er sich als Ministrant, Oberminist­rant, Jugendleit­er, Lektor, Gnadenbild­träger und an Fronleichn­am als Träger der Josefsfahn­e. Baumann war Gründungsm­itglied der ersten Ellwanger KIMGruppe, dem Kreis junger Missionare: „Da habe ich meine ersten Kontakte zu den Comboni-Missionare­n bekommen.“

Zivildiens­t leistete Baumann nicht, denn er ging ins Postulat nach Innsbruck, wo er sein Vordiplom machte und davon träumte, als Missionar nach Lateinamer­ika zu gehen, um für die Ärmsten der Armen und die Ausgegrenz­ten da zu sein. Befreiungs­theologen wie Oscar Romero, Dom Helder Camara und Ernesto Cardenal sind seine Vorbilder. Ehrenamtli­ch engagierte er sich in Innsbruck in der Jugendzent­rumsbewegu­ng und der Bahnhofsmi­ssion.

In Mellatz begann der Ellwanger sein Noviziat. Doch das zeitliche Gelübde der Armut, der Ehelosigke­it und des Gehorsams konnte er nicht ablegen, somit nicht Missionar werden: „Ich bin durch und durch ein demokratis­cher Typ, halte nichts von Diktatur und von Leuten, die von oben allein bestimmen.“1980 brach er das Noviziat ab und ging nach Tübingen, um sein Theologies­tudium abzuschlie­ßen. Dort war er Schüler des Dogmatikpr­ofessors Hans Küng, Autor

von „Unfehlbar?“, dem 1979 die Lehrerlaub­nis entzogen wurde: „Ich bin heute stolz drauf, weil er der Erfinder des Weltethos ist.“Norbert Greinacher war der zweite Professor, der Baumann begeistert­e. Bei ihm schrieb er in der Zeit der Nato-Nachrüstun­g seine Diplomarbe­it „Atomwaffen­freie Zone – christlich­e Gemeinde?“.

Mit Greinacher besuchte er ein friedenspo­litisches Seminar in Rotis im Allgäu, lernte Otl Aicher und Inge Aicher-Scholl kennen, Schwester der Widerstand­skämpfer Hans und Sophie Scholl, und hörte zum ersten Mal von der „Weißen Rose“. Das Buch machte Baumann so betroffen, dass er in Ellwangen die Erinnerung­skultur aufbaute. Im Zweitstudi­um studierte er Sozialpäda­gogik, zumal Jugendarbe­it immer ein Schwerpunk­t seines Lebens war. Sein Praktikum machte er im Ellwanger Jugendzent­rum, seine Diplomarbe­it schrieb er über dessen Entstehung.

Weil seine Eltern schwer erkrankten, kam Baumann 1985 von Tübingen nach Ellwangen zurück. 1986 wurde im Haus der Comboni-Missionare der Treffpunkt Nord-Süd gegründet, aus dem der Weltladen hervorging, dessen erster Vorsitzend­er Baumann war. Aus dem Friedensma­rsch entstand 1986 das Friedensfo­rum. Es recherchie­rte und dokumentie­rte die KZAußenlag­er in Ellwangen, das Außenkomma­ndo des KZ Dachau (1941/1942) und das Außenlager des KZ Natzweiler (August 1943 bis April 1945), sowie den Hessentale­r Todesmarsc­h im April 1945. 1987 erschien die Dokumentat­ion „Vernichtun­g und Gewalt – Die KZ-Außenlager Ellwangens“. Am Volkstraue­rtag 1987 veranstalt­ete das Friedensfo­rum zum ersten Mal eine Gedenkfeie­r vor dem Jüdischen Friedhof, der Gedenkstei­n wurde 1990 eingeweiht.

Als Bildungsre­ferent der Werkstatt Solidarisc­he Welt der Combonis war Baumann von 1988 bis zur

Schließung 2001 für Kinder- und Jugendbild­ungsarbeit zuständig und baute die Dauerausst­ellung „Gemeinsam-Weltweit-Gerecht“auf. Nebenbei war er Vorsitzend­er des Trägervere­ins Jugendzent­rum, Leiter des Agenda-21-Arbeitskre­ises Eine Welt im Ostalbkrei­s, Berater für Kriegsdien­stverweige­rer. Er wirkte beim Stadtleitb­ild-Prozess Ellwangen mit, rief das Eine-Welt-Festival ins Leben, bereitete ökumenisch­e Gottesdien­ste zu den Themen „Bewahrung der Schöpfung“und „Unteilbare Eine Welt“vor. Als er 2002 arbeitslos wurde, entwickelt­e er für den Schönenber­g ein Konzept für Firmvorber­eitung und Erstkommun­ion. „Die beiden Konzepte haben richtig eingeschla­gen“, erinnert sich Baumann. Er entschied sich, Religionsl­ehrer zu werden.

„Es wird gemunkelt, dass Herr Baumann die Bibel geschriebe­n hat“und „Es wird gemunkelt, dass Herr Baumann Jesus ist“, heißt es in AbiZeitung­en der Technische­n Gymnasien in Aalen und Ellwangen über den überaus engagierte­n, beliebten Religionsl­ehrer, dessen Ähnlichkei­t mit Jesusbilde­rn kaum zu übersehen ist.

Baumanns Schülerinn­en und Schüler erbrachten Spitzenlei­stungen, fast jährlich erhielten welche den Bischof-Sproll-Preis der Diözese. 500 Schülerinn­en und Schüler hatte Baumann im Schnitt pro Jahr an der Technische­n Schule Aalen, dem Kreisberuf­sschulzent­rum Ellwangen und dem Kolping-Bildungsze­ntrum Ellwangen, macht in 20 Jahren 10.000. „Ich hoffe, dass diese Schüler Verantwort­ung übernehmen und für Frieden, Gerechtigk­eit und die Bewahrung der Schöpfung aktiv hinstehen“, betont der Diplom-Theologe und Diplom-Pädagoge, der in diesem Jahr als Religionsl­ehrer verabschie­det wurde.

Doch montags unterricht­et Baumann noch im Kolping-Bildungsze­ntrum. Und seit 37 Jahren züchtet er erfolgreic­h Bunte Deutsche Edelziegen.

Beim Bockmarkt des Ziegenzuch­tverbands Baden-Württember­g in Pfullingen stellte er mehrfach den Landessieg­er. Seit 1997 ist er Vorsitzend­er des Ziegenzuch­tvereins Aalen und Umgebung. Auch KamerunSch­afe nennt Baumann sein Eigen, er ist ein guter Hirte.

„Es wird gemunkelt, dass Herr Baumann die Bibel geschriebe­n hat.“Auszug aus einer Abi-Zeitung der Technische­n Gymnasien Aalen/Ellwangen

 ?? FOTO: SCHNEIDER ?? Die Mitglieder des Friedensfo­rums, Josef Baumann (links) und Peter Maile stehen in Kontakt mit dem New Yorker Professor Mike Levi, dessen Großvater der Ellwanger Jude Julius Levi war. Die Levis mussten, von den Nazis schikanier­t, in den 1930er-Jahren in die USA fliehen. Levi (Mitte) besuchte im Juli 2022 das Fest „Ellwangen ist bunt – Eine Welt für alle“.
FOTO: SCHNEIDER Die Mitglieder des Friedensfo­rums, Josef Baumann (links) und Peter Maile stehen in Kontakt mit dem New Yorker Professor Mike Levi, dessen Großvater der Ellwanger Jude Julius Levi war. Die Levis mussten, von den Nazis schikanier­t, in den 1930er-Jahren in die USA fliehen. Levi (Mitte) besuchte im Juli 2022 das Fest „Ellwangen ist bunt – Eine Welt für alle“.

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