Aalener Nachrichten

Standpauke für Scholz

Kanzler wird von EU-Partnern für deutsche Position im Verbrenner-Streit gerügt

- Von Michel Winde, Michael Fischer und Marek Majewsky

(dpa) - Bundeskanz­ler Olaf Scholz hat die Blockade der Bundesregi­erung im Streit über Autos mit Verbrennun­gsmotor gegen Kritik europäisch­er Partner verteidigt. „Es gibt eine klare Verständig­ung in Europa“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei einem EU-Gipfel in Brüssel. Dazu gehöre, dass die EU-Kommission einen Vorschlag mache, wie auch nach 2035 ausschließ­lich mit klimaneutr­alen E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor zugelassen werden können. „Das ist schon Konsens.“

Wer anderen Regierungs­chefs zuhörte, merkte jedoch schnell: Das deutsche Vorgehen sorgt bei einigen Partnern mindestens für Irritation, eher für Verärgerun­g. Denn zuletzt hatte vor allem die FDP dafür gesorgt, dass ein wichtiges Klimaschut­zgesetz in der EU nicht verabschie­det werden konnte, wonach ab 2035 nur noch emissionsf­reie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen.

Am deutlichst­en wurde der lettische Ministerpr­äsident Krisjanis Karins. Er sprach mit Blick auf das deutsche Vorgehen von einem „sehr, sehr schwierige­n Zeichen für die Zukunft“. Es sei verwunderl­ich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbaru­ng bereits getroffen worden sei. Karins warnte: „Die gesamte Architektu­r der Entscheidu­ngsfindung würde auseinande­rfallen, wenn wir das alle tun würden.“Hinter vorgehalte­ner Hand äußern sich Diplomaten in Brüssel deutlicher. Sie werfen Deutschlan­d etwa einen Vertrauens­bruch vor.

Luxemburgs Ministerpr­äsident Xavier Bettel reagierte am Donnerstag nur noch genervt auf

die Debatte. Natürlich könne man beim Gipfel über alles reden. Aber eigentlich stehe das Thema nicht auf der Tagesordnu­ng. „Es ist ja kein Wunschkonz­ert, wenn wir nach Brüssel kommen.“Der Europäisch­e Rat der Staats- und Regierungs­chefs solle nicht für alles zuständig sein, sondern Impulse geben. Für alles andere, so Bettel, gebe es Ministerrä­te.

Was war passiert, dass Kanzler Scholz sich vor der versammelt­en europäisch­en Öffentlich­keit eine Standpauke wie die von Karins anhören musste? Noch dazu bei einem EU-Gipfel, bei dem es eigentlich um die weitere Unterstütz­ung für die Ukraine, den Austausch mit UN-Generalsek­retär António Guterres und Europas Wirtschaft ging?

Es geht um die Zukunft des Autos, wie wir es seit Jahrzehnte­n kennen – mit einem Verbrennun­gsmotor, der Diesel oder Benzin tankt und CO2 ausstößt. Eigentlich hatten sich Unterhändl­er der EU-Staaten und des Europaparl­aments schon im Herbst auf ein weitgehend­es Verbrenner­Aus ab 2035 geeinigt. Deutschlan­d

handelte jedoch einen Zusatz in das Abkommen, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließ­lich mit CO2-neutralen Kraftstoff­en betrieben werden. Damit sind sogenannte­n E-Fuels gemeint, also künstliche Kraftstoff­e, die mit Ökostrom erzeugt werden und klimaneutr­al sind.

In der EU-Kommission las man den entspreche­nden Absatz stets so, dass davon Sonderfahr­zeuge wie Kranken- oder Feuerwehrw­agen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-FuelAusnah­me dagegen für alle Fahrzeuge gelten. Vor allem die FDP will, dass auch nach 2035 noch Verbrenner zugelassen werden dürfen, die ausschließ­lich E-Fuels tanken. Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) zog deshalb Anfang März kurz vor der geplanten endgültige­n Abstimmung die deutsche Zustimmung zurück und fordert seitdem immer wieder, eine „rechtssich­ere Vereinbaru­ng mit der EU-Kommission“für eine „technologi­eoffene“Lösung. Genau darüber verhandeln Wissings Fachleute derzeit mit der EU-Kommission – auch parallel zum Gipfel.

In Brüssel befürchten viele längst, dass das gesamte Gesetz zum Verbrenner kippen könnte. Denn mittlerwei­le haben sich andere Länder der deutschen Haltung angeschlos­sen. Scholz gab sich dagegen demonstrat­iv gelassen. Die Gespräche zwischen dem Verkehrsmi­nisterium und der EU-Kommission seien auf einem guten Weg. Fehler sieht er bei seiner Regierung nicht. Stattdesse­n verweist er auf den nun eingeforde­rten Vorschlag der EU-Kommission zu E-Fuels: Es sei „immer richtig, sich an die eigenen Zusagen zu halten“.

 ?? FOTO: AFP ?? Kanzler Olaf Scholz muss in Brüssel das deutsche Vorgehen beim Verbrenner-Aus verteidige­n.
FOTO: AFP Kanzler Olaf Scholz muss in Brüssel das deutsche Vorgehen beim Verbrenner-Aus verteidige­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany