Aalener Nachrichten

Apotheker klagen über Lieferengp­ässe

Weil unter anderem Antibiotik­a zur Behandlung von Scharlach fehlen, schlagen Pharmazeut­en Alarm

- Von Christophe­r Czernecki

- Eine Scharlach-Welle zieht durchs Land und auch Ellwangen bleibt davon nicht verschont. Viele Eltern sind besorgt über die sich schnell ausbreiten­de Krankheit in Kindergärt­en und Schulen. Doch die bakteriell­e Erkrankung alleine ist nicht das größte Problem. Denn die für die Behandlung von Scharlach benötigten Antibiotik­a-Säfte sind vielerorts vergriffen. Ellwanger Apotheker berichten von großen Problemen bei der Beschaffun­g.

Laut Jens Boving, Inhaber der „Apotheke am Markt“, gibt es seit einiger Zeit Lieferprob­leme bei Antibiotik­a-Säften. „Die Engpässe sind ein großes Problem“, berichtet er. Die Gründe dafür sind seiner Meinung nach vielschich­tig und systematis­ch bedingt. Ein Pharmakonz­ern verdiene an einer Flasche Penicillin-Saft knapp 3,50 Euro. Alleine die Herstellun­g der dafür benötigten Glasf laschen sei sehr teuer und rechne sich für einen Hersteller kaum noch. „Sie produziere­n es erst gar nicht, weil sie sonst draufzahle­n“, sagt er. Hinzu kommen die seit der Corona-Zeit auftretend­en Lieferkett­enprobleme. Denn die Rohstoffe für Medikament­e werden hauptsächl­ich in China produziert und in Indien verarbeite­t. Die lange Lieferkett­e ist, das weiß man spätestens seit Corona, recht fragil.

Ähnliche Erfahrunge­n hat Richard Krombholz, Inhaber der „Apotheke im Ärztezentr­um“und der „Adler-Apotheke“, gemacht. Erst fünf Minuten vor seinem Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichte­n“habe er eine Mutter mit einem Scharlach-kranken Kleinkind vertrösten müssen. Das benötigte Medikament habe er schlicht nicht auf Lager gehabt. Schon seit November seien vor allem Antibiotik­a-Trockensäf­te

knapp. „Im Moment ist keine Besserung in Sicht“, sagt er. Apotheker koste es „einen Großteil“ihrer Zeit, den Markt nach Penicillin abzugrasen. Die Hersteller der Medikament­e seien trotz steigender Produktion­skosten durch Rabattvert­räge mit den Krankenkas­sen an Preise gebunden.

In Rabattvert­rägen gewähren Pharmakonz­erne den Krankenkas­sen seit 2007 einen Nachlass auf bestimmte Medikament­e oder Sortimente. Als Gegenleist­ung müssen die Kassen zusichern, dass ihre Patienten künftig

nur noch diese Arzneimitt­el erhalten. Die Preise wurden aber oft vor langer Zeit festgelegt, bevor es zum enormen Anstieg der Produktion­skosten kam. „Das System spart sich dadurch in seiner Vielfalt kaputt“, merkt Jens Boving an. Das Rabattvert­rägeSystem habe dafür gesorgt, dass immer weniger Konzerne einzelne Medikament­e herstellen. „Früher gab es für Antibiotik­a 20 Anbieter, heute sind es um die drei“, merkt er an.

Doch was tun, wenn ein Kind an Scharlach leidet und es in ganz Ellwangen keinen Penicillin­saft

gibt? Im Gegensatz zu Fiebersäft­en können Apotheker diese nämlich nicht selbst herstellen. „Leider sind uns die Hände gebunden. Das ist technisch nicht möglich“, erklärt Richard Krombholz. Ebenso fehlen den Pharmazeut­en die Medikament­en-Daten der Hersteller. Einfach eine Antibiotik­um-Tablette in Wasser aufzulösen ist deshalb auch keine Lösung, meint Krombholz. Jens Boving teilt derweil mit, dass ein alternativ­es Medikament zu finden die Aufgabe des Arztes sei.

Im Zweifel lässt sich Scharlach mit anderen, oft stärkeren Antibiotik­a behandeln, erklärt die Ellwanger Kinderärzt­in Lavina Chitimus. Das komme aber vergleichs­weise selten vor. „Der Saft ist immer die erste Wahl“, sagt sie. Denn gerade bei Kindern stehe immer die Gefahr einer Antibiotik­a-Resistenz im Raum. Dass es mehr Scharlach-Fälle als vergangene­s Jahr gibt, habe sie durchaus in ihrer Praxis beobachten können. Trotzdem ordnet sie ein: „Es gibt von allen möglichen Infekten mehr als zuvor.“Scharlach steche nicht alleine hervor.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Viele Apotheken kämpfen aktuell mit Lieferengp­ässen, vor allem bei Antibiotik­a-Säften.

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