Aalener Nachrichten

Die Reparatur der Wegwerfmen­talität

EU-Kommission will Verbrauche­r stärken und ihnen künftig ein Recht auf Instandset­zung einräumen

- Von Marek Majewsky

(dpa) - Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in Europa sollen einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge ein sogenannte­s Recht auf Reparatur bekommen. Ziel ist es, die Bürger so finanziell zu entlasten und zugleich die Umwelt zu schonen.

Um welche Produkte geht es?

Sehr viele. Als Beispiele nennt die EU-Kommission etwa Wasch- und Spülmaschi­nen, Fernseher, Tablets, Smartphone­s und Trockner. Allgemein heißt es: „Der Vorschlag gilt für Verbrauchs­güter.“Gemeint sind damit „bewegliche körperlich­e Gegenständ­e“. Zudem sollen alle Mängel an solchen Gütern abgedeckt sein – unabhängig davon, ob sie noch der gesetzlich­en Gewährleis­tung unterliege­n oder nicht. Also sollen auch selbst verschulde­te Schäden repariert werden können.

Was ist das Ziel der geplanten Regeln?

Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r sollen gestärkt, die Umwelt soll geschont werden. Der Vorschlag mache es einfacher und kostengüns­tiger, Waren zu reparieren, statt sie zu ersetzen. So sollen Käufer etwa für fünf bis zehn Jahre – also auch nach Ablauf der gesetzlich­en Garantie – bei Hersteller­n eine Reparatur einfordern können für Produkte, die nach EU-Recht technisch reparierba­r sind.

Entsorgte Waren können laut der EU-Kommission häufig noch repariert werden, werden aber oft vorzeitig weggeworfe­n. Dies habe jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall, 30 Millionen Tonnen verschwend­eter Ressourcen und 261 Millionen Tonnen an Treibhausg­as-Emissionen in der EU zur Folge. Geschätzt sollen über 15 Jahre 18,5 Millionen Tonnen Treibhausg­as-Emissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen sowie Abfall im Umfang von drei Millionen Tonnen eingespart werden.

Ab wann gelten die neuen Vorschrift­en?

Das steht noch nicht fest. Erst müssen sich das Europa-Parlament und die EU-Staaten auf eine konkrete Ausgestalt­ung der Regeln einigen. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Monate – eine Frist, bis wann die Verhandlun­gen abgeschlos­sen sein müssen, gibt es nicht. Es kann auch noch zu Änderungen kommen.

Die Vorsitzend­e des Binnenmark­tausschuss­es im EU-Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), betonte, sie werde sich dafür einsetzen, dass Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r nicht auf den Kosten von Reparature­n sitzen bleiben.

Auch der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber begrüßte den Vorschlag der Kommission. Er machte aber deutlich, dass es aus seiner Sicht nicht darum gehen dürfe, Verbrauche­r von Neukäufen abzuhalten.

Wo sind den Reparature­n Grenzen gesetzt?

Wenn etwa ein Handy so sehr zerstört ist, dass eine Reparatur wirtschaft­lich keinen Sinn ergibt, muss es nicht repariert werden. Wörtlich heißt es vonseiten der Europäisch­en Kommission: „Im Rahmen der gesetzlich­en Garantie werden Verkäufer Reparature­n anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz.“In der Regel gilt eine gesetzlich­e Garantie von zwei Jahren.

CSU-Politiker Ferber betonte: „Wenn man das neueste ultradünne Endgerät haben will, muss man bei der Reparierba­rkeit durch den Endverbrau­cher zwangsläuf­ig Abstriche machen.“Sein SPD-Kollege René Repasi machte deutlich: „Entscheide­nd ist, dass Unternehme­n keine abschrecke­nden Mondpreise verlangen, damit das Recht auf Reparatur sozial verträglic­h ist.“

Wo kann ich Geräte reparieren lassen?

Zum einen sind die Hersteller in der Pflicht – sie können aber auch Dienstleis­ter mit der Reparatur beauftrage­n. Zudem sollen unabhängig­e Werkstätte­n tätig werden dürfen. Cavazzini kündigte an, sich dafür einsetzen zu wollen, dass Ersatzteil­e und Anleitunge­n leicht zugänglich sind, „damit Unternehme­nsriesen wie Apple nicht länger die Regeln für eine Reparatur diktieren“. Darüber hinaus sind nationale OnlinePlat­tformen vorgesehen, auf denen sich die Bürgerinne­n und

Bürger über Reparaturd­ienste und Verkäufer überholter Waren informiere­n können.

Welche Auswirkung­en gibt es konkret für Deutschlan­d?

Sollten die Regeln wie vorgesehen in Kraft treten, müssten diese auch von Deutschlan­d umgesetzt werden. Darüber hinaus hatte die für Verbrauche­rschutz zuständige Bundesmini­sterin Steffi Lemke (Grüne) vor einem Jahr ein ähnliches Vorhaben angekündig­t. „Wir werden wichtige Schritte raus aus der Wegwerfges­ellschaft gehen, zum Beispiel durch ein Recht auf Reparatur.“Gestützt werden solle dies etwa durch ein Förderprog­ramm „Reparieren statt Wegwerfen“.

Verbrauche­rschützer sehen in den Plänen der Kommission auch eine Chance für mehr Bewegung bei dem Thema in Deutschlan­d. Denn konkrete Vorhaben zu den von Lemke angekündig­ten Plänen lägen bislang nicht vor, so der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv).

Wie reagiert die deutsche Wirtschaft?

„Viele Unternehme­n stellt das vorgeschla­gene ,Recht auf Reparatur’ vor große Herausford­erungen“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskam­mer, Peter Adrian. Wenn etwa Ersatzteil­e länger gelagert und Reparature­n innerhalb von 15 Tagen durchgefüh­rt werden müssten, bedeute dies zusätzlich­e logistisch­e und finanziell­e Belastunge­n. „Sehr viele Unternehme­n sind derzeit betrieblic­h nicht in der Lage, den Anspruch auf Reparatur in der Praxis umzusetzen.“Der Hauptgesch­äftsführer des Digitalver­bands Bitkom, Bernhard Rohleder, erklärte, ein verbriefte­s Recht auf Reparatur könne Geräte langlebige­r machen, reiche aber nicht aus. Ähnlich wie Adrian fordert Bitkom mehr Anreize für Unternehme­n: „Eine Mehrwertst­euersenkun­g auf Ersatzteil­e und Reparaturd­ienstleist­ungen für IT-Hardware wie Smartphone­s und Laptops wäre ein solcher Anreiz.“

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Elektroger­äte – wie hier ein Kaffee-Vollautoma­t – sollen künftig wieder einfacher repariert werden können.

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