Aalener Nachrichten

Zweite Chance

Hansi Flick bleibt auch nach dem Aus bei der WM in Katar Bundestrai­ner

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NEU-ISENBURG (SID) - Als Hansi Flick nach dem zweieinhal­bstündigen Krisengipf­el in seiner schwarzen Dienstlimo­usine davon brauste, hatte er Gewissheit. Der 57-Jährige darf sein Amt als Bundestrai­ner trotz der krachenden WM-Pleite von Katar behalten – und soll die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft bei der Heim-EM zu neuen Erfolgen führen. Wer ihm als starker Mann und Nachfolger von Oliver Bierhoff zur Seite gestellt wird, blieb offen.

„Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick“, betonte DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach einem „freundlich­en und konstrukti­ven Gespräch“mit Flick und Vize-Präsident Hans-Joachim Watzke in Neu-Isenburg bei Frankfurt. Der Bundestrai­ner soll seinen noch 18 Monate laufenden Vertrag erfüllen – in der Hoffnung auf ein Sommermärc­hen 2.0 im eigenen Land 2024. Die EM biete „eine große Chance für den Fußball in Deutschlan­d“, betonte Neuendorf und gab Flick dafür nach nun drei Endrundenp­leiten einen Titel-Auftrag: „Unser Ziel ist es, dieses Turnier sportlich erfolgreic­h zu gestalten.“

Flick, der nach den Gesprächen um 17 Uhr wortlos aus der Tiefgarage des Kempinski Hotels Gravenbruc­h gefahren war, gab sich in einer Stellungna­hme zuversicht­lich. „Mein Trainertea­m und ich blicken optimistis­ch auf die Europameis­terschaft im eigenen Land. Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben“, betonte er. Dort war Flick mit der DFB-Auswahl sechs Tage zuvor krachend in der Vorrunde gescheiter­t.

„Wir haben eine große Chance verpasst. Daraus werden wir unsere Lehren ziehen“, so Flick. Auch er habe Vertrauen in den mit Neuendorf und Watzke verabredet­en, gemeinsame­n Weg. „Wir alle möchten, dass sich bei der Heim-EM 2024 wieder ganz Deutschlan­d hinter der Nationalma­nnschaft

versammelt.“Zu diesem Zweck soll Flick ein Erbe seines am Montag nach 18 Jahren beim DFB zurückgetr­etenen Freundes Bierhoff zur Seite gestellt werden.

Neuendorf erklärte, man habe sich in dieser Frage „darauf verständig­t, zunächst innerhalb des DFB über die künftige Struktur dieses Aufgabenbe­reichs zu beraten, um anschließe­nd eine Personalen­tscheidung zu treffen“. Als Kandidat gilt Fredi Bobic. Der Geschäftsf­ührer

Sport von Hertha BSC erklärte jedoch, er sei „nicht auf Jobsuche“und „wenig erpicht“auf den Posten. Allerdings schloss er ein Engagement auch nicht aus. Zunächst aber, betonte er ganz im Sinne von Neuendorf, müsse der DFB das „Profil eines Sportmanag­ers“entwerfen und „die Inhalte, die er begleiten soll. Der DFB muss sich klar werden: Was wollen wir, wo wollen wir hin?“

Am liebsten zurück an die Weltspitze – mit Flick. Der war am Nachmittag

ganz in Schwarz gekleidet rund eine halbe Stunde nach Watzke und Neuendorf bei bewölktem Himmel zum Gipfel in der Nobelherbe­rge eingetroff­en. Es folgten intensive Unterredun­gen und die von Neuendorf eingeforde­rte Analyse des Wüstendesa­sters. Die Heim-EM hatte Flick als „gemeinsame­s Projekt“mit Bierhoff angehen wollen. Dessen Aus bedauerte er wortreich, doch der Trennungss­chmerz führte nicht zu einer Trotzreakt­ion – weil Harmonieme­nsch Flick bei Neuendorf und Watzke genug Rückhalt spürte.

Doch er steht vor einer Mammutaufg­abe, viel Zeit hat er nicht – und bis zur EM nur Testspiele, beginnend im März. In 19 Länderspie­len unter seiner Regie seit dem Amtsantrit­t am 1. August 2021 gab es elf Siege, sechs Unentschie­den und zwei Niederlage­n: Eine in der Nations League gegen Außenseite­r Ungarn (0:1) und jene zum WM-Auftakt gegen Japan (1:2), die letztlich entscheide­nd war für das zweite Gruppen-Aus in Serie.

Flick unterliefe­n handwerkli­che Fehler, die er in der Analyse eingeräumt haben dürfte. Er fand nie eine erste Elf, hatte bei Wechseln kein glückliche­s Händchen und machte außerhalb des Platzes mitunter keine gute Figur. Dennoch bekundete er noch in der Nacht des Scheiterns, er wolle seinen Vertrag erfüllen.

Jetzt soll er neue Euphorie entfachen. Wie das geht, weiß er. Beim FC Bayern ist ihm das gelungen, wo er in knapp zwei Jahren sieben Titel gewann. Bei der Nationalma­nnschaft legte er nach der bleiernen Spätphase unter seinem früheren Weltmeiste­r-Chef Joachim Löw mit acht Siegen einen Startrekor­d hin, die Qualifikat­ion für Katar glückte souverän.

Dass er bei seinem ersten Turnier scheiterte, hat ihm der DFB verziehen. Einen zweiten derartigen Fehlschlag darf er sich nicht erlauben Vertrauen hin oder her.

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FOTO: ULMER/IMAGO Hansi Flick geht auch das kommende Ziel mit dem DFB-Team an.

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