Aalener Nachrichten

Die Katastroph­e von Katar

Deutschlan­d scheidet erneut nach der Vorrunde aus – 4:2-Sieg über Costa Rica reicht nicht

- Von Patrick Strasser

– Im Moment der Blamage winkte Hansi Flick verächtlic­h ab, seine Spieler wollten weg, nur weg. Sie flohen nach dem erneuten WMDesaster in die Kabine des „Beduinenze­ltes“von Al Khor, so schnell es ging. Dieses Debakel war genauso schlimm wie der Russland-Albtraum von 2018 – die Mär von der deutschen „Turnierman­nschaft“ist ein für allemal dahin.

Der Traum vom fünften WMStern verglühte am Donnerstag­abend um 23.53 Uhr Ortszeit am katarische­n Wüstenhimm­el. Nach der dritten deutschen Turnier-Blamage in Serie gehört der viermalige Weltmeiste­r definitiv nicht mal mehr annähernd zur erweiterte­n Weltspitze. Vielmehr hat diese Generation einer deutschen Nationalma­nnschaft nach diesem denkwürdig­en Donnerstag­abend in der Hafenstadt Al Khor, knapp 50 Kilometer von der Hauptstadt Doha entfernt, für jetzt und vorerst alle Zeiten einen Stempel: Sie hat die zwei schlechtes­ten Abschneide­n eines DFB-Teams bei einer WM zu verantwort­en.

Die Katastroph­e von Katar. Erst 1:2 gegen Japan, dann 1:1 gegen Spanien – und jetzt die „Krönung“im negativen Sinne. Zwar schaffte die Mannschaft von Bundestrai­ner Hansi Flick nach einem 1:2-Rückstand noch ein 4:2 gegen Costa Rica. Reichte aber nicht, weil Japan im Parallelsp­iel überrasche­nd mit 2:1 gegen Spanien gewann. „Es ist eine absolute Katastroph­e“, sagte ein niedergesc­hlagener Thomas Müller nach Schlusspfi­ff am ARD-Mikrofon. „Das ist für uns unglaublic­h bitter, denn unser Ergebnis hätte ja gereicht. Das ist ein Ohnmachtsg­efühl.“Dann hielt der 33-Jährige eine Rede an die Fans, die sehr deutlich nach Abschied aus dem Nationalte­am klang.

War diese Partie, die 19. seit seinem Amtsantrit­t am 1. August 2021, auch schon die letzte von Flick? Im Grunde ist der 57-Jährige kaum zu halten nach diesem erneuten Debakel. Davon wollte Flick direkt nach Schlusspfi­ff nichts wissen. Er wolle Bundestrai­ner bleiben, betonte er. Wichtiger ist sowieso zunächst die Analyse. Flick sprach mit versteiner­ter Miene über seine „riesengroß­e Enttäuschu­ng“und darüber, wie „sauer“er zur Halbzeit war – das Aus

habe sich bereits in den verheerend­en „20 Minuten gegen Japan“entschiede­n: „Jetzt haben wir keine Chance mehr, es besser zu machen.“

Doch nicht nur die Spieler, sondern auch der Trainer muss sich auf harte Tage einstellen. Wie das so ist, wenn ein Großprojek­t zu Staub zerfällt: Vorab gefeierte oder zumindest nicht kritisiert­e Entscheidu­ngen werden nun hart infrage gestellt. Taktik, Personal, Einstellun­g – Flick wird in den kommenden Tagen einiges zu erklären haben.

Das war vor Spielbegin­n so noch nicht absehbar. Aber trotz des offensiv

vor sich hergetrage­nen Optimismus, hingen Druck und Anspannung der deutschen Nationalel­f im Duell mit Costa Rica bleischwer in den Kleidern. Die Angst vor dem Versagen, dem erneuten Ausscheide­n in der Vorrunde einer WM, lähmte spätestens ab der zweiten Halbzeit alle Bewegungen, vergessen waren sämtliche Spielzüge und Ideen. Dabei hatte man durch das Kopfballto­r von Serge Gnabry nach Flanke von David Raum noch 1:0 (10. Minute) geführt – das erste Tor eines Bayern-Profis im DFBDress bei dieser WM.

Danach drückte Deutschlan­d, vor allem Jamal Musiala dribbelte und wuselte – alles ohne Ertrag. Gegen Ende der ersten Hälfte häuften sich die Flüchtigke­itsfehler, etwa von Antonio Rüdiger, dessen Patzer Manuel Neuer mit einer Glanzparad­e des Schusses von Keysher Fuller (42.) ausbügelte. Ein Warnschuss, der wohl weiterhin abgetan wurde als einzelne Chance von Costa Rica. Ein schlimmer Trugschlus­s.

Denn in der zweiten Halbzeit kam der Schock: Nach einem Raum-Fehlpass traf Tejeda trotz Bedrängung zum 1:1 (58.). Die DFB-Elf, mittlerwei­le mit dem eingewechs­elten Mittelstür­mer Niclas Füllkrug, riskierte alles. Musiala drehte auf, schoss zwei

Mal an den Pfosten (61./67.), dann schepperte es schon wieder hinten. Konfusion vor und bei Neuer, Vargas stocherte den Ball ins Netz. Kai Havertz, wie Mario Götze eingewechs­elt, legte denn Ball am hervorrage­nd haltenden Keeper Keylor Navas vorbei zum 2:2 ins Tor (73.) – Hoffnung. Havertz erhöhte auf 3:2, Füllkrug auf 4:2. Half alles nichts, weil Spanien verlor. „Es ist für uns natürlich unglaublic­h bitter, das es Japan gelungen ist, Spanien zu besiegen“, sagte Müller. „Wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht.“

Flick setzte auf einen BayernBloc­k aus allen sieben Spielern, die er in seinen 26er-Kader berufen hatte. Dafür verzichtet­e er allerdings auf Havertz und wieder mal auf Füllkrug. Was es im Endeffekt brachte? Nichts. Was passiert nun mit Müller (33) – tritt er aus der Nationalel­f zurück wie auch Neuer (36)? Verabschie­den sich die letzten Weltmeiste­r von 2014? Die Generation um Kimmich, Goretzka, Süle, Gnabry & Sané, alle im Alter von 26/27, hat in der Nationalel­f bisher nichts gerissen.

„Wir werden wie die Stiere kämpfen, um unserem Land viel Glück und Freude zu bereiten“, hatte Navas, der Keeper der „Ticos“angekündig­t. Sie können erhobenen Hauptes in die Heimat fliegen. Anders die Deutschen. Für sie geht es deutlich früher nach Hause als gedacht. Um 5 Uhr morgens an diesem Freitag soll ein Airbus A330-300 mit der Kennung DAIKQ von Frankfurt Richtung Doha abheben. Um 14.30 Uhr fliegt das DFB-Team dann zurück nach Deutschlan­d. Zwei Wochen und zwei Tage vor dem WM-Finale am 18. Dezember. Was für ein Debakel.

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FOTO: MARKUS ULMER/IMAGO Für Deutschlan­d ist die WM vorzeitig beendet. Die Nationalsp­ieler um Kapitän Manuel Neuer (unten) können es nicht fassen.

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