Ein guter Abschied erleichtert vieles
Sylvia Lang-Häußler vom Mobilen Ökumenischen Hospizdienst berichtet aus nächster Nähe
ELLWANGEN - Sylvia Lang-Häußler ist Physiotherapeutin, geht im Ehrenamt allerdings einer ganz besonderen Tätigkeit nach. Sie ist für den Ambulanten Ökumenischen Hospizdienst in Ellwangen tätig. 2017 hat sie die Ausbildung gemacht, seither begleitet sie Sterbende auf ihrem letzten Weg.
Vor Jahren hatte sie Barbara Sittler kennengelernt. Sittler ist hauptamtlich beim Hospizdienst tätig, koordiniert die Abläufe und ist für die Ehrenamtlichen verantwortlich. Sittler erzählte Lang-Häußler von ihrem Job. „Ich fand das unheimlich spannend. Dazu hatte ich persönliche Erfahrungen mit dem Tod in der Familie gemacht, darunter ein plötzlicher Tod. So bin ich dann zu der Ausbildung gekommen und seitdem dabei“, erinnert sich Lang-Häußler an ihren Start. Die Ausbildung hatte ihr anfängliches Interesse schließlich bestärkt, diese sei sehr hochwertig gewesen. „Vor allem die Bereiche Kommunikation und Gesprächsführung sowie der Umgang mit Trauer fand ich wirklich sehr sinnvoll in der Ausbildung.“Voraussetzungen brauche man keine, um beim Hospizdienst mitwirken zu können, Interesse und Neugierde aber seien keine schlechten Begleiter, sagt Lang-Häußler. Man brauche auch kein besonders dickes Fell, um für den Hospizdienst tätig zu sein. Zumindest sagt das Lang-Häußler. „Schließlich ist doch jeder schon einmal mit dem Tod konfrontiert worden. Der Tod gehört zum Leben dazu“, sagt sie. Sollte Angst oder Respekt vor dieser Tätigkeit bestehen, so würde dies spätestens in der Ausbildung verfliegen, so zumindest war es bei ihr. „Ich bin aber auch überzeugt davon, dass der Umgang mit dem Tod leichter wird, wenn man sich mit diesem bewusst auseinandersetzt.“
Das Begleiten von Sterbenden sei niemals eine Einbahnstraße, denn auch die Begleiter würden stets unheimlich viel mitnehmen aus diesen Begegnungen mit den aus dem Leben scheidenden Menschen. „Man wird ja nicht immer gerufen und dann versterben die Menschen in zwei bis drei Tagen. Man lernt viele Menschen manchmal über Wochen kennen und häufig ist es dann so, dass einen die Patienten beruhigen – und nicht andersherum. Das sind schöne Momente“, sagt Lang-Häußler. Auch, weil sie noch berufstätig ist, ist sie nicht so häufig im Einatz wie andere Kollegen, sagt sie. Sie habe aber einen entscheidenden Vorteil: durch ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin sei es ihr nicht fremd, in fremde Wohnungen zu gehen. Ein Punkt, der durchaus hemmend wirken könnte.
Eine Geschichte ist ihr besonders in Erinnerung geblieben – und zwar nicht als Mitarbeiterin des Hospizdiensts, sondern als Angehörige einer Sterbenden. Die betreffende Person wollte immer 100 werden, das kommunizierte sie stets. Das hat sie schließlich nicht mehr ganz geschafft. Lang-Häußler merkte, wie das tägliche Zeitunglesen immer schwieriger, das Hören schlechter wurde und dass Essen und Trinken ebenfalls nicht mehr richtig funktionierten. Dazu wurde auch die Aussprache immer undeutlicher, erinnert sich Lang-Häußler noch genau. „Mir ist wichtig, dass dieser Weg nicht als schlimmer wahrgenommen wird. Wenn jemand plötzlich stirbt, dann steht man dem Tod fassungslos gegenüber. In solch einer Situation aber, wenn auch die Ärzte mitteilen,
dass der Tod eintreten wird, dann wissen alle Bescheid und dann hat man die Möglichkeit, sich zu verabschieden“, erklärt Lang-Häußler. Bei der Sterbenden, so Lang-Häußler weiter, traten dann mehr und mehr Müdigkeit und Erschöpfung ein. Und es passierte bei all den Begegnungen stets etwas Besonderes, zumindest anfänglich. „Die Angehörige hat stets bei der Verabschiedung ´Behüt Dich Gott!´ gesagt. Normalerweise hätte ich das doch zu der Sterbenden sagen sollen, es war aber immer andersherum. Es war eine ganz besondere Zeit, wertvoll und besonders“, so Lang-Häußler. Es sei nichts von ihr erwartet worden, außer dem „DaSein“, das Begleiten. Das tat sie. Irgendwann war auch ein Händedruck nicht mehr möglich, Blicke konnten nicht mehr ausgetauscht werden, erzählt Lang-Häußler. „Ich konnte aber die Ruhe und Gelassenheit spüren“, so die Physiotherapeutin.
Die Sterbende war in einem Pflegeheim untergebracht und LangHäußler ist auch im Nachgang voll des Lobes über die Mitarbeiter und die Institution als solche. „Die Pflegekräfte waren unglaublich rücksichtsvoll, haben stets gefragt, wie es einem geht oder ob sie noch etwas tun können. Das war wirklich schön“, sagt sie. Und auch der Prozess ihrer Angehörigen, den sie so
ausführlich beschrieben hatte, konnte sie jede Menge Positives abgewinnen. „Sie hat sich Zeit gelassen beim Sterben und hat mir dadurch genügend Zeit gegeben, um mich zu verabschieden“, erklärt Lang-Häußler ihre Gedanken. „Am Ende dann habe ich 'Behüt Dich Gott!’ gesagt. Der Kreis hatte sich für uns geschlossen.“
So einen Prozess würde sie jedem wünschen, sich in der Form von einer sterbenden Person verabschieden zu können. Die Begegnungen mit Sterbenden führten bei Lang-Häußler zur Auffassung, nichts im Leben auf die lange Bank zu schieben. Im Übrigen erklärt sie, dass es für Sterbende gut sei, wenn sie gegen Ende kein Essen und Trinken mehr zu sich nehmen, das verstehe aber nicht jeder. „Der Körper weiß, ab welchem Zeitpunkt er nichts mehr aufnehmen möchte. Der Aufschrei ist dann bei
manchen Angehörigen riesig. Faktisch aber erleichtert es die Atmung – und ist folglich angenehmer für den Sterbenden“, klärt Lang-Häußler auf. Es ist ihre eindrücklichste Geschichte, die sie erlebt hat. Natürlich ist der Tod niemals schön, wenn aber der Abschied ein guter ist für beide Seiten, dann kann sie auch diesem Weg viel Positives entnehmen. Das Wissen rund um den Sterbeprozess, was sie unter anderem durch ihre Ausbildung gelernt hatte, habe ihr bei ihrer Geschichte besonders geholfen – hilft ihr aber auch beim generellen Umgang mit dem Sterben.
„Schließlich ist doch jeder schon einmal mit dem Tod konfrontiert worden. Der Tod gehört zum Leben dazu.“
Sylvia Lang-Häußler
In unserer Serie „Lebensqualität bis zuletzt“begleiten wir Ehrenamtliche des Ambulanten Ökumenischen Hospizdiensts in Ellwangen bei ihrer Arbeit. Der Tod scheint in unserer Gesellschaft immer noch tabuisiert, in dieser Serie wird er zum Thema gemacht. Wer weitere Informationen zum Ambulanten Ökumenischen Hospizdienst wünscht oder sich für die Ehrenamtsarbeit interessiert, kann sich jederzeit unter 07961/9695432 oder via Mail an amb.hospizdienst-ellwangen@web.de melden. Ansässig ist er in der Freigasse 5 (gegenüber der Parkpalette).