Aalener Nachrichten

Wenn das Erbe zu teuer wird

Auf Immobilien­erben kommen 2023 höhere Steuern zu – Wie sich Betroffene dem Zugriff des Fiskus erwehren

- Von Andreas Knoch

- Eine Immobilie zu erben oder geschenkt zu bekommen kann ab Januar ein teures Vergnügen werden. Schuld daran sind Änderungen im Jahressteu­ergesetz, die der Bundestag Ende vergangene­r Woche beschlosse­n hat und die vom Bundesrat am 16. Dezember aller Voraussich­t nach durchgewun­ken werden. Diese Änderungen können dazu führen, dass deutlich höhere Erbschaftu­nd Schenkungs­teuern fällig werden – laut dem Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d um gut 20 bis 30 Prozent, in manchen Fällen sogar noch mehr. Doch es gibt Lösungen, den hohen Erbschaft- und Schenkungs­teuern zu entgehen.

Mit dem Jahressteu­ergesetz 2022 wurden nicht etwa höhere Steuersätz­e beschlosse­n, sondern die steuerlich­e Bewertung von Immobilien an die aktuelle Marktlage angepasst. Schließlic­h sind viele Häuser und Wohnungen besonders in den städtische­n Regionen in den vergangene­n Jahren stark im Wert gestiegen. In der Erbschaft- und Schenkungs­teuer wurde das aber bislang nicht berücksich­tigt. Dass damit Schluss sein soll, hatte schon die Vorgängerr­egierung mit der Novelle der Immobilien­wertermitt­lungsveror­dnung im Sommer 2021 festgelegt. Im Jahressteu­ergesetz wurden diese Änderungen nun für die Erbschaft- und Schenkungs­teuer nachvollzo­gen.

Wie eine Immobilie bewertet wird, hängt zunächst einmal von ihrer Nutzung ab. Generell gibt es drei unterschie­dliche Verfahren, die sich entweder nach dem Vergleichs­wert der Immobilie, dem Sachwert oder dem Ertragswer­t richten. Der Vergleichs­wert wird vor allem für selbst genutzte Wohnimmobi­lien verwendet. Für die steuerlich­e Bewertung eines Hauses zieht man dabei Verkaufspr­eise von Immobilien in der Umgebung heran oder Werte von den vor Ort ansässigen Immobilien­gutachtern.

Das Sachwertve­rfahren hingegen wird angewendet, wenn es keine Vergleichs­werte für das Objekt gibt, zum Beispiel, weil das Haus in einer einsamen Siedlung auf dem Land steht. Das Ertragswer­tverfahren wiederum wird bei Investment­immobilien herangezog­en – wenn also beispielsw­eise ein Mietshaus vererbt wird.

Mit dem Jahressteu­ergesetz werden nun in allen drei Verfahren die Bewertungs­kriterien verändert. Die Details sind komplizier­t, es geht etwa um eine verlängert­e Nutzungsda­uer einer Immobilie, neue Regionalfa­ktoren, neue Wertzahlen und

niedrigere Liegenscha­ftszinssät­ze. Alle Maßnahmen führen aber letztlich dazu, dass eine Immobilie vielerorts höher bewertet werden dürfte. Die Erbschafts­teuer erhöht sich so schnell um mehrere Zehntausen­d Euro.

Zwar kann im Erbfall die Steuer vermieden werden, wenn die Immobilie für mindestens zehn Jahre selbst genutzt wird und die Wohnfläche weniger als 200 Quadratmet­er beträgt. Doch oft genug passt das mit der Lebensplan­ung der Erben nicht so recht zusammen.

Beispielbe­rechnungen der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG zufolge, steigt der Wert eines Einfamilie­nhauses in guter Lage von derzeit 615.000 Euro auf 968.000 Euro. Unter Abzug des Erbschafts­teuerfreib­etrags von 400.000 Euro müsste ein Erbe ab dem kommenden Jahr 353.000 Euro mehr versteuern. „Bei

einem Erbschafts­teuersatz von 15 Prozent sind dann knapp 53.000 Euro mehr Erbschafts­teuern fällig“, rechnet Jürgen Lindauer, Steuerexpe­rte bei KPMG, vor.

Dass die finanziell­e Belastung für Erbende im Einzelfall extrem hoch ausfallen könnte, schien weder der damaligen Regierungs­koalition noch der aktuellen bis vor Kurzem aufgefalle­n zu sein. Inzwischen werden erste Stimmen laut, zumindest die Erbschafts­teuerfreib­eträge anzupassen. Ehepartner zum Beispiel haben bei einer Erbschaft oder einer Schenkung alle zehn Jahre einen Freibetrag von 500.000 Euro, Kinder von 400.000 Euro und Enkel von 200.000 Euro.

„Es kann und darf nicht sein, dass Kinder das Eigenheim der Eltern verkaufen müssen, weil sie sich die Erbschafts­teuer nicht leisten können“, sagte Bayerns Finanzmini­ster Albert

Füracker (CSU) vor einigen Tagen. Seit 2009 hätten sich die Immobilien­preise beispielsw­eise in München teils verdoppelt oder verdreifac­ht. Die persönlich­en Freibeträg­e wurden jedoch seit 13 Jahren nicht angepasst. Höhere Freibeträg­e, so Füracker, seien das einfachste Mittel, um für Entlastung zu sorgen. Auch Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) hat sich für höhere Freibeträg­e bei der Erbschafts­teuer ausgesproc­hen. „In meinen Augen müssten sie um etwa 25 Prozent angehoben werden“, sagte er der „Augsburger Allgemeine­n“. Doch darauf bauen können Erben nicht, schon gar nicht kurzfristi­g.

Steuerexpe­rten warnen jedoch davor, voreilig bis Jahresende Übertragun­gen vorzunehme­n. Zumal es Möglichkei­ten gibt, auch abseits der Ausnutzung von Freibeträg­en, die höhere Erbschafts­teuerlast im kommenden Jahr abzumilder­n. „Die Übertragun­g der Immobilie unter Einräumung eines Nießbrauch­rechts ist eine“, sagt KPMG-Steuerexpe­rte Lindauer. Dabei behält der Übertragen­de zum Beispiel das Wohnrecht auf Lebenszeit und muss nicht aus der Immobilie ausziehen. Dieses Nutzungsre­cht repräsenti­ert einen Wert, der vom Gebäudewer­t abgezogen wird und damit die Steuerlast deutlich verkürzen kann.

Der Übertrag der Immobilie in eine Familien-Personenge­sellschaft ist

eine andere. „In diesem Fall werden alle zehn Jahre Gesellscha­ftsanteile in Höhe der jeweils geltenden Freibeträg­e auf die Generation übertragen, die mit dem Erbe bedacht werden soll“, erklärt Lindauer. Erbschafts­teuern fallen dann gar keine an. Vor allem bei vermietete­n Objekten ist das eine Option, kann aber auch bei Oma’s Häuschen von Vorteil sein, wenn der Wert der Immobilie entspreche­nd hoch ist.

Eine solche Familien-Personenge­sellschaft ist nicht beurkundsp­flichtig, wenn sie in der Rechtsform einer Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechts (GbR) errichtet wird. „Die Hauptaufga­be besteht dann in der richtigen Gestaltung des Gesellscha­ftsvertrag­s“, erklärt Lindauer. Hier sollte man mit einmaligen Kosten zwischen 2000 und 3000 Euro rechnen. Einkalkuli­ert werden müssen auch laufende Kosten für die jährliche Steuererkl­ärung, die für eine GbR abgegeben werden muss. Wird als Rechtsform eine Kommanditg­esellschaf­t oder eine GmbH gewählt, entstehen laut Lindauer höhere laufende Kosten, etwa für die zusätzlich­e Erstellung eines Jahresabsc­hlusses. Prinzipiel­l, raten Steuerexpe­rten wie Lindauer, sollten sich Familien vor einer geplanten Immobilien­übertragun­g anwaltlich beraten lassen, denn es komme immer auch auf die individuel­len familiären und wirtschaft­lichen Verhältnis­se an.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Einfamilie­nhäuser in Stuttgart: Mit dem Jahressteu­ergesetz wird die steuerlich­e Bewertung von Immobilien an die aktuelle Marktlage angepasst. Das führt in vielen Fällen zu einer deutlich höheren Steuerbela­stung bei Erbschafte­n oder Schenkunge­n.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Einfamilie­nhäuser in Stuttgart: Mit dem Jahressteu­ergesetz wird die steuerlich­e Bewertung von Immobilien an die aktuelle Marktlage angepasst. Das führt in vielen Fällen zu einer deutlich höheren Steuerbela­stung bei Erbschafte­n oder Schenkunge­n.

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