Aalener Nachrichten

IHK Ostwürttem­berg warnt: Bedrohungs­lage ist konkret

Bei Kongress zur Cybersiche­rheit wird Attacke von vor fast einem Jahr beleuchtet – Noch nicht ausgestand­en

- Von Viktor Turad

- Obwohl die Cyberattac­ke nun schon fast ein Jahr zurücklieg­t, ist die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Ostwürttem­berg noch immer nicht vollständi­g wieder am Netz. Das hat ihr stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer Thorsten Drescher bei einem gut besuchten Kongress zum Thema Cybersiche­rheit in den Räumen des IHK-Digitalisi­erungszent­rums (DigiZ) in Aalen mitgeteilt.

Über den mutmaßlich­en Angreifer sagte er so viel: Der Angriff stehe im aktuellen politische­n Kontext, und fügte auf Anfrage den Hinweis hinzu, Monate zuvor habe der Angriffskr­ieg in der Ukraine begonnen.

Im weiteren Verlauf des Kongresses informiert­en Fachleute darüber, wie Angriffe ablaufen, und gaben Tipps, wie man sich gegen sie wehren kann. Der frühere Aalener Polizeiprä­sident Roland Eisele und der frühere Hauptkommi­ssar Helmut Sailer stellten das Projekt CyberWuP (Cybersiche­rheit, Wirtschaft­sschutz und Prävention) mit der Hochschule Aalen vor. Dabei werden niederschw­ellige Ratschläge vor allem für kleine Handwerksb­etriebe erarbeitet, wie sie sich gegen Cyberattac­ken wappnen können.

Der Angriff auf die IHK und mit ihr auf alle 78 anderen im Bundesgebi­et war Drescher zufolge hochprofes­sionell und von langer Hand vorbereite­t und begann bereits im Mai vergangene­n Jahres ganz langsam, sodass er erst Anfang August bemerkt wurde. Dass es so weit kommen könnte, hatte niemand auf dem Schirm, räumten er und IHK-Hauptgesch­äftsführer Thilo Rentschler ein, denn man habe auf das – später ausdrückli­ch bestätigte – hohe Sicherheit­sniveau des IHK-eigenen Dienstleis­ters vertraut. Drescher: „Wir dachten, uns würde das nicht ereilen.“

Als es dann doch passiert sei, sei man mit Problemen konfrontie­rt gewesen, mit denen man zuvor nicht gerechnet hatte. Alle IHKs seien sofort vom Netz genommen worden. Die Folge: Die Homepage war nicht mehr erreichbar, Kontakte per Internet waren nicht mehr möglich, in der Kommunikat­ion ging fast nichts mehr. Wieder gefragt waren dagegen simsen und das Faxgerät, das aber viele Kunden gar nicht mehr hatten. Wichtige Dokumente konnten nicht mehr gescannt und verschickt werden, die Kunden mussten sie abholen und stempeln lassen. Da die Daten fast aller Gewerbetre­ibenden potenziell betroffen waren, mussten die Sicherheit­sbehörden eingeschal­tet werden.

Überdies ging es darum, wie Drescher weiter berichtete, alles in einem langwierig­en Prozess zu bereinigen, alle Server und die allein bei der IHK Ostwürttem­berg mehr als 250 Endgeräte zu scannen. Dabei wurden allein bei der Heidenheim­er IHK „mehrere 100 Auffälligk­eiten“entdeckt. Danach mussten die Sicherheit­svorkehrun­gen weiter erhöht werden, die jetzt auch fortlaufen­d überwacht werden.

Weil die Kommunikat­ion ohnehin erschwert gewesen sei und die Abläufe sehr komplex gewesen seien, beispielsw­eise wegen des Einsatzes von Faxgeräten, habe der ohnehin dynamische Prozess sehr lange gedauert, so der Redner weiter. Es sei noch immer nicht alles ausgestand­en.

Die IHK habe daraus den Schluss gezogen, dass Vorsorge besser sei als Nachsorge, sagte Drescher weiter. Man habe nun vorsorglic­h parallele, saubere digitale Strukturen aufgebaut, man habe die Sicherheit­sanforderu­ngen für alle IHKs weiter erhöht und drohe mit Sanktionen, wenn sich eine nicht an die Vorgaben halte. Sie fliege schlicht aus dem IHK-Netz. Schließlic­h habe man alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sensibilis­iert und ihnen beispielsw­eise deutlich gemacht, dass ein sechsstell­iges Passwort nichts wert sei. Dieses zu knacken oder gar zu erraten, sei für Hacker überhaupt kein Problem.

Torsten Seeberg, Experte für Cyber-Sicherheit beim Landeskrim­inalamt (LKA), warnte sein Publikum eindringli­ch: „Sie alle sind gefährdet, unabhängig von der Branche oder der Größe Ihres Betriebes! Die Bedrohungs­lage ist konkret!“Deshalb appelliert­e er an seine Zuhörer, sich im Zweifel umgehend an das LKA oder an die Polizei zu wenden. Es gehe dabei nicht nur darum, wirtschaft­lichen Schaden abzuwenden. Die Betriebe seien überdies gesetzlich verpflicht­et, ihre personenbe­zogenen Daten zu schützen.

„Wir dachten, uns würde das nicht ereilen“, sagte der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer der IHK Ostwürttem­berg, Thorsten Drescher.

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