Apotheker klagen über Lieferengpässe
Weil unter anderem Antibiotika zur Behandlung von Scharlach fehlen, schlagen Pharmazeuten Alarm
- Eine Scharlach-Welle zieht durchs Land und auch Ellwangen bleibt davon nicht verschont. Viele Eltern sind besorgt über die sich schnell ausbreitende Krankheit in Kindergärten und Schulen. Doch die bakterielle Erkrankung alleine ist nicht das größte Problem. Denn die für die Behandlung von Scharlach benötigten Antibiotika-Säfte sind vielerorts vergriffen. Ellwanger Apotheker berichten von großen Problemen bei der Beschaffung.
Laut Jens Boving, Inhaber der „Apotheke am Markt“, gibt es seit einiger Zeit Lieferprobleme bei Antibiotika-Säften. „Die Engpässe sind ein großes Problem“, berichtet er. Die Gründe dafür sind seiner Meinung nach vielschichtig und systematisch bedingt. Ein Pharmakonzern verdiene an einer Flasche Penicillin-Saft knapp 3,50 Euro. Alleine die Herstellung der dafür benötigten Glasf laschen sei sehr teuer und rechne sich für einen Hersteller kaum noch. „Sie produzieren es erst gar nicht, weil sie sonst draufzahlen“, sagt er. Hinzu kommen die seit der Corona-Zeit auftretenden Lieferkettenprobleme. Denn die Rohstoffe für Medikamente werden hauptsächlich in China produziert und in Indien verarbeitet. Die lange Lieferkette ist, das weiß man spätestens seit Corona, recht fragil.
Ähnliche Erfahrungen hat Richard Krombholz, Inhaber der „Apotheke im Ärztezentrum“und der „Adler-Apotheke“, gemacht. Erst fünf Minuten vor seinem Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“habe er eine Mutter mit einem Scharlach-kranken Kleinkind vertrösten müssen. Das benötigte Medikament habe er schlicht nicht auf Lager gehabt. Schon seit November seien vor allem Antibiotika-Trockensäfte
knapp. „Im Moment ist keine Besserung in Sicht“, sagt er. Apotheker koste es „einen Großteil“ihrer Zeit, den Markt nach Penicillin abzugrasen. Die Hersteller der Medikamente seien trotz steigender Produktionskosten durch Rabattverträge mit den Krankenkassen an Preise gebunden.
In Rabattverträgen gewähren Pharmakonzerne den Krankenkassen seit 2007 einen Nachlass auf bestimmte Medikamente oder Sortimente. Als Gegenleistung müssen die Kassen zusichern, dass ihre Patienten künftig
nur noch diese Arzneimittel erhalten. Die Preise wurden aber oft vor langer Zeit festgelegt, bevor es zum enormen Anstieg der Produktionskosten kam. „Das System spart sich dadurch in seiner Vielfalt kaputt“, merkt Jens Boving an. Das RabattverträgeSystem habe dafür gesorgt, dass immer weniger Konzerne einzelne Medikamente herstellen. „Früher gab es für Antibiotika 20 Anbieter, heute sind es um die drei“, merkt er an.
Doch was tun, wenn ein Kind an Scharlach leidet und es in ganz Ellwangen keinen Penicillinsaft
gibt? Im Gegensatz zu Fiebersäften können Apotheker diese nämlich nicht selbst herstellen. „Leider sind uns die Hände gebunden. Das ist technisch nicht möglich“, erklärt Richard Krombholz. Ebenso fehlen den Pharmazeuten die Medikamenten-Daten der Hersteller. Einfach eine Antibiotikum-Tablette in Wasser aufzulösen ist deshalb auch keine Lösung, meint Krombholz. Jens Boving teilt derweil mit, dass ein alternatives Medikament zu finden die Aufgabe des Arztes sei.
Im Zweifel lässt sich Scharlach mit anderen, oft stärkeren Antibiotika behandeln, erklärt die Ellwanger Kinderärztin Lavina Chitimus. Das komme aber vergleichsweise selten vor. „Der Saft ist immer die erste Wahl“, sagt sie. Denn gerade bei Kindern stehe immer die Gefahr einer Antibiotika-Resistenz im Raum. Dass es mehr Scharlach-Fälle als vergangenes Jahr gibt, habe sie durchaus in ihrer Praxis beobachten können. Trotzdem ordnet sie ein: „Es gibt von allen möglichen Infekten mehr als zuvor.“Scharlach steche nicht alleine hervor.