„Republikaner wollen die Trump-Jahre hinter sich lassen“
CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter zum Kurs der Konservativen in den USA
RAVENSBURG - Donald Trump möchte erneut Präsident der Vereinigten Staaten werden. Seine Anhänger glauben ihm die Lüge von der „gestohlenen Wahl“– und haben bei den Repubilkanern noch immer viel Einfluss. Bei den Zwischenwahlen hat die Partei ein durchwachsenes Ergebnis eingefahren. Roderich Kiesewetter (Foto: imago), Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, ist dennoch zuversichtlich, dass die Republikaner den Trumpismus hinter sich lassen.
Herr Kiesewetter, die Republikaner waren mal so etwas wie die amerikanische Schwesterpartei der CDU. Was ist davon nach vier Jahren Trump übrig geblieben?
Wir haben natürlich weiterhin gute Verbindungen zu einigen Republikanern. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt Rechtskonservative, es gibt Zentristen. Wir halten Kontakt zu den Gemäßigten. Ich persönlich tendiere in vielen Fragen aber eher zu den Demokraten. Die Republikaner müssen sich noch deutlich erneuern.
Von den gemäßigten Republikanern wurden viele nicht wiedergewählt. Zumindest im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner jetzt die Mehrheit stellen, kommen viele Abgeordnete neu hinzu, die Trumps Lüge von der gestohlenen
Wahl unterstützen.
Ja, aber ich denke schon, dass es den Demokraten gelingen kann, die Vernünftigen unter den Republikanern herauszupicken, und dass diese dann immer wieder mit der demokratischen Minderheit stimmen werden. Mein Eindruck ist aber: Die Republikaner wollen die Trump-Jahre hinter sich lassen. Es ist durchaus ein Wille da, Kompromisse herbeizuführen, nicht immer nur zu blockieren. Da bin ich zuversichtlich. Vielleicht auch zu zuversichtlich.
In Georgia haben die Republikaner im Rennen um einen heiß umkämpften Senatssitz eine Niederlage eingesteckt. Was bedeutet das für die Partei?
Der unterlegene republikanische Kandidat, Herschel Walker, kann getrost als Trumpist bezeichnet werden, was deutlich zeigt, daß die Macht von Donald Trump innerhalb der Partei weiter zurückgeht. Durch den Wahlsieg von Raphael Warnock verfügen die Demokraten nun über eine Mehrheit von 51 zu 49 Sitzen im Senat, was für Präsident Biden das Regieren in einigen Bereichen, beispielsweise bei der Ernennung von Richtern, deutlich einfacher machen wird. Ich hoffe, daß die Republikaner daraus ihre Lehren ziehen und zu ihren Ursprüngen, schließlich sind sie die Partei von so großen Präsidenten wie Lincoln oder Reagan, zurückkehren und sich von der populistischen, antidemokratischen Hetze, für die Trump steht, verabschieden.
Als innerparteilicher Konkurrent von Donald Trump gewinnt der Gouverneur von Florida, Ron de Santis, an Statur. Manche nennen ihn „Trump mit Hirn“. Zu Recht?
Er hat Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl nicht widersprochen, sondern er hat sie geschickt umgangen. Das stört mich. Für die CDU ist außerdem problematisch, dass er zum Teil ultrakonservative Positionen vertritt, etwa bei Abtreibungen. Andererseits: Er ist berechenbarer als Trump und daher für die Amerikaner wählbarer. Er ist außenpolitisch noch ein unbeschriebenes Blatt. Mir kommt es darauf an, dass die Spitzenrepräsentanten der USA ein Herz für Europa haben. Denn eine strategische Autonomie Europas, wie sie etwa Frankreich vorschwebt, können wir uns überhaupt nicht leisten.
Sind die Republikaner denn noch eine Partei der transatlantischen Zusammenarbeit?
Es gibt diese isolationistischen Tendenzen. Aber im Grunde eint uns mit den Republikanern wie auch den Demokraten ein ganz starkes transatlantisches Band. Die Amerikaner haben erkannt, dass sie weltweit Verbündete
brauchen. Und die Europäer merken, dass sie ohne die Amerikaner keinen Stich machen. Allerdings haben die Amerikaner eine höhere Erwartungshaltung an Deutschland, gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Die Amerikaner haben allein zwischen Januar und Oktober 2022 knapp 30 Milliarden Euro an Militärhilfe für die Ukraine ausgegeben. Deutschland dagegen 1,2 Milliarden in dem Zeitraum. Selbst Estland und Lettland geben gemessen am BIP ein vielfaches an Militärhilfe verglichen mit Deutschland. Natürlich erwarten die Amerikaner, dass Deutschland mehr tut.
Der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hat angekündigt, die Ukraine werde keinen Blankoscheck mehr bekommen. Lassen die Republikaner die Ukraine im Stich?
Das sehe ich nicht so. Die Ukraine hatte noch nie einen Blankoscheck. Im Gegenteil, die Amerikaner waren immer sehr zurückhaltend bei den Reichweiten der Artilleriesysteme. Ich denke, McCarthy will eine Botschaft an die Bündnispartner senden: Die Franzosen, die Italiener, die Deutschen können mehr machen. Das gilt nicht nur für die militärische Hilfe. Die Ukraine muss auch gut durch den Winter kommen. Mit Strom, Wasser, dem Aufrechterhalten der kritischen Infrastruktur. Da geht es um eine glaubwürdige Verteilung der Lasten.