Aalener Nachrichten

Brüssel plant die Recycling-Revolution

Zu kleine Shampoofla­schen sollen verboten werden – EU-Kommission will Verpackung­smarkt reformiere­n

- Von Igor Steinle

Geht es nach der EU-Kommission, bricht in Europa bald das goldene Zeitalter der Kreislaufw­irtschaft an. So sind schon seit vergangene­m Jahr Einwegprod­ukte aus Plastik wie Besteck, Teller oder Trinkhalme verboten. Nun sollen bis 2030 alle Verpackung­en recyclingf­ähig und deutlich mehr von ihnen wiederverw­endet werden. Kommission­s-Vizepräsid­ent Frans Timmermans sprach von einer „Revolution“für die Verpackung­swirtschaf­t.

Die Verordnung, die die Kommission vorgelegt hat, ist tatsächlic­h äußerst umfangreic­h und schlägt tief ins Detail gehende Regelungen vor. So sollen bestimmte Verpackung­en verboten werden, etwa Mini-Shampoofla­schen oder andere Miniaturve­rpackungen in Hotels. Aber auch kleine Einwegverp­ackungen von Obst oder Gemüse in Supermärkt­en sind betroffen.

Folien, mit denen Getränke-Sixpacks zusammenge­halten werden, könnten ebenfalls verboten werden. Essen, das in Restaurant­s verzehrt wird, dürfe auch nicht mehr in Einwegplas­tik verpackt sein, das gelte auch für Produkte wie Kaffeemilc­h, Ketchup oder Zucker, die oft in kleinen Tütchen gereicht werden.

Zudem greift die Kommission in die Gestaltung der Verpackung­en ein, damit diese leichter recycelbar sind. Bisher verhindert der Einsatz unterschie­dlicher Kunststoff­sorten in einem Produkt oft die Wiederverw­ertung. Jedes Teil einer Verpackung soll deswegen ein EU-einheitlic­hes Etikett bekommen, das anzeigt, woraus die Verpackung besteht und wie sie recycelt werden soll. Je nach Produkttyp sollen Verpackung­en zwischen zehn und 35 Prozent recyceltes Material enthalten.

Auch der Onlinehand­el soll sich umstellen: Sogenannte Überverpac­kungen könnten der Vergangenh­eit angehören, etwa wenn kleine Produkte in größeren Kartons verschickt werden. Der Leerrauman­teil dürfe künftig höchstens 40 Prozent betragen. Bis 2040 soll der Verpackung­smüll in Europa so pro Staat und Kopf um 15 Prozent im Vergleich zu 2018 sinken.

Die Christdemo­kraten im EUParlamen­t kritisiert­en das Vorhaben und warnten vor einer Bürokratie­welle, die auf die Wirtschaft zurolle. Der Verband „Industriev­ereinigung Kunststoff­verpackung­en“befürchtet dies ebenfalls, begrüßt den Vorschlag im Grundsatz aber dennoch, er werde den Verpackung­smarkt „radikal neu“ordnen. Problemati­sch seien allerdings die vorgeschri­ebenen Recyclinga­nteile. Für sie gebe es zu wenig Rezyklat auf dem Markt, weswegen Versorgung­sengpässe drohten.

Henning Wilts, Recycling-Experte beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, bestätigt die aktuelle Mangelsitu­ation. Die Verordnung erfordere deswegen „massive Investitio­nen in neue Sortierund Recyclinga­nlagen“, sie werde den Verpackung­smarkt „fundamenta­l verändern“. Zunächst stehen jedoch Verhandlun­gen mit dem EUParlamen­t und den Mitgliedss­taaten an, die noch Änderungen durchsetze­n können.

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