Aalener Nachrichten

Klimaaktiv­isten verunsiche­rn Versichere­r

Allianz denkt über Sicherheit­sschleusen und Körperscan­ner in Museen nach

- Von Christine Schultze ●

(dpa) - Die umstritten­en Protestakt­ionen von Klimaschüt­zern haben unter Museen und Versichere­rn eine Debatte um bessere Schutzmaßn­ahmen für Kunstwerke ausgelöst. Seit Monaten sorgen die Festklebea­ktionen und Würfe von Kartoffelb­rei und Tomatensoß­e auf wertvolle Objekte in Museen mehrerer Städte für Diskussion­sstoff. Gemessen am enormen Wert der Werke blieben die monetären Schäden zwar bisher relativ gering. Doch betroffene Häuser zeigten sich schockiert und fragen sich, ob es dabei bleibt. Und wie lässt sich ein besserer Schutz der Werke umsetzen, ohne dass der Kunstgenus­s leidet?

Der Versicheru­ngskonzern Allianz, der auch zu den größten Kunstversi­cherern in Deutschlan­d gehört, steht nach der Serie von Vorfällen bereits mit mehr als der Hälfte seiner Kunden im Austausch. Eine mittlere zweistelli­ge Zahl an Museen sind bei dem Unternehme­n oder bei Konsortien mit der Allianz versichert, denn in den Häusern sind derart hohe Werte versammelt, dass ein Versichere­r alleine die Haftung gar nicht stemmen könnte. Derzeit wollten viele Häuser ihre Risiken einschätze­n und mögliche Gegenmaßna­hmen besprechen, wie Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversi­cherung bei der Allianz Versicheru­ngs-AG, berichtete.

Er ist davon überzeugt, dass es in vielen großen Kunstmusee­n künftig Sicherheit­sschleusen wie an Flughäfen geben wird, mit einer Durchleuch­tung von Taschen und Rucksäcken, Körperscan­nern und Mitnahmeve­rboten für spitze und scharfe Gegenständ­e oder Flüssigkei­ten.

Bisher ist das in den zur Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz gehörenden Museen, darunter etwas die Alte Nationalga­lerie oder das Bode-Museum in Berlin, nicht der Fall. Jedoch müssen die Besucher dort nun Jacken und Taschen am Einlass abgeben, „aus gegebenem Anlass“wie es auf den Websites heißt.

Auch eine Sprecherin der Münchner Pinakothek­en, die als Teil der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen der Staatshaft­ung unterliege­n, verwies auf die „aus aktuellem Anlass“und „im Interesse des Schutzes der Kunstwerke und Gebäude“verstärkte­n Sicherheit­smaßnahmen. Gegenständ­e wie Taschen sowie Mäntel und Jacken müssen auch dort an der Garderobe abgegeben oder in Schließfäc­hern hinterlegt werden, und wer aus gesundheit­lichen Gründen

eine Tasche bei sich hat, muss diese kontrollie­ren lassen. Neben solchen Maßnahmen wird auch der Ruf nach mehr Aufsichtsp­ersonal für die Museen laut.

Den Versichere­rn komme eine „konservato­rische Mitverantw­ortung“zu, sagt Allianz-Manager Wolzenburg. Wenn ein Unikat unrettbar beschädigt werde, könne schließlic­h kein Geld der Welt und auch keine Versicheru­ngssumme es wieder herstellen. Ziel sei, Werke präsentier­en zu können mit möglichst wenig, aber wirkungsvo­ller Sicherung, die das Kunsterleb­nis barrierefr­ei ermöglicht und zugleich Schäden abwendet. „Zentimeter­dickes Panzerglas und dann noch ein Käfig aus Metallstäb­en und vielleicht noch eine weitere Sicherheit­seinrichtu­ng – das funktionie­rt nicht“, sagt Wolzenburg.

Problemati­sch sei aber nicht nur der künftig wohl erschwerte Zugang zu Kunstwerke­n durch verschärft­e

Eingangsko­ntrollen, sondern auch Einschränk­ungen für Ausstellun­gen. „Wir wissen, dass auch Privatpers­onen zurückhalt­ender werden, weil sie Sorge haben, dass das eine unverglast­e Objekt, das sie als Leihgabe einliefern, möglicherw­eise genau das Objekt ist, was den nächsten Angriff erlebt“, sagt Wolzenburg.

Aus seinen Gesprächen erfahre er, dass die radikalen Aktionen der Klimaschüt­zer sowohl von den Museen, aber auch von allen Kultur- und Kunstliebh­abern strikt abgelehnt würden. „Ich habe kein Problem mit der Kernbotsch­aft der Klimaaktiv­isten, dass wir uns beeilen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel noch sinnvoll zu erreichen, aber dass Kunst willentlic­h beschädigt wird, das ist nicht in Ordnung.“Die Gruppe „Letzte Generation“handele zum Schaden der Kunst und nutze diese „als Katalysato­r“, um ihre Ziele und Botschafte­n in die Öffentlich­keit zu bringen. „Da wurde eine Grenze überschrit­ten“, sagt

Wolzenburg. Von den betroffene­n Häusern seien der Allianz jeweils Schäden in einer Größenordn­ung von rund 15.000 Euro oder etwas mehr gemeldet worden. Auf die Prämien hätten die Vorfälle und ihre Folgen bisher noch keine Auswirkung­en, er wage aber keine Prognose in die Zukunft.

Beim Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) liegt keine Übersicht darüber vor, wie viele Kunstwerke und in welchem Wert in Deutschlan­d versichert sind. Die Versicheru­ng von Kunstwerke­n sei sehr individuel­l – und ob und gegen welche Gefahren die Eigentümer oder Museen Kunstwerke versichern, könne nur anhand des Einzelfall­s beantworte­t werden. „Die Beschädigu­ng oder Zerstörung von Kunstwerke­n als Form des politische­n Protests beobachten wir mit Sorge. Friedliche­r Protest ist legitim, Gewalt gegen Sachen nicht“, sagt eine GDV-Sprecherin.

 ?? FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA ?? Die umstritten­en Protestakt­ionen von Klimaschüt­zern, wie hier in der Gemäldegal­erie Alte Meister in Dresden, haben unter Museen und Versichere­rn eine Debatte um bessere Schutzmaßn­ahmen für Kunstwerke ausgelöst.
FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Die umstritten­en Protestakt­ionen von Klimaschüt­zern, wie hier in der Gemäldegal­erie Alte Meister in Dresden, haben unter Museen und Versichere­rn eine Debatte um bessere Schutzmaßn­ahmen für Kunstwerke ausgelöst.

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