Wenn das Erbe zu teuer wird
Auf Immobilienerben kommen 2023 höhere Steuern zu – Wie sich Betroffene dem Zugriff des Fiskus erwehren
- Eine Immobilie zu erben oder geschenkt zu bekommen kann ab Januar ein teures Vergnügen werden. Schuld daran sind Änderungen im Jahressteuergesetz, die der Bundestag Ende vergangener Woche beschlossen hat und die vom Bundesrat am 16. Dezember aller Voraussicht nach durchgewunken werden. Diese Änderungen können dazu führen, dass deutlich höhere Erbschaftund Schenkungsteuern fällig werden – laut dem Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland um gut 20 bis 30 Prozent, in manchen Fällen sogar noch mehr. Doch es gibt Lösungen, den hohen Erbschaft- und Schenkungsteuern zu entgehen.
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurden nicht etwa höhere Steuersätze beschlossen, sondern die steuerliche Bewertung von Immobilien an die aktuelle Marktlage angepasst. Schließlich sind viele Häuser und Wohnungen besonders in den städtischen Regionen in den vergangenen Jahren stark im Wert gestiegen. In der Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde das aber bislang nicht berücksichtigt. Dass damit Schluss sein soll, hatte schon die Vorgängerregierung mit der Novelle der Immobilienwertermittlungsverordnung im Sommer 2021 festgelegt. Im Jahressteuergesetz wurden diese Änderungen nun für die Erbschaft- und Schenkungsteuer nachvollzogen.
Wie eine Immobilie bewertet wird, hängt zunächst einmal von ihrer Nutzung ab. Generell gibt es drei unterschiedliche Verfahren, die sich entweder nach dem Vergleichswert der Immobilie, dem Sachwert oder dem Ertragswert richten. Der Vergleichswert wird vor allem für selbst genutzte Wohnimmobilien verwendet. Für die steuerliche Bewertung eines Hauses zieht man dabei Verkaufspreise von Immobilien in der Umgebung heran oder Werte von den vor Ort ansässigen Immobiliengutachtern.
Das Sachwertverfahren hingegen wird angewendet, wenn es keine Vergleichswerte für das Objekt gibt, zum Beispiel, weil das Haus in einer einsamen Siedlung auf dem Land steht. Das Ertragswertverfahren wiederum wird bei Investmentimmobilien herangezogen – wenn also beispielsweise ein Mietshaus vererbt wird.
Mit dem Jahressteuergesetz werden nun in allen drei Verfahren die Bewertungskriterien verändert. Die Details sind kompliziert, es geht etwa um eine verlängerte Nutzungsdauer einer Immobilie, neue Regionalfaktoren, neue Wertzahlen und
niedrigere Liegenschaftszinssätze. Alle Maßnahmen führen aber letztlich dazu, dass eine Immobilie vielerorts höher bewertet werden dürfte. Die Erbschaftsteuer erhöht sich so schnell um mehrere Zehntausend Euro.
Zwar kann im Erbfall die Steuer vermieden werden, wenn die Immobilie für mindestens zehn Jahre selbst genutzt wird und die Wohnfläche weniger als 200 Quadratmeter beträgt. Doch oft genug passt das mit der Lebensplanung der Erben nicht so recht zusammen.
Beispielberechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zufolge, steigt der Wert eines Einfamilienhauses in guter Lage von derzeit 615.000 Euro auf 968.000 Euro. Unter Abzug des Erbschaftsteuerfreibetrags von 400.000 Euro müsste ein Erbe ab dem kommenden Jahr 353.000 Euro mehr versteuern. „Bei
einem Erbschaftsteuersatz von 15 Prozent sind dann knapp 53.000 Euro mehr Erbschaftsteuern fällig“, rechnet Jürgen Lindauer, Steuerexperte bei KPMG, vor.
Dass die finanzielle Belastung für Erbende im Einzelfall extrem hoch ausfallen könnte, schien weder der damaligen Regierungskoalition noch der aktuellen bis vor Kurzem aufgefallen zu sein. Inzwischen werden erste Stimmen laut, zumindest die Erbschaftsteuerfreibeträge anzupassen. Ehepartner zum Beispiel haben bei einer Erbschaft oder einer Schenkung alle zehn Jahre einen Freibetrag von 500.000 Euro, Kinder von 400.000 Euro und Enkel von 200.000 Euro.
„Es kann und darf nicht sein, dass Kinder das Eigenheim der Eltern verkaufen müssen, weil sie sich die Erbschaftsteuer nicht leisten können“, sagte Bayerns Finanzminister Albert
Füracker (CSU) vor einigen Tagen. Seit 2009 hätten sich die Immobilienpreise beispielsweise in München teils verdoppelt oder verdreifacht. Die persönlichen Freibeträge wurden jedoch seit 13 Jahren nicht angepasst. Höhere Freibeträge, so Füracker, seien das einfachste Mittel, um für Entlastung zu sorgen. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich für höhere Freibeträge bei der Erbschaftsteuer ausgesprochen. „In meinen Augen müssten sie um etwa 25 Prozent angehoben werden“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Doch darauf bauen können Erben nicht, schon gar nicht kurzfristig.
Steuerexperten warnen jedoch davor, voreilig bis Jahresende Übertragungen vorzunehmen. Zumal es Möglichkeiten gibt, auch abseits der Ausnutzung von Freibeträgen, die höhere Erbschaftsteuerlast im kommenden Jahr abzumildern. „Die Übertragung der Immobilie unter Einräumung eines Nießbrauchrechts ist eine“, sagt KPMG-Steuerexperte Lindauer. Dabei behält der Übertragende zum Beispiel das Wohnrecht auf Lebenszeit und muss nicht aus der Immobilie ausziehen. Dieses Nutzungsrecht repräsentiert einen Wert, der vom Gebäudewert abgezogen wird und damit die Steuerlast deutlich verkürzen kann.
Der Übertrag der Immobilie in eine Familien-Personengesellschaft ist
eine andere. „In diesem Fall werden alle zehn Jahre Gesellschaftsanteile in Höhe der jeweils geltenden Freibeträge auf die Generation übertragen, die mit dem Erbe bedacht werden soll“, erklärt Lindauer. Erbschaftsteuern fallen dann gar keine an. Vor allem bei vermieteten Objekten ist das eine Option, kann aber auch bei Oma’s Häuschen von Vorteil sein, wenn der Wert der Immobilie entsprechend hoch ist.
Eine solche Familien-Personengesellschaft ist nicht beurkundspflichtig, wenn sie in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) errichtet wird. „Die Hauptaufgabe besteht dann in der richtigen Gestaltung des Gesellschaftsvertrags“, erklärt Lindauer. Hier sollte man mit einmaligen Kosten zwischen 2000 und 3000 Euro rechnen. Einkalkuliert werden müssen auch laufende Kosten für die jährliche Steuererklärung, die für eine GbR abgegeben werden muss. Wird als Rechtsform eine Kommanditgesellschaft oder eine GmbH gewählt, entstehen laut Lindauer höhere laufende Kosten, etwa für die zusätzliche Erstellung eines Jahresabschlusses. Prinzipiell, raten Steuerexperten wie Lindauer, sollten sich Familien vor einer geplanten Immobilienübertragung anwaltlich beraten lassen, denn es komme immer auch auf die individuellen familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse an.