Aalener Nachrichten

Zu rassistisc­h für den Unterricht?

Debatte um Abi-Pflichtlek­türe an berufliche­n Gymnasien – Warum Kultusmini­sterin Schopper daran festhalten will

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(dpa) - In BadenWürtt­emberg gibt es Streit um eine Abi-Pflichtlek­türe. Ab nächstem Jahr soll an den berufliche­n Gymnasien im Südwesten der Roman „Tauben im Gras“von Wolfgang Koeppen aus dem Jahr 1951 Teil des Deutsch-Abiturs sein (Foto: Suhrkamp Verlag). Eine Ulmer Lehrerin weigert sich, die Lektüre wegen rassistisc­hen Vokabulars im Unterricht zu behandeln, und tritt damit eine Debatte los. Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Theresa Schopper hält an der Pflichtlek­türe fest. Sie werde in manchen Schulen schon behandelt, sagte die Grünen-Politikeri­n am Mittwoch der „Südwest Presse.

„Es geht darum, deutlich zu machen, wie Rassismus Gesellscha­ften prägt: damals in den 50er-Jahren, als der Roman entstanden ist, aber auch heute. Das zu behandeln, finde ich sehr wichtig“, so Schopper weiter. Der verstorben­e Literaturk­ritiker Marcel Reich-Ranicki habe diesen Roman als Weltlitera­tur gewürdigt und die „Süddeutsch­e Zeitung“habe ihn in ihre Bibliothek aufgenomme­n.

Eine Petition gegen die Pf lichtlektü­re hat im Internet mehr als 2400 Befürworte­r gefunden, darunter auch Lehrkräfte von Universitä­ten und Kulturscha­ffende. Ihrer Ansicht nach ist das Buch nicht für den Unterricht geeignet, da betroffene Schülerinn­en und Schüler sowie Lehrkräfte während dessen Besprechun­g immer wieder rassistisc­her Diskrimini­erung ausgesetzt würden, „indem rassistisc­he Begriffe, in diesem Fall „das N-Wort“, laut in der Unterricht­ssituation vorgelesen werden“.

Schopper erklärte, dass Einordnung bei diesem Werk besonders wichtig sei. „Deswegen unterstütz­en wir die Lehrkräfte auch mit vielen Fortbildun­gen und Materialie­n“, sagte sie. Es sei zwingend notwendig, bevor dieses Buch im Unterricht gelesen und behandelt werde, sehr genau über die Sprache des Textes zu reden. „Denn in dieser Sprache wird ganz klar Rassismus transporti­ert.“

„Es gibt auch andere Werke, mit denen man wahnsinnig gut Rassismus aufarbeite­n kann, ohne dass man eine Gruppe dehumanisi­ert“, sagte die Ulmer Lehrerin Jasmin Blunt dem ZDF. Laut Medienberi­chten hat sie sich wegen der Pf lichtlektü­re für das nächste Schuljahr beurlauben lassen. „Ich bedauere sehr, dass sie diese Konsequenz gezogen hat“, sagte Schopper.

Laut Kultusmini­sterium war der Roman schon um die Jahrtausen­dwende Pflichtlek­türe in Baden-Württember­g und auch 2014 in Nordrhein-Westfalen. Wolfgang Koeppen gelte als einer der wichtigste­n Nachkriegs­autoren in Deutschlan­d. Die Auswahl der Pflichtlek­türe für die Abiturprüf­ung erfolge durch ein Fachgremiu­m. An allgemeinb­ildenden Gymnasien sei „Tauben im Gras“kein Abi-Pf lichtstoff.

Das Buch ist der erste Roman aus einer Nachkriegs­trilogie von Wolfgang Koeppen (1906-1966). Darin erzählt er vom Klima der jungen Adenauer-Republik und thematisie­rt auch, dass viele zu dieser Zeit Fragen der Schuld verdrängte­n. In „Tauben im Gras“kommen auch Figuren vor, die rassistisc­he Einstellun­gen haben, in Beschimpfu­ngen taucht das „N-Wort“mehrmals auf.

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