Vom Himmel geholt
US-Präsident Biden lässt mysteriösen chinesischen Spionageballon abschießen – Suche nach Beweisstücken
- Trotz eisiger Temperaturen strömten am Tag nach dem Abschuss des mysteriösen Ballons aus China mehr Menschen an den Strand von Surfside Beach als gewöhnlich. Statt nach Muscheln zu suchen, hofften viele ein Souvenir von dem mutmaßlichen Spionagegefährt zu finden, das über den Aleuten in Alaska erstmals in amerikanischen Luftraum eingedrungen war. Mit wachsender Faszination verfolgten die Amerikaner, wie der Ballon in 20.000 Metern Höhe im Zeitlupentempo die USA von Montana zu den Carolinas überquerte.
Eine Reise, die am Samstag Punkt 14:39 Uhr US-Ostküstenzeit unweit der Küste vor South Carolina jäh endete. Jefferey Billie verfolgte den von Präsident Joe Biden befohlenen Abschuss des Spionageballons durch ein „F-22 Raptor“-Kampfflugzeug mit dem bloßen Auge von seinem Haus in Pawleys Island. Der große, weiße Ball im Himmel habe „plötzlich wie ein zerknülltes Kleenex-Taschentuch“ausgesehen, beschreibt der Augenzeuge einem Reporter, wie der Flieger den eben noch prallen Ballon mit einer „Sidewinder“-Rakete aus der Luft holte.
Andere Augenzeugen hörten einen lauten Knall, bevor die etwa drei Omnibusse große Gerätschaft in das flache Küstengewässer stürzte. Schiffe der Navy und Küstenwache sicherten umgehend die Gewässer, während Militärtaucher damit begannen, die Überreste zu lokalisieren. Die Amerikaner hoffen, durch die Auswertung der Überreste des Spionageballons mehr über dessen rätselhafte Mission zu lernen.
Präsident Biden gratulierte dem Militär zu dem erfolgreichen Einsatz. Gleichzeitig verteidigte sich der Präsident gegen Kritik der oppositionellen Republikaner, die ihm Zögerlichkeit vorgehalten hatten. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers, hatte Antworten auf die Frage verlangt, „welcher Schaden für unsere nationale Sicherheit durch diese Entscheidung entstanden ist“.
Biden erklärte, er sei den Empfehlungen seiner Generäle gefolgt, die weder Menschenleben noch Sachschaden durch einen Abschuss des Spionageballons über dem Festland riskieren wollten. Der beste Zeitpunkt sei gekommen, „als er innerhalb unserer Zwölf-Meilen-Grenze über Wasser war“. Die Volksrepublik China reagierte verärgert auf den Abschuss des Luftgefährts. Es habe sich um einen „Wetterballon“gehandelt, der wegen seiner begrenzten Steuerungsmöglichkeiten durch starken Westwind von der geplanten Route abgebracht worden sei. Dass der „neue“Kurs dann ausgerechnet über die Silos der Interkontinentalraketen Minutemen III in Montana und andere US-Militärinstallationen führte, halten Experten für wenig glaubhaft.
US-Außenminister Anthony Blinken hatte wegen der Ballon-Affäre am Freitag eine geplante Reise nach Peking kurzfristig abgesagt. Höhepunkt des ersten Besuchs eines amerikanischen Außenministers seit 2018 sollte ein Treffen mit Präsident Xi Jinping sein. Das chinesische Außenministerium wertete die auf unbestimmte Zeit verschobene Reise verbunden mit dem Abschuss als „offensichtliche Überreaktion“der USA. „Das war zu einhundert Prozent deren Schuld“, erklärte ein hoher Regierungsmitarbeiter zu der diplomatischen Krise. Auch die Bundesregierung ist alarmiert durch Berichte über mehrere Spionageballons, die mutmaßlich aus China stammen. „Die Bundesregierung nimmt chinesische Spionage und die aktuellen Berichte sehr ernst und stimmt sich mit ihren wichtigsten Partnern ab“, hieß es auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“aus Sicherheitskreisen. Ob es ähnliche Vorkommnisse über Deutschland oder Europa gegeben hat, wird demnach noch geprüft.