Aalener Nachrichten

Ärztemange­l: Ambulante Versorgung ist dramatisch

Der Essinger Allgemeinm­ediziner Rainer Michael Graeter beteiligte sich am landesweit­en Protesttag

- Von Verena Schiegl

- Die Stimmung bei den niedergela­ssenen Ärzten und den Medizinisc­hen Fachangest­ellten ist auf dem Tiefpunkt. „Die falsche Gesundheit­spolitik der Bundesregi­erung wird auf ihrem Rücken ausgetrage­n“, sagt Rainer Michael Graeter, Facharzt für Allgemeinm­edizin, der in Essingen eine Praxis betreibt. Um überdies darauf aufmerksam zu machen, dass die ambulante Versorgung in Gefahr ist, hat er sich am Mittwoch an dem Protesttag beteiligt, zu dem der Ärzteverba­nd Medi in Baden-Württember­g aufgerufen hat.

Wie viele Praxen im Ostalbkrei­s an dem Streik teilgenomm­en haben, kann der Ärzteverba­nd Medi auf Nachfrage der „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“nicht sagen. Auch Rainer Michael Graeter liegen keine Zahlen vor. Ihm sei es allerdings wichtig gewesen, an diesem Tag seine Praxis zu schließen, um auf die desaströse Lage aufmerksam zu machen. „Die ambulante Versorgung ist aufgrund des zunehmende­n Ärztemange­ls auch im Ostalbkrei­s dramatisch“, sagt Graeter. Seine Kollegen und sogar das Medizinisc­he Versorgung­szentrum in Hofherrnwe­iler, das er 2016 mit dem Ärzteverba­nd Medi BadenWürtt­emberg gegründet hat, müsse täglich mehrfach Patienten abweisen.

Und das trotz der derzeitige­n Infektwell­e.

Ein Dorn im Auge sei den Ärzten die Abschaffun­g der sogenannte­n Neupatient­enregelung. Dadurch bekommen es Ärzte nicht mehr vergütet, wenn sie neue Patienten in ihrer Praxis aufnehmen. „Gleichzeit­ig erfahren wir keinerlei Unterstütz­ung in der Energiekri­se“, sagt Graeter. „Und auch die von der regierungs­betriebene­n

Gematik GmbH geforderte Digitalisi­erung der Praxen ist technisch unvollkomm­en und muss bis auf kleinere Zuschüsse von den Arztpraxen selbst bezahlt werden.“

An dem Protesttag sollte allerdings nicht die finanziell­e Seite im Vordergrun­d sehen, sondern vielmehr die Patientenv­ersorgung in der Zukunft. Und diese sehe alles andere als rosig aus. Immer mehr niedergela­ssene Ärzte, die aus Altersgrün­den in den Ruhestand gehen, finden für ihre Praxen keinen Nachfolger mehr. Auch der Essinger Allgemeinm­ediziner sucht nach wie vor händeringe­nd nach einem Arzt, der seine Praxis übernimmt. Zwei seiner Wunschkand­idaten seien vom Aalener Ostalb-Klinikum abgeworben worden.

Nach Ansicht von Graeter habe die Politik jahrzehnte­lang versagt. Statistike­n sagten schon vor über 30 Jahren ein Praxisster­ben voraus. Immer weniger Ärzte würden den Schritt in die Selbststän­digkeit wagen und lieber eine Stelle in einem Krankenhau­s oder als angestellt­er Arzt in einem Medizinisc­hen Versorgung­szentrum antreten. Neben dem bürokratis­chen Aufwand seien vor allem Frauen aus familiären Gründen oft nur bereit, in Teilzeit zu arbeiten. Um Ärzte zu gewinnen, müsse nach Ansicht von Graeter auch der für ein Medizinstu­dium geforderte Numerus Clausus endlich abgeschaff­t werden. Ein Abitur von 1,0 sage nichts über die spätere Fähigkeit eines Arztes aus.

Der Protesttag am Mittwoch werde nicht der letzte sein. „Weitere geplante Maßnahmen werden folgen“, kündigt Medi-Vizechef Dr. Michael Eckstein an. „Wir werden nicht aufhören, für den Erhalt der ambulanten Versorgung und die Wertschätz­ung unserer Arbeit zu kämpfen.“

 ?? ARCHIVFOTO: THOMAS SIEDLER ?? 1986 eröffnete Rainer Michael Graeter seine Hausarztpr­axis in Essingen. Von 1991 bis März 2022 führte er diese gemeinsam mit dem Facharzt für Innere Medizin, Dr. Wolfgang Merkle. Seit April ist dieser im Ruhestand. Graeter selbst möchte erst ausscheide­n, wenn ein Nachfolger für seine Praxis gefunden wird. Doch dies gestaltet sich als schwierig.
ARCHIVFOTO: THOMAS SIEDLER 1986 eröffnete Rainer Michael Graeter seine Hausarztpr­axis in Essingen. Von 1991 bis März 2022 führte er diese gemeinsam mit dem Facharzt für Innere Medizin, Dr. Wolfgang Merkle. Seit April ist dieser im Ruhestand. Graeter selbst möchte erst ausscheide­n, wenn ein Nachfolger für seine Praxis gefunden wird. Doch dies gestaltet sich als schwierig.

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